Montag, 2. April 2007


Ach, Lenore

Ah, broken is the golden bowl!
The spirit flown forever!

(Edgar A. Poe, "Lenore". 1831.)

Nicht weinen, nicht klagen, ein Totentänzchen wagen. Manchmal denk ich, mir sei die Welt entrückt. Eine Blume im Tee, ein regloses Tier im Gebüsch und innendrin nur das Herz, das sachte schlägt. Ich schaue dann gerne bei Angeliska vorbei, betrachte die betörenden Fotos von Picknicks und Partys, aber auch den verwunschenen und geschundenen von New Orleans, den zerstörten Häusern, diesem Holzboden, der sich vor Nässe in Wellen verzogen hat. Auch darin liegt eine besondere Kraft. Das Groteske, das wild Zusammengenähte, ein zurechtgedengeltes Leben aus Nägeln, Scherben und Kapuzinerkresse.

Aus tausend Schnitten eine Bewegung. YunYus Video zeigt, wie man Menschen mit Stop-Motion aus 16.000 Einzelbildern in Bewegung bringt. Ganz wunderbar: Lenore's Song

(via Youtube)


 


Donnerstag, 1. Februar 2007


Schön was auf dem Kasten

We learn in the Retreating
How vast an one
Was recently among us -
A Perished Sun

(Emily Dickinson, ca. 1866.)

© Jason Andrew McHenryManche schauen einmal die Woche die Sportschau, manche kommen einmal die Woche ihren Verpflichtungen nach, andere bringen einmal die Woche den Müll raus. Wiederum andere machen jede Woche eine tolle Sache - und basteln was. Jason Andrew McHenry hat 2002 ein Projekt verfolgt, bei dem er pro Woche einen Schaukasten künstlerisch gestaltet hat. 52 solcher Boxen sind auf seiner Galerieseite zu sehen, gefüllt mit Fundobjekten, Knochen, kleinen Fotos oder Zeichnungen. Zu allen Kästen hat er Buch geführt, nicht nur eine "Zutatenliste", sondern auch die Gedanken und Ideen, die ihn zu der jeweiligen Arbeit inspiriert haben. So wie Box Nummer 8 - die beeinflußt wurde von Tod, Todesstrafe und Chuck Palahniuk, dem Autor von Fight Club. Box Nr. 37 trägt das tibetanische Mantra des Mitfühlens und ist eine kleine Visualisierung von Schmerz und Heilung. Eine Art visuelles Tagebuch nennt McHenry es folgerichtig, wie Reliquienschreine wirken sie. Die Ergebnisse sind jedenfalls ganz wunderbar: Das Gefundene, das Vergessene, das Verlorene und Weggeworfene sind zu neuem Leben erweckt. Drei oder sieben davon muß ich sofort haben. Oder nachbasteln.

>>> Webseite von Jason Andrew McHenry


 


Dienstag, 16. Januar 2007


Formschön

Mein Leben als Beifahrer.


 


Dienstag, 9. Januar 2007


Graubunt

Fotogemeinschaften gibt es viele im Netz, die meisten von eher schwankendem Niveau. Auf ALTPhotos präsentieren Fotografen ihre Arbeiten, die sich fast durchweg sehen lassen können. Offenbar haben sich hier viele osteuropäische Künstler versammelt: Albanien, Lettland, Polen, Russland, die Ukraine - vielleicht ist es Einbildung, aber mit einem Sinn für die Würde des Alltagsbanalen, einem leisen Hauch von Melancholie und einem Schuß surrealen Witz schlagen viele Bilder einen anderen Ton an als das oft grell Pompöse westlicher Bilder. Kameras wie Kiev 88, Zenith und Pentacon sind hier noch tapfere Arbeitspferde, die zeigen, was geht, wenn man die Geduld für Technik mit Tücken aufbringen kann.

Geduld braucht man leider auch für die Bilder. Der Server von ALTPhotos ist schneckenlangsam, man kann also nebenher selbst den ein oder anderen Rollfilm entwickeln.

Ich wühle mich gerade durch die People-Galerie, die anderen Abteilungen sehen aber auch interessant aus.


 


Dienstag, 12. Dezember 2006


Streifenfrei? Bitte nur am Fenster!

Frau Fragmente meditierte neulich über das "perfekte Blog".
Ich kann nur sagen, ich habe meins gefunden. Wieder einmal zeigt sich, daß Stil keine Hexerei ist. Es ist im Grunde so einfach, zu jedem Anlaß perfekt gekleidet aufzutreten:
A Rayas (Achtung: nicht angemessen bei der Werkarbeit, bitte halten Sie Ihre Ausweispapiere bereit).



Dazu dann vielleicht mit den Bastard Fairies entspannt auf dem Sofa rumlümmeln. (via Fishy)

Sollten Sie länger nichts von mir hören, keine Sorge, es geht mir sicher gut.


 


Montag, 11. Dezember 2006


Beharren

Die amerikanische Journalistin S.I. Rosenbaum zeichnet auch (nicht "nebenbei") Comix, mit recht unterschiedlichem Ansatz, Stil und Kraft. Aber die kurze, auf einer Seite erzählte Geschichte von der 16-jährigen Simone, die Trapezartistin werden will, ist schon stark: komprimiert, lakonisch und ein hübsches Beispiel für die "Eisberg"-Theorie. Der größte Teil der Bedeutung liegt tief unter Wasser. Loustal hat so etwas drauf.

Ich weiß nicht, ob man das letzte Bild groß ausdrucken und über den Schreibtisch hängen darf. Ich würde es tun.

Suspended Life gibt es hier.


 


Freitag, 8. Dezember 2006


Als ich einmal den Turner-Preis nicht gewann


Diva kurz vor Atempause. Tusche, Papier. 1990. Privatbesitz.

Man muß im Leben auch verlieren können.


 


Mittwoch, 6. Dezember 2006


Frag die Engel

Kennen viele natürlich schon, aber hier gibt es eine Menge Bilder zu sehen von Patti Smith aus der Robert-Mapplethorpe-Sammlung der Alison Jacques Galerie, London. Sind diese Träume eigentlich noch da? Zwei, drei Seiten Poesie, eine elektrische Gitarre, ein Supersonic Sound? Das Nackte, das Entblößte, die Suche nach drei, sieben Sternen oder gleich einem ganzen Himmel. Ask The Angels.


 


Samstag, 2. Dezember 2006


Als Margarete St. einmal einen bösen Traum hatte

Hier bin ich fasziniert. Eine wunderhübsch makabre Sammlung obszön-ekliger Spielgefährten, die ich sofort besitzen möchte. Mumifizierte Puppen, die findet jetzt nicht jeder schön, aber so ist die Welt wahrscheinlich in den ungenügend beleuchteten Hinterhöfen der Putzli-Glitzli-Manufakturen. Hat sich denn nie jemand gefragt, was mit all den mißgestalteten Puppen wird, denen, die mit zwei Köpfen das Licht der Plüschfabrik erblicken? Keiner fragt es, keiner weiß es, aber diese Puppen jedenfalls, nun, sie sind tot.


 


Donnerstag, 2. November 2006


Traum der Venus

Gala-Show als "Traum der Venus". Dalís Pavillon, 1939. (c) Erik SchaalWie schon mal beiläufig bemerkt, bin ich kein allzu fanatischer Freund dieser leicht gönnerhaften Altherrenriege der sogenannten "Surrealisten". (Könnte man mal eine Abhandlung drüber schreiben, warum im Expressionismus und Dadaismus Frauen eine so viel zentralere Rolle gespielt haben.) Einschläfernder als die eher unpolitischen Geschlechtsteilbestauner finde ich nur noch ihre Epigonen. Statt der pointierten Begegnung von Nähmaschine und Regenschirm auf einem Seziertisch, finden sich leider in der Folge oftmals Quark und Kitsch allzu pubertär gezwungen auf einer Spaßbremse wieder. Und bevor jetzt einer schreit: Toleranz führt in der Kunst, ähnlich wie bei Biersorten, zu nix.

Gönnerhaft wie ich nun selber bin, hindert mich aber nichts, auf diesen hübschen Fotofundus vom Traum der Venus hinzuweisen. Der von Salvador Dalí gestaltete Pavillon war eine der Attraktionen auf der Weltausstellung 1939. (Für innere Einkehr beachten Sie bitte die ringelbestrumpfte Fischdame in der Mitte.) Neben dem sattsam bekannten Camembert-Gedöns sieht man vorbildhaft schwimmsportlich sich ertüchtigende Damen und allerlei maritimes Zubehör. Das mit pflanzlichem Wachstum gepimpte surrealistische Taxi kann man übrigens im Dalí-Museum in Figueres besichtigen. Das habe ich selbst einmal getan. Da war ich aber sehr jung und fand das alles, wie meine Pubertät auch, furchtbar aufregend. Was es - dem Grunde nach - ja schließlich sein soll. Also, tolle Gala Sache. Wie Karneval. Danke, Salvatore!