Der gefundene Satz, 21

"Und wie er, EJ, immer sagte, man müsse gerade jene Menschen die einen ins Herz geschlossen haben immer wieder verletzen indem man sich zurückzieht um an der eigenen Arbeit bleiben zu können, also ihre Briefe unbeantwortet lassen, ihrer Bitte um eine Begegnung nicht nachkommen, und einen Zipfel herausziehen ganz fremd, herausziehen und sein Eigenes daraus machen, nämlich Spielart Spektakel des Veilchens, sage ich zu EJ"

(Friederike Mayröcker, Lebensgefährtin von Ernst Jandl, der am 1. August 80 Jahre alt geworden wäre. FAZ, 1.8.2005)

Ex Libris | 11:12h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
evasive - Donnerstag, 4. August 2005, 15:33
Wer sonst, wenn nicht die, die einen ins Herz geschlossen haben, lassen sich denn überhaupt verletzen?

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modeste - Donnerstag, 4. August 2005, 16:17
Es mag sein, dass die eigene Arbeit dieses Opfer vielfach fordert, das ist im Reich der Kunst sicherlich nicht viel anders als bei einem Investmentbanker, der schon aus Zeitgründen wenig in die Menschen, die ihn lieben, investieren kann. Da stellt sich natürlich die Frage, was hinter dieser Kälte steht - notwendige Reduzierung auf eine Aufgabe, eine erzwungene Einsamkeit im Dienste eines Werks, oder eine Gleichgültigkeit, die im jeweils Andern nur ein Werkzeug sieht, eine Sprosse auf dem Weg in einen Olymp, der die Einsamkeit und die Verletzungen hoffentlich wert sein mag.

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gingerbox - Donnerstag, 4. August 2005, 17:09
in die dämmerung
ich will nicht aufhören
in die dämmerung hinein
zu schreiben

zeilen die zerfallen
und zeilen die hängenbleiben
eine kleine weile

an einzelnen blättern
in einzelnen büchern
in einzelnen gedächtnissen

so hätte ich mich
gern wiedererlebt
nach den kommenden finsternissen


ernst jandl

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kid37 - Freitag, 5. August 2005, 01:53
Etwas vom Vergeblichen
Das flüchtige Glück entweicht in die Dämmerung. Nacheilen, sich entziehen, den Winter vermeiden. Wollen. Den Winter vermeiden wollen.

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frau klugscheisser - Donnerstag, 4. August 2005, 19:57
Versteh´ich noch ein klein wenig anders:
Die Lieben verletzen müssen, um durch den so zugefügten Schmerz erst arbeiten zu können. Sein Eigenes aus diesem Schmerz machen. Spiel mit Verletzung oder nach dem Motto "Seelenschmerz macht kreativ".
Oder so...?

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