Ist doch einfach wunderbar

Man muß eh immer machen.
(Jonathan Meese)

Ohne Herrn Ichichich hätte ich es vielleicht gar nicht mitbekommen:

In der Reihe Keine Diskussion befragte Moritz von Uslar unser aller Lieblingskünstler Jonathan Meese zum Thema Sex. Der Saal war zum Knuddeln gefüllt, Musik von Metallica (nur vom Band) peitschte die erwartungsvolle Stimmung nach oben, künstlicher Weihrauch Nebel stieg allerdings nicht auf. Im Publikum ein wenig Hamburger und andere Semi-Prominenz. Eine NDR-Moderatorin, der ich zuvor jegliches Interesse für das Schaffen des Künstlers glattweg abgesprochen hätte, zog im Dunkeln plötzlich eine Brille auf, ein als "Popliterat" auch bundesweit bekannter Mensch unterhielt seine kleine Entourage mit sehr eckigen, sehr fahrigen Bewegungen, sich dabei immer nervös und hektisch umschauend, als erwartete er einen Lieferanten oder Autogrammwünsche.

Jonathan Meese, derzeit auf Platz 227 der BloggerKünstlercharts, war dann plötzlich da, körperlich, und stellte sich den Fragen von Moritz von Uslar. Es ging um Geschlechtsmerkmale ("unwichtig"), Pornographie ("immer"), Betten ("mehrere") und die Nr. 1 - das ist derzeit die US-Aktrice Scarlett Johansson ("Der Pferdeflüsterer"), die in einer gelungenen Montage ("In der Kunst gibt es keine Probleme") nackt mit dem Meister posiert.

Das war oft lustig, öfter noch ganz nett, manchmal auch bloß unvorbereitet - an manchen Stellen ("weiß ich nicht") kamen die Antworten ein wenig uninspiriert daher. Aber das macht nichts, die Hamburger sind freundlich und Meese ein Mensch, den alle nur liebhaben wollen. Immerhin fielen alle wichtigen Begriffe aus dem Meeseversium: Tierbabies, Erz, Pimmel, Demut & Revolution, Diktatur der Kunst - ein leichtes Spiel für Eingeweihte, Quereinsteiger wunderten sich über das heitere Gelächter im Saal. Ein wenig war es so, als stünde ich auf einer Bühne und zählte einfach Begriffe wie "Ringelstrümpfe" oder "tote Tiere" auf und beendete jede Erläuterung mit "immer weitermachen". Wer hier erst seit zwei Stunden mitliest - Hallo! - kratzt sich vielleicht am Kopf, andere machen mit der Hand Wischerbewegungen vor dem Gesicht und eine dritte, ausgesprochen sexy Gruppe weiß Bescheid!.

So gesehen, könnte ich eine zeitlang Jonathan Meese doublen, denn mittlerweile geht mir sein Wortschatz schon recht flüssig über die Lippen. Leider habe ich zwar, wie nebenbei zu erfahren war, offenbar dieselbe Hosengröße wie der Meister, besitze aber nicht länger dieses kräftige Haupthaar, so daß es schon in Ordnung geht, daß er seine Bilder für weit mehr Geld umsetzen kann als ich etwa ausgedruckte Blogseiten. Ist doch herrlich, einfach wunderbar.

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"Meese, Meese, Großgewese" - Ausstellungsimpressionen (super Wort!) hier im Blog
"Wie werde ich Jonathan Meese?" SpOn
"Ich bin verwirrt", Jonathan Meese beim Zünder
"Selbstreinigung" - Meese im Video (via Kunstkontakter)

Flanieren | 23:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
frau klugscheisser - Donnerstag, 8. November 2007, 01:17
Käsebrote! Sie haben die 'Käsebrote' vergessen.

Somit bin ich würdig, die hermetischen Weihen zu empfangen?

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kid37 - Donnerstag, 8. November 2007, 01:25
Wunderbar! Man muß als Mensch ganz hinter die Käsebrote zurücktreten. Denn die Käsebrote sind doch nicht das Problem, der Mensch ist das Problem. Das ist doch auch Revolution und ganz liebenswert. Das ist doch ganz wunderbar, die Diktatur der Käsebrote!

(Toll. Sie haben die "hermetische Transparenz" (Meese) verinnerlicht. Das muß man auch einfach liebhaben! Danke.)

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ichichich - Donnerstag, 8. November 2007, 01:39
Ich war natürlich ein wenig angepisst, als Meese verkündete, dass das Ich zerstört werden müsse. Ansonsten aber ein schöner Abend.

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undundund - Donnerstag, 8. November 2007, 03:21
Sie hätten dann ja noch zwei in petto (vielleicht aber war Herr Meese auch nur von denen genervt).

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kid37 - Donnerstag, 8. November 2007, 18:20
Eindrucksvoll auch die 150 Kommentare zu diesem Video. Wer das Gruseln lernen will, kann sich auch mal die Kommentardebatten unter den Clips zu Patti Smiths "Rock'n'Roll Nigger" und The Cures "Killing An Arab" anschauen. Da draußen ist eine ganz, ganz böse Welt.

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gaga - Donnerstag, 8. November 2007, 02:07
Gemäß dem Hamilton-Norwood-Schema beginnt der androgenetische Haarausfall temporal (an den Schläfen) und frontal (an der Stirn, vgl. Meese). Später lichtet sich das Haar zudem im Bereich des Vertex (oberer Hinterkopf), bis die kahle Fläche schließlich über die gesamte Schädeldecke hinweg reicht. Ein Haarkranz von oberhalb der Ohren um den gesamten Hinterkopf herum bleibt meist erhalten.

(Mein Spezialgebiet!)

Der gleichaltrige Herr Meese (37) macht mir da mehr Sorgen. Sehr lange sehe ich mir das nicht mehr an. Auch mit der Jacke.

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Lu - Donnerstag, 8. November 2007, 09:22
oh, den einblick hätte ich selbst auch gern angesehen. hier gibts immer nur picasso im gelben bademantel (natürlich still) und die jungen wilden (natürlich arrogant), die mit den drei wollstrümpfen übereinander, auch wenn es draussen noch gar nicht kalt ist, sie wissen schon.

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kid37 - Donnerstag, 8. November 2007, 18:28
Herr Meese hat Haupthaar, da wären Zwanzigjährige Headbanger neidisch. Vielleicht ist es sein walisisches Erbe, Haare wie ein Grubenpony.

@ Lu: Meese behauptete, drei Badehosen übereinander zu tragen, die oberste "dezent" in schwarz oder blau. Das war aber auch eher eine seiner unoriginelleren Antworten. Ich traf Meese ja mal in Berlin in der S-Bahn, auf der Straße (dort, in dieser kreativen, armen Sexy-Stadt) fiel er gar nicht sonderlich auf. Wahrscheinlich hat die Diktatur der Kunst bereits begonnen. Ich trage ja immer Ringelhemden, damit ich einen der für Künstler reservierten Plätze im Bus ergattern kann.

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diagonale - Donnerstag, 8. November 2007, 09:56
Hey toll! Ich bin sexy!

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kid37 - Donnerstag, 8. November 2007, 18:21
;-)

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bosch - Donnerstag, 8. November 2007, 13:12
Oh, da habe ich aber was verpasst. Schade. Als ich den Fleetstreet-Newsletter erhielt, meldete dieser für diese Veranstaltung bereits "Ausverkauft".

Danke für den schönen Bericht, so war man auch in der Ferne wenigstens ein bißchen dabei.

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kid37 - Donnerstag, 8. November 2007, 18:18
Es war wirklich voll - und vor allem schön kurz.

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bosch - Freitag, 9. November 2007, 14:08
Ich sah Herrn M. ja aus der Ferne auf dieser Veranstaltung.

Stimmt es wirklich, dass er sich oft länger als zwei Wochen nicht wäscht? Vor diesem Hintergrund kann man sich nur schwer vorstellen, dass der Künstler ein geeigneter Gesprächspartner für eine abendfüllende Veranstaltung zum Thema Sex ist. Vielleicht war der Abend deshalb so kurz?

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kid37 - Samstag, 10. November 2007, 15:40
Also gerochen habe ich nichts, weder damals in der S-Bahn noch auf der Veranstaltung. Wahrscheinlich ein Vermarktungstrick, anlässlich der Ausstellung schrieb ich ja was vom Flair verschwiemelter Jugendzimmer, die seine Installationen ausstrahlten. Er ist ja, wie es mit 37 38 oft so ist, noch Jungfrau. Sagt er.

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cabman - Freitag, 9. November 2007, 21:09
Ich fühle mich nun sehr sexy. Danke.

Als wahrer, wenn auch oft stummer Freund dieser Seite, wünsche ich mir noch die Erwähnung des Kuchens. Gern auch den vom Discounter. Danke.

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kid37 - Samstag, 10. November 2007, 15:42
Ist doch herrlich! Dieser Kuchen vom Discounter war ganz wunderbar. Ehrlich gesagt, nage ich aber derzeit an der supersexy zweiten Hälfte meines offenbar handgebackenen Schokoladegeburtstagskuchens. Ein verdammt guter Kuchen, möchte ich sagen.

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ulrich s. - Dienstag, 13. November 2007, 19:50
Ausser Speesen nix geweesen
Und wieder hat mich niemand informiert. Und Sie auch nicht, Herr Kid. Dabei bin ich doch ein großer Freund der Meese Meise. Nun ja, schade. Das nächste Mal.

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kid37 - Dienstag, 13. November 2007, 20:32
Sie haben recht, ich bin zerknirscht. Zur Verteidigung kann ich nur vorbringen, daß man mir beim Theater signalisierte, bereits "überbucht" zu sein, als ich meine Karte reservierte. Sonst hätte ich wie Herr Ichichich noch Werbung gemacht. Aber der Mann ist nicht tot. Er wird wiederkehren, im Sommer vielleicht mit all seinen drei Badehosen!

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