Smoke My Cigarette

As loud as hell
A ringing bell
Behind my smile
It shakes my teeth
And all the while
As vampires feed
I bleed

(The Pixies, "I Bleed")


Sarah Lucas, neben ihrer engen Weggefährtin Tracey Emin, einer der herausragenden Vertreterinnen der mittlerweile fürs Feuilleton kanonisierten Brit-Art-Szene, macht sich derzeit einen Heiden-Spaß im wie so oft sehr engagierten Hamburger Kunstverein.

Die launige Retrospektive rund um ihren bissigen Kommentar auf die liebe Kollegenszene ("Complete Arsehole"), zeigt Porträts der notorisch breitbeinig sitzenden Bananenlutscherin und einen guten, morbid-lustvollen Schwung ihrer uber-sexualisierten Installationen.

Da wird allerlei Obst und andere Lebensmittel in pubertär-eindeutigen Posen drapiert, liegen tote Hühner in Bondage-Pose ("Spread Eagle") auf Bettgestellen, da penetrieren Leuchtstofflampen versiffte Matratzen und zerfließen Eier und Nylonstrumpfhosen in Badewannen mit phallischen Sanitärinstallationen, daß es eine Schweinerei Pracht ist. All überall: Zigaretten. Eine fröhliche, allesdurchdringende Assemblage aus Ei, Blut, Kakao, Schlafstätte und dekorierten Urinalen. Ein wenig monothematisch, möchte man vielleicht rufen. Aber natürlich nicht uninteressant. Meine Begleiterin scheut vor Ekel-Content nicht zurück. Anfassen sei kein Problem, meint sie und ich nicke zustimmend. Gemeinsam sinnieren wir über die Einsatzmöglichkeiten geschändeter Schweinehälften und -pfoten im sozialen Miteinander.

Was fehlt, ist ein Raucherzimmer, in dem man sich nackt in zerschlagenen Eiern wälzen kann, denke ich. Oder den Tisch besteigen, der als "Bitch" deklariert ist. Aber nun, wir sind in Hamburg, da lebt man - trotz angedeuteter Darkrooms auf der Ausstellung - gesittet. Die phallischen Objekte aus Beton ("Zum Glück ist es...") sind zum Spielen sicher auch zu schwer.

(Sarah Lucas. Hamburger Kunstverein, bis 9.10.2005)

Flanieren | 00:02h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
mark793 - Donnerstag, 25. August 2005, 02:56
Ei, Blut, Kakao
Schön, dass man nicht der Einzige ist, dem diese Wortkombination noch etwas sagt. Meine Frau, paar Jahre jünger und zudem ohne TV aufgewachsen, guckt immer verständnislos, wenn ich angesichts irgendwelcher undefinierbaren Flecken diese früh gelernte Wort-Triade rezitiere.

Diese Ausstellung verspricht jedenfalls einiges. Sollte ich es im September nach Hamburg schaffen und Zeit haben für diesen Kunstgenuss, erwäge ich indes ernsthaft, Rei in der Tube mitzuführen. Für alle Fälle...

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kid37 - Donnerstag, 25. August 2005, 14:01
Mein Synonymlexikon sagt, das wären nur die politisch korrekten Begriffe für Sperma/Urin (da ist man uneindeutig), Menstruationsblut und Kinderkacke. Die Hausfrau (war ja damals meist so) der 70er wußte schon Bescheid.

Ihr Reinigungsprodukt kommt tatsächlich rum.

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arboretum - Donnerstag, 25. August 2005, 15:37
Wohingegen ich mich als Kind bei der Werbung immer gewundert habe, wieso die Leute so oft mit Ei und Kakao herumkleckern.

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mark793 - Donnerstag, 25. August 2005, 16:28
Mir schien
das damals völlig unverfänglich und praxisnah gedacht. Kakao und weichgekochtes Ei zum Frühstück war selbst in unserem working-class-Haushalt nicht völlig beschränkt auf hohe kirchliche Feiertage. Und Blut, tja, das geht bei kleinen Jungs meistens vorher los als bei kleinen Mädchen - die aufgeschürften Knie und was man sich am gegenerischen Marterpfahl so einhandelte an Verwundungen...

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kid37 - Donnerstag, 25. August 2005, 20:27
Im Leben ist wenig unverfänglich. Und oft merkt man es erst hinterher.

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gaga - Donnerstag, 25. August 2005, 10:15
das hermetische feuilleton. sie sollten irgendwann geld dafür nehmen. (usw.)

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l9 - Donnerstag, 25. August 2005, 19:39
Das sind die Situationen, in denen ich es schmerzlich bereue in der Provinz zu wohnen. Bei uns gibts maximal Lebkuchen und Albrecht Dürer Hasen aus Plastik. Ja und ein Poetenfest jetzt wieder. Das wird vielleicht nett.

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kid37 - Donnerstag, 25. August 2005, 20:26
Die Ausstellungen im Kunstverein und früher in den Deichtorhallen sind aber auch schon Ausnahmen. Tillmans, Araki, damals die Brit-Art-Ausstellung... doch, einige interessante Sachen waren dabei. Ansonsten ist Hamburg schon beinahe provinziell. Jedenfalls wenig wagemutig. Das muß alles immer gut abgehangen sein (im wahrsten Sinne des Wortes).

Aber auch hier gilt: Jammern auf hohem Niveau.

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