Eine Erinnerung, kalt wie Schnee, hüllt uns ein

Man lernt hier im Institut Benjamenta Verluste empfinden und ertragen, und das ist meiner Meinung nach ein Können, eine Übung, ohne die der Mensch, mag er noch so bedeutend sein, stets ein großes Kind, eine Art weinerlicher Schreihals bleiben wird.

(Robert Walser. Jakob von Gunten. 1909.)

Am Ende, also später dann, geht es alleine hinaus in den Schnee. Ein letzter Spaziergang vielleicht, den Mantel um den müden Körper festgezurrt, den Zeichenstift vergessend, und Schuhe, die Fußstapfen unbestimmter Größe hinterlassen. Wenn man hinaustritt und plötzlich alles weiß, dann, in kristallklarer Nacht.

>>> Ladytron, Destroy Everything You Touch

The Mercy Seat | 14:02h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
kid37 - Freitag, 1. Februar 2008, 13:09
Man muß es dann vielleicht auch zum Abschluß bringen, so wie man am Ende alles zu einem Abschluß bringen muß. Wenn sich das Hoffen ins Lächerliche gekehrt hat. Wenn andere längst Reisen, lockerer, leichter, ohne Ballast. Wenn man selbst droht, schwer und bleiern und ungelenk, immer so ungelenk, hinabzusinken, in den Schnee und den eiskalten Strom seiner Erinnerung.

Wenn man sieht, wie die Hüte daheim bloß im Schrank liegen, staubig, hat man hinter den Vorhang geschaut. Ein Privileg, wenn man es erkennen kann. Wenn man spürt, wo das Dunkle, der Schmerz sich in den Ecken gedrückt halten, und davor nicht und niemals nicht zurückschreckt.

Wenn man merkt, wie das eigene Dunkle, kaum anders, am Ende Abwehr erzeugt und Schrecken, man sich schämt, weil man Last ist, weil man will, daß etwas bleibt. So verschiebt sich die Waage: Von Sehnsucht und Nähe, Weite und Leichtem und dem Wunsch nach Beständigkeit. Man redet zuviel und am Ende zu wenig, anstatt einfach das Richtige zu tun. Oder wenigstens etwas. Die Haut oder ein Lachen, die Tränen am Morgen, dabei war mir nur wichtig, wo wir am Abend sind.

Dinge, am Ende vergänglich. Am Ende geht man an Bord, legt ab und sagt wehmütig Danke. Für das, was wir hatten und dem, was uns bleibt. Es wird alles anders, ein Wechsel im Jahr. Wir aber sind wie das Wetter. Verweht.

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frau klugscheisser - Freitag, 1. Februar 2008, 14:19
Man sollte nicht alles glauben, was so im Internet steht.

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gaborone - Freitag, 1. Februar 2008, 14:32
am abend lande ich dann im morgen meines lebens.
ob ich will oder nicht, er schiebt sich als kleines bildchen vor den geschafften tag.
dieses schämen, ! , genau das ist meine sache.
meine frage.
willentlich steuere ich auf einen abschluss zu, die direktive gibt aber doch "alles" vor.
erkennen setzt sehen und denken voraus, je mehr ich denke, desto -.
ich werde jetzt jeden tag dümmer.

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kid37 - Freitag, 1. Februar 2008, 15:09
Frau Klugscheißer, ich weiß das. Ich glaube, wir beide wissen das. Jeder trägt die Maske, die er am besten kennt. Es ist schwer, manchmal nicht anderes zu glauben. Deshalb lese ich auch möglichst wenig. Im Internet.

@ Gaborone: Man mag sich da in Haltung flüchten. Die ist mir leider nicht immer so gegeben, und gerade bin ich nicht sehr souverän. Dieses Schämen darf nicht zentral werden, auch wenn es eine bittere Erkenntnis ist. Früher ging mir dieser Blogger auf den Sack, der ständig davon sprach, man müsse "immer weitermachen". Aber ich glaube, er hat recht.

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bufflon - Freitag, 1. Februar 2008, 14:38
Ach, Herr Kid, gerade heute hörte ich zufällig das von Ihnen hier verlinkte Lied und musste sogleich auch an Sie denken. Und dann sagen Sie so etwas: Man redet zuviel und am Ende zu wenig, anstatt einfach das Richtige zu tun. und das passt dann auch, irgendwie. Hinterher, denke ich, warum wird man eigentlich erst in der Zukunft aus der Vergangenheit schlau?

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saxanasnotizen.blogspot.com - Freitag, 1. Februar 2008, 14:56
Vielleicht weil man es dann weiß, weil man es aus der Distanz besser erkennen und beurteilen kann, auch sein EGO in diesem Spiel.

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kid37 - Freitag, 1. Februar 2008, 15:02
Pink Frost
Destroy everything you touch today
Please destroy me this way


Ja, genau. Auch sich selbst dabei. Oder eine Dynamik. Es traurig, wie man manchmal im Nebel steht, im Dickicht, sich selbst und die Situation nicht erkennen kann. Unbedacht ist.

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ana - Freitag, 1. Februar 2008, 17:44
Bücher helfen nicht wirklich und sie helfen doch. Gestern habe ich mir zwei aus meinen Regal geholt. "Der Tod in Venedig" von Thomas Mann und "Undine geht" von Ingeborg Bachmann.

Die eine Geschichte handelt von einem, der sich um der Liebe Willen nicht nur lächerlich macht und die andere von der ewigen Wiederkehr der Sehnsucht.

"Wie irgendein Liebender versuchte er, zu gefallen und hatte bittere Angst, dass es nicht möglich sein werde."

" Einen Fehler immer wiederholen, den einen machen, mit dem man ausgezeichnet ist. Und was hilft`s dann, mit allen Wassern gewaschen zu sein, mit den Wassern der Donau und des Rheins, mit denen des Tibers und des Nils, den hellen Wassern der Eismeere, den tintigen Wassern der Hochsee und zauberischen Tümpel.

Manche Geschichten helfen einem, auch wenn man kein guter Schüler im Institut Benjamenta war, die Würde vor sich selber zu bewahren.

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kid37 - Freitag, 1. Februar 2008, 19:22
So peinlich versessen und selbstvergessend wie Aschenbach will ich natürlich nicht enden. Ich hoffe, da würden mich notfalls kritische Freunde zurückreißen. ("Sie haben Freunde, Herr Kid? Ach.") Manchmal muß man alle Gedanken an Würde fahren lassen. Das darf nur nicht zu lange dauern. Jetzt heißt es wohl, weitergehen.

Aber die Sehnsucht: Wie oft gesagt, ich finde es ja toll, wenn nicht alle Träume erfüllt sind. Ein paar muß man sich aufheben. Denen lebe ich nämlich entgegen.

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ana - Freitag, 1. Februar 2008, 20:36
Manche Träume, die man möglicherweise ein Stück weit leben könnte, lässt man ab einem gewisssen Alter vielleicht lieber gleich im Reich der Träume verbleiben, weil man von den Schmerzen, die erst später wahr sein werden, schon weiß.

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kid37 - Freitag, 1. Februar 2008, 21:38
Deswegen habe ich den Buckelvolvo dann doch nicht gekauft. Dem Herzen folge ich schon eher.

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iii - Freitag, 1. Februar 2008, 18:28
Ich: Why does it always rain on you?
The Oracle replied: Should we blame the government, or blame society, or should we blame the images on TV?

(+ Vielleicht kann wer anders sich nochmal erkundigen wanns oder obs nochmal Schnee gibt wegen: Jeder nur ein Kroiz eine Frage.)

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kid37 - Freitag, 1. Februar 2008, 19:14
Could it be 'cause I lied when I was seventeen?

Ich habe regnerische Nachrichten:

Will there be snow this winter?

The Oracle replied:
In theory, yes. In practise, no. I hope the weather in Germany is good.

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cabman - Freitag, 1. Februar 2008, 19:32
Dieses von mir, vom 27.05.2006; einTipp
Aus der Beziehung hinaus in die Nacht der Einsamkeit, die kälter nicht hätte sein können und in der alle Katzen grau scheinen, ziehe ich den emotionslosen Schal noch ein wenig fester. Nichts was war und was sein wird, wird sein und werden wie es war. Zu oft und zuviel wurde geweint, meinetwegen, unseretwegen, deinetwegen. Wer will richten und wer will schulden, in Zeiten, da keiner was will, aber alles verlangt. Spiele spielt man nicht, sie zu verlieren, höre ich sie sagen. Der Zweite ist nur der Erste Letzte, höre ich sie sagen. So steh ich da, des Verstandes beraubt, Herzen in Fetzen und Ohren betäubt auf wackeligen Füssen und matschigem Pfad und schaue hinab, auf den Haufen Scherben, den Du mir mitgabst und einst unser Leben war.
Die Worte die ich sagte, die Dinge die ich tat und vielmehr noch, was unausgesprochen und ungetätigt blieb, trieben Dich, weg von mir. Einmal noch bräuchte ich sie, die Chance, die ich schon tausendmal bekam. Noch einmal mal mehr und ich könnte beweisen: ich verdiente sie.
Doch vertan und alles Beten und Hoffen ist vergebens.
So lass ich mich treiben durch die Nacht, treffe Katzen, nicht nur graue, streichele hier, herze da, ohne Lust oder gar Liebe, einfach so, mechanisch, triebhaft. Immer schneller im Strudel und Sog der Nacht, mit Fremden, die Freunde werden, oder es mich glauben lassen. Mir egal was passiert, Hauptsache, was passiert, dass paralysiert, lass uns springen, lass uns singen und tanzen durch die Nacht, sie ist jung und ich bin es auch; wir sind für einander gemacht.
Drüben dann, im gastlichen Haus, wechseln geile Blicke zur fremden Maid; heute Nacht, ja da soll es sein, einsam Zweisam, werden wir sie überstehen und morgen, ja morgen ist es eine andere Welt. Liebesschwüre werden gegeben und gehalten, solange die Nacht sie fest umschließt. Morgen wird alles anders werden, ich verspreche es, aber heute Nacht, da bin ich allein, einsam und dies schmerzt mich, sehr sogar, kann es nicht ertragen, will es nicht ertragen, schon gar nicht akzeptieren. Die Maid zwinkert mir zu, ich ihr zurück. Zu sagen braucht man hier nichts, im Tempel der geschönten Wahrheit. Jedes Wort nur eine Stufe, ich red mich schön, sie ist es schon. Mach schon, belüg mich und gaukle mir all die Dinge vor, die nicht wahr sind, sich aber gut anfühlen. Ich bin Dein und Du bist mein und alles, alles wird anders sein, aber erst morgen. Bis dahin mach mich trunken, lass mich vergessen, halte mich, weise mir den Weg zu den Sternen, ich will den großen Budenzauber, ohne Diskussionen, ohne Limit, Freier Fall, Top Speed ohne Gurt, bis zum Anschlag, in den Wogen des erbärmlichen Lebens versinkend und wenn ich morgen in nebliger Frühe aufschlage, zerbreche oder untergehe, so soll es sich wenigsten gelohnt haben…..

Zweifel? Nicht heute Nacht Mäuschen! Ob es Liebe ist? Klar, für die nächsten 2 Stunden, oder so.

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kid37 - Freitag, 1. Februar 2008, 21:37
Hm. Sicher, so kann man es auch machen. Aber ehrlich gesagt, bei mir geht Herz vor Unterhose. Ich bin da brutal romantisch.

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dorn - Freitag, 1. Februar 2008, 21:44
Mann, so große Worte hier...

fühle mich wie ein kleinstlebewesen.

Habe nur folgende Fragen:

" Ist Sauerstoff das Gegenteil von Süßstoff?"

"Darf ein Fürsprecher die Gegensprechanlage nutzen?"

"Dadaismus als Ausweg?"

Ansonsten: falls Sie etwas niederdrückt, warum nicht dem nachgeben?
Wo drückt es Sie denn hin? Sind da vielleicht Antworten?
Wahrheit schwebt, sie ist unfassbar, zeitgleich, zwielichtig...

meint dorn-

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kid37 - Freitag, 1. Februar 2008, 22:39
Dadaismus ist auf jeden Fall ein Ausweg, siehe auch mein Album "Pure Verzweiflung darf niemals siegen" (als Dadatronic). Fürsprecher dürfen gerne mal ein paar Gegenspielern in die Eier treten, wenn ich das mal so salopp formulieren darf. Ansonsten habe ich nicht viele Antworten, versuchen Sie doch mal das Orakel.

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dorn - Freitag, 1. Februar 2008, 23:07
möglicherweise falscher Hals,
aber deutlich genug...

verdammt noch mal :-(

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kid37 - Freitag, 1. Februar 2008, 23:10
Nein, gar nicht. Verzeihen Sie, wenn ich in Zungen rede. Ich brabbel manchmal einfach nur zu mir selbst, ganz egozentrisch.

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engraver - Freitag, 1. Februar 2008, 21:56
den ROBERT mag ich sehr!

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kid37 - Freitag, 1. Februar 2008, 22:36
Ja, nur der. Manchmal frage ich mich, ob er bei seinem Gang in den Schnee auch plötzlich alles wußte. (Er las ja nix im Internet.)

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engraver - Freitag, 1. Februar 2008, 22:54
seinen "abgang" hat er ja sehr früh schon beschrieben

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