Scarification

Die Ärztin fühlt meinen Puls.
"Was haben Sie denn da für Narben am Handgelenk?" fragt sie und schaut mich forschend an.
"Fremdeinwirkung. Eine ehemalige Freundin wollte mich am Verlassen der Wohnung hindern."
"Macht man das neuerdings so?"
"Ihr Freundeskreis hielt das, glaube ich, für normal. Möglich ist das also schon."
"Was sind denn das für Leute?"
"Sie glauben an die Philosophie des Freien Willens. Allerdings meinen sie damit offenbar nur ihren eigenen. "
"Ja, die eigene Freiheit legt andere in Ketten." Sie lächelt mich an.
"Ich denke, es sind auch nur Getriebene. Von eigenen Verletzungen verstört. Insofern handeln sie ja gar nicht frei."
"Und", meint Sie, läßt meinen Arm los und macht sich Notizen. "Was machen die Narben in Ihnen drin?"
"Ach", sage ich. "Wissen Sie, da schaue ich gar nicht mehr hin."

The Mercy Seat | 18:44h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
gaga - Dienstag, 19. Juli 2005, 19:53
frei für kommentare. ich fühle mich nicht wirklich frei zu kommentieren, wenn ich so etwas lese. das geht mir sehr nah. und man schluckt eigentlich nur. es ringt mir fast schon bewunderung ab, sich so zu öffnen. ich kann das erst, wenn etwas sehr lange zurückliegt. aber vielleicht ist man an einem guten punkt angelangt, auf einem guten weg, wenn es wieder möglich ist.

 link  
 
mark793 - Dienstag, 19. Juli 2005, 21:17
Meine Narben
am Handgelenk erzeugen auch manchmal noch fragende Blicke bei medizinischem Personal. Dabei bin ich nur in besoffenem Zustand in einen Scherbenhaufen gefallen - ist allerdings schon fast ein Vierteljahrhundert her - und deswegen kann ich das hier auch zum besten geben. Wenn die Verletzung neueren Datums wäre und auch noch eine Beziehungskomponente hätte, weiß ich nicht, ob ich den Mumm hätte, das zu bloggen.

 link  
 
kid37 - Dienstag, 19. Juli 2005, 21:51
Hier ist kein Kuschelblog
Ich bin ja kein Schönwetterblogger. Es gibt diese Geschichte und es gibt andere Geschichten und es gibt noch ganz andere Geschichten. Vieles habe ich auch schon mal hier und da erwähnt. Irgendwann "nagt der Zahn der Zeit auch Probleme klein", meinte die Ärztin heute. Zumindestens kommen die Erinnerungen und Albträume nicht mehr so häufig.

Die Narben sind nicht wirklich groß, aber genau an der Stelle, wo andere die Uhrzeit ablesen würden. Im Sommer, bei warmen Wetter, kommen die ziemlich deutlich heraus - und dann nervt es mich. Es nervt mich vor allem, wenn mir das fröhliche Geplauder gewisser Menschen begegnet - unvermutet meist, aber dann um so eindringlicher. Menschen, die ihre Erinnerungen offenbar besser im Griff haben oder verdrängen können.

Es hat nie einen Anflug von "Reue" oder eine Entschuldigung gegeben, das war im Nachhinein das eigentlich Schlimme. Angeblich ist Borderlinern das Konzept von "Reue" oder "eigene Schuld" fremd - was ich irgendwo nachvollziehen kann. Am Ende nutzt es mir aber nichts, und ich bin es auch leid, mir Gedanken über die schweren Kindheitserlebnisse und Verletzungen anderer Menschen zu machen. Zumal, wenn man sieht, wie diese Geschichten immer wieder geschickt dazu benutzt werden, Dritte in Mitleid zu versetzen.

Mir riet mal jemand, die Narben weglasern zu lassen und die Rechnung an die Verursacherin zu schicken. Eine hübsche Idee, aber das werde ich wohl genauso wenig tun, wie ich damals nicht einfach die Polizei gerufen habe, um mich aus der Wohnung zu holen. (Die hätten ja auch nur gelacht.)

Aber die Idee mit dem Lasern ziehe ich zumindestens immer mal wieder in Erwägung.

 link  
 
maichance - Dienstag, 19. Juli 2005, 22:05
es gibt narben...
...die wirken sexy
...die bewirken mitleid
...die sind heroisch
...die sind einfach nur monströs
...die sieht man gar nicht

mit narben lebt man und es sich selber überlassen wie, und es ist nicht immer einfach. auch nicht für einen kollegen der damals auf dem campingplatz in spanien war wo es diese grosse explosion mit flächenbrand gab und er die halbe familie verlor. welche narben schmerzen nun mehr?

 link  
 
kid37 - Dienstag, 19. Juli 2005, 22:11
Das ist kein Wettbewerb
Wer will das beurteilen? Die realen Narben (egal, wie klein oder groß) werden das Vergessen (oder Verarbeiten) nicht leichter machen. Ich kann nur für mich sprechen - heroisch finde ich meine nicht. Das war ein schäbiger Augenblick.

Und - deshalb zögere ich ja - ich könnte nur die äußeren lasern lassen. Wenn überhaupt.

 link  
 
mark793 - Dienstag, 19. Juli 2005, 22:17
Hm.
Die Zeit heilt alle Wunden, aber sie ist eine lausige Kosmetikerin. Ich würde das mit dem Lasern aber vermutlich nicht machen (und ebensowenig eine Armbanduhr drüberziehen). Ich denke doch mal, dass Sie nicht die Narbe als solche nervt, sondern die Erinnerung an das Event und die seelische Verletzungen, die Sie kassiert haben im Umgang mit dieser Person. An der seelischen Komponente würde ich weiter arbeiten und versuchen, auf die körperliche Repräsentanz dieses Konflikts sowas wie Stolz zu entwickeln. Wie ein Kriegsveteran...

 link  
 
kid37 - Dienstag, 19. Juli 2005, 22:21
Richtig. Es ist kein ästhetisches Problem.

Eher ist es eine Art Zwangstätowierung. Johnny Depp hat sein "Wynona forever" ja auch ändern lassen. Ich könnte mir z.B. auch "Mama" oder "Trust" übertätowieren lassen. Oder das Bild meines Pitbulls Axolotls.

 link  
 
gaga - Dienstag, 19. Juli 2005, 22:37
ich denke darüber nach, ob man auf einer gewissen ebene eine art - schwer auszudrücken - atmosphärischen, energie-gebundenen ausgleich schaffen kann, indem man etwas mit worten benennt, nicht nur denkt oder herbeisehnt, das 'zu kurz gekommen' ist - universelle kenntnisnahme, beachtung einer verletzung. wenn die wiedergutmachung durch den verursacher ausgeblieben ist. eine art heilsamer übertragung. bevor man erstickt. das ist keine hypothetische überlegung. in meinem fall meine ich - nicht abstrahiert. ich denke weiter darüber nach.

 link  
 
kerstin13 - Dienstag, 19. Juli 2005, 22:45
kuschelig
ich dachte beim lesen, dass sie da eine schöne begegnung beschreiben, von jemand, die unter die oberfläche schaut. solche begegnungen mag ich, weil sie so unverhofft sind und auf einmal verbundenheit schaffen.
hope in a hopeless world

 link  
 
mark793 - Dienstag, 19. Juli 2005, 22:51
Das Problem, Frau Gaga, besteht wohl auch darin, dass es wahrscheinlich nur auf einen uneigentlichen Ausgleich hinauslaufen kann, wenn die andere beteiligte Person aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage ist, ihren Teil dazu beizusteuern. Wie kann man einen solchen Ausgleich oder eine heilsame Übertragung für sich selber geregelt kriegen?

 link  
 
gaga - Dienstag, 19. Juli 2005, 22:56
das ist genau das problem. ich frage mich, inwiefern, der rest der welt mit einer resonanz, die dem, was ausgeblieben ist, entspricht, darauf einwirken könnte. ich zweifle, aber habe keine letzte antwort, will nichts ausschließen. ich weiß an diesem punkt gar nichts, habe ein brett vorm kopf und empfinde im prinzip auch, dass nur der oder die verursachende den ausgleich schaffen kann. die frage ist, ob es einen notausgang gibt, eine lösung, heilung, wenn der ausgleich verweigert wird. die notwendigkeit nicht erkannt wird. die not nicht gewendet wird. was dann. dann kann man beten, dass die zeit schneller verrinnt, als sie es eigentlich tut. bis man in die ära des vergessens eintritt. flüchten, die tapete wechseln. aber der stachel sitzt. es gibt eine erlösung, eindrücke, die im positiven ebenso drastisch und so umwerfend sind, wie die verletzung. das kann auch durch andere geschehen. aber das lässt sich nicht herbeireden, nicht 'erarbeiten'. das ist glückliche fügung.

 link  
 
kid37 - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:06
Ich war heute erstaunt, daß meine neue Ärztin sich sogar (aufgrund ihrer Notizen, aber immerhin) an meine beruflichen und privaten Probleme erinnerte, weil das beim letzten Mal Teil der Anamnese war. Bislang wurde das immer abgetan, da schauten die Ärzte nur in ihren Computer, um den richtigen Abrechnungsschlüssel zu finden - nicht aber unter die Oberfläche.

@ Gaga: Ich habe mal ein Interview mit einem Rechtsanwalt gehört, der sich auf Schadensersatzprozesse bei ärztlichen Kunstfehlern spezialisiert hatte. Er bemerkte, daß wohl die Hälfte dieser Prozesse nie geführt würde, wenn die Ärzte sich bei den geschädigten Patienten (oder Hinterbliebenen) entschuldigen würden. Das ist oft das einzige, was sie hören wollen. Aber die betroffenen Ärzte werden von ihren Versicherungen daran gehindert (aus juristischen Gründen) - deshalb will man sie per Prozess zu einem "Eingeständnis" zwingen.

Es wäre schön, dies anders, friedlicher zu erreichen. Am besten durch sich selbst, um aus dieser Ohnmachts-Falle herauszukommen.

 link  
 
gaga - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:14
ja. das wäre schön. endlich die seite umblättern. das nächste kapitel beginnen. in frieden.

 link  
 
mark793 - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:14
Nun, es gibt wohl Mittel und Wege, auch Trennungsrituale und soweiter, die Verstrickungen lösen sollen, nur bin ich in dieser Scene nicht so drin, um das Instrumentarium wirklich zu kennen und beurteilen zu können, was davon in welcher Lage taugt und wo nicht.

Wenn ich versuchen müßte, mir diesen Ausgleich selber zu schaffen, würde ich als erstes versuchen herauszufinden, worin lag für mich das Incentive, mich in diese Verstrickung reinzubegeben und bei der Stange zu bleiben? Mit den Fragestellungen und Ansätzen von Angehörigenselbsthilfegruppen käme man vielleicht dem einen oder anderen eigenen Motiv und Verhaltensmuster auf die Spur. Nach dem Motto: Für welchen eigenen Film habe ich meine gestörte Partnerin gebraucht, was habe ich mir beweisen wollen damit? Welche Ego-Gratifikation war da für mich drinne? Mit diesen Fragestellungen habe ich es zumindest geschafft, mir darüber klar zu werden, wie ich mich unbewusst an meine an Depressionen leidende Exfreundin kettete. Und ich habe es auch geschafft, mich da rauszuziehen - aaaber es war halt auch nicht so ne massive Verletzung im Spiel. Schwierig, schwierig...

 link  
 
blue sky - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:15
(verzeihen, vielleicht... vor allem sich selbst.)

 link  
 
nase - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:17
aber nicht so leise herr blue sky, das sollten sie schon rausbrüllen.

 link  
 
gaga - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:19
ein verstricktes herz lässt sich durch kein vernünftiges ritual erlösen. niemals. dazu muß man im tiefsten inneren bereit sein und wenn man schon an diesem punkt ist, ist der rest ein kinderspiel. an mangelnder analyse der beweggründe und verhaltensmuster scheitert erlösung nicht. wahrscheinlich muß man manchmal einfach akzeptieren, dass man durch solche verwicklungen hindurch muß und sich nichts aber auch gar nichts durch einen psychoanalytischen prozess verkürzen lässt. wieder die zeit. man kann immerhin versuchen einen sinn in solchen erfahrungen zu sehen. dass man abgründe ausgelotet hat und die abwesenheit des abgrundes umso mehr zu schätzen weiß. das ist immerhin ein wert.

nachtrag: ich kenne alle ablösungsrituale unter der sonne. man muß selbst dazu b e r e i t sein.

 link  
 
kid37 - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:20
Nachtrag: Die Lu schlug letztes Jahr ein Ritual vor, bei dem wir Erinnerungsstücke auf ein Floß packen, es anzünden und aufs Wasser entlassen. So ein Wikingerbegräbnis für Altlasten.

Aber irgendwie, fürchte ich, reicht das nicht. "Die beste Art Erinnerungen zu vergessen", heißt es, "ist, einfach neue zu machen." Das funktioniert schon besser. Ich hatte in den letzten Monaten viel Hilfe und Unterstützung, die mich den Mist besser ertragen ließ. Das will ich auch einmal betonen.

Ja, Sie haben das gut erkannt: "Die Not wird nicht gewendet". Das Fatale ist, es wird nie anders sein. Diese Menschen sehen nur die "eigene Not", das eigene Leiden. Das ist tragisch und traurig, aber dieses Verständnis hilft den Angehörigen nur begrenzt.

Hätte ich ein Foto an der Wand, ich nähme es ab. Herr Pappnase hatte mal schöne Bilder gepostet von Leuten, die sich ihre Tätowierungen herausgeschnitten haben. He - die Idee: ich mache einfach neue Narben! ;-)

 link  
 
blue sky - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:21
an orten, wo ich mich selbst nur vorantaste, kann ich nicht brüllen

 link  
 
gaga - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:24
das mit dem bild habe ich immerhin schon geschafft. und das war etwas -
I mean: this was really s o m e t h i n g .

und ja, ja und nochmals ja - neue erinnerungen schaffen. das ist das einzige. das einzige. scheiße ich muß heulen.

 link  
 
mark793 - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:29
Da haben Sie wohl recht, Frau Gaga. In meinem Fall wars halt so, dass die eigene Analyse mich ein paar Verhaltensmustern und Abläufen auf die Spur brachte. Aber die grundsätzliche Bereitschaft, das im Guten abzuschließen, war schon da, als wir noch über die Trennungsmodalitäten sprachen.

Herr blue sky liegt meines Erachtens mit dem sich-selber-Verzeihen auch nicht so verkehrt. Was wir dem anderen vorwerfen, beruht oft ja auch auf Projektionen von Wesenszügen, die wir in uns selbst nicht sehen wollen und die uns der andere unangenehmerweise spiegelt. Das sich selber verzeihen hängt also mit dem-anderen-Verzeihen schon ganz direkt zusammen.

 link  
 
kid37 - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:29
@Mark: ...worin lag für mich das Incentive, mich in diese Verstrickung reinzubegeben und bei der Stange zu bleiben?

Das ist wirklich das erste, womit man in diesen Angehörigen-SHG konfrontiert wird. Darüber wird viel diskutiert, vor allem über den äußerst unangenehmen Aspekt, daß man selbst ja ein Verstärker oder vielleicht sogar Auslöser ist. In meinem Fall war das so, denke ich. Ich habe eben auch einen eigenen Willen gehabt, auch "Nein" gesagt usw.

Und: Ich war ein dankbares "Publikum". Denn wiederum suchte ich ja selbst "etwas" in dieser Dramödie. Dieses Loch, dieser Hunger wäre halt das Thema für eine eigene Therapie. Ich kenne natürlich ein paar Auslöser, auch ich habe eine Biografie. Es ist vielleicht nicht viel anders als bei einer Sucht: Man bleibt immer Junkie, lernt aber, das Gift zu meiden.

 link  
 
mark793 - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:42
@junkie:
Das erinnert mich daran, was mich stört an der AA-geprägten SHG-Ideologie: überall Sucht und therapiebedürftiges Verhalten zu sehen. Aber das nur nebenbei.

Den von Frau Gaga angesprochenen Aspekt ("man kann immerhin versuchen einen sinn in solchen erfahrungen zu sehen. dass man abgründe ausgelotet hat und die abwesenheit des abgrundes umso mehr zu schätzen weiß. das ist immerhin ein wert.") halte ich auch für ganz zentral. Das meinte ich auch mit dem "einen Stolz auf die Narbe entwickeln". Zu erkennen, wofür es gut war - und sei es nur als abschreckendes Beispiel, das kein zweites Mal haben zu müssen. Auch das ein Grund, warum ich nicht Lasern würde.

 link  
 
kid37 - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:43
@Mark: Was wir dem anderen vorwerfen, beruht oft ja auch auf Projektionen von Wesenszügen, die wir in uns selbst nicht sehen wollen und die uns der andere unangenehmerweise spiegelt. Das sieht Herr BlueSky sehr richtig.

Ich erinnere mich, selbst bitter das Vertrauen anderer Menschen mißbraucht zu haben. Und warum? Weil ich mir wie ein Junkie heimlich Stoff am Bahnhof holen mußte - bildlich gesprochen. Das war schlimm und dümmer als Herr Kid erlaubt.

Nein, selbst verzeihen werde ich mir das nicht. Ich kann nur meine Reue anbieten und auf das Verzeihen anderer hoffen - und weiter (an mir) arbeiten. (Ich bin ja nicht heilig zur Welt gekommen, das ist das Ergebnis harter Arbeit ;-))

Ich habe so eine Beziehung in den 80ern schon mal erlebt. Alkoholmißbrauch, häusliche Gewalt, soziale Verwahrlosung - der ganze Dreck. Da war ich selbst kein Unschuldsknabe. Und deshalb wußte ich a) ich habe diesen Hunger und b) ich toleriere das in meinem Leben nicht mehr. Ich habe Entzug, ich bleibe clean.

Es war für mich sehr schwer, nicht in diese uralten Verhaltensmuster zurückzufallen. Teilweise blickte ich wie in einen Spiegel - und war deshalb doppelt erschrocken. Aber diese Erkenntnis hätte nach zwei Monaten gereicht. Zwei Jahre waren definitiv zuviel.

 link  
 
mark793 - Dienstag, 19. Juli 2005, 23:51
@kid: Es ist wirklich unglaublich, Ihre Sätze erzeugen Deja-vues bis zum Abwinken. Alkohol, häusliche Gewalt, eigene Erfahrungen mit Suchtartigem Verhalten, fast wollte ich Sie fragen, hey, woher kennen Sie mich und meine Biographie so gut?

Nachtrag: Natürlich bin ich mir auch bewusst, dass unsere biographischen Parallelen nachgerade eine Einladung zu projektionsgesteuerten Fehldiagnosen sind. Und so bin ich sicherlich genau so froh wie Sie, dass wir auch einige Unterschiede rausarbeiten konnten;-)))

Aber ich würde einiges davon gerne mal mit Ihnen in einem anderen Rahmen vertiefen...

 link  
 
kid37 - Mittwoch, 20. Juli 2005, 00:44
Ich stelle unsere biografischen Parallelen auch immer wieder mit Erstaunen fest. Wir müssen das wirklich mal zusammen mit einem gut vergorenen Getränk vertiefen.

 link  
 
frau klugscheisser - Mittwoch, 20. Juli 2005, 00:02
Noch viel schwieriger, als sich über unbewusste Vorgänge klar zu werden, empfinde ich es, nicht ständig rational erklären zu wollen. Akzeptieren, dass es so ist. Wären da keine Narben [egal ob selbst oder fremd zugefügt] hätte ich nicht ge erlebt. Nicht schön aber ist einfach, wie es ist.
Wie wär´s mit mal drüber heulen?

ich toleriere das in meinem Leben nicht mehr. Ich habe Entzug, ich bleibe clean.

Bitte Herr kid, geben Sie mir einen Tipp, wie das funktioniert.

 link  
 
gaga - Mittwoch, 20. Juli 2005, 00:07
danke frau k.
das trifft (mich).

 link  
 
kid37 - Mittwoch, 20. Juli 2005, 00:34
Leider kann ich gerade nicht auf meine zweite Festplatte zugreifen. Sonst könnte ich jetzt das schöne Plakat "Et is wie et is" posten. Rheinischer Katechismus, vertellen se mir nix.

Das Wort "Akzeptieren" ist bei mir nur unzureichend definiert. Ich bin schon als Rebell geboren (Steißlage) und kann sehr störrisch sein. Zudem dauert bei mir alles lange. Auch und vor allem Akzeptanzprozesse. Wir reden in fünf Jahren noch mal drüber, wenn ich sage "Narbe? was für ein Narbe? Ach so, dat bissken..." Möglicherweise.

Einen Tip kann ich Ihnen nicht ernsthaft geben. Bleiben Sie fürs erste im Haus, das kann helfen. Muß es aber nicht. Und blöd ist es obendrein. Vor allem, wenn andere sich derweil ein lustiges Leben machen. Also: Machen Sie sich ein lustiges Leben so wie ich und lernen Sie den Satz: "Ach nö du, laß mal. Kenn ich schon."

 link  
 
gaga - Mittwoch, 20. Juli 2005, 00:38
was andere so unter lustig verstehen, finde ich leider häufig - na ja. ich unterhalte mich dann noch lieber mit lustigen grashalmen. die fragen sind auch mehr oder weniger rhetorisch - eine lösung zu erwarten wäre so vermessen, wie die götter des universums im hermetischen café treffen zu wollen. ich bin zwar trotzig und habe kampfgeist, bin aber im grunde fatalistin - geworden.

 link  
 
kid37 - Mittwoch, 20. Juli 2005, 00:42
Leaves of Gras. Als Spät-Transzendentalist möchte ich behaupten, die sind mir fast die liebsten Gesprächspartner.

 link  
 
gaga - Mittwoch, 20. Juli 2005, 00:43
ja. whitman.

 link  
 
frau klugscheisser - Mittwoch, 20. Juli 2005, 01:22
Wir reden in fünf Jahren noch mal drüber
Ich dachte, wir reden über eine Aussage, die in den 80ern entstand? Da habe ich ein wenig provokativ formuliert. Natürlich können Sie mir keine allgemeingültigen Tipps geben. Aber was ich mir merken werde ist das "ne du, lass mal."

Trotzdem tappe ich immer wieder in ähnliche Fallen und bin mir sicher, damit nicht alleine zu sein.

 link  
 
kid37 - Mittwoch, 20. Juli 2005, 11:47
Die Erkenntnis reifte als Ergebnis dieser Zeit, richtig. Ich weiß zumindenstens, was ich nicht brauche.

Die "5 Jahre" bezogen sich auf das Akzeptieren oder Einsortieren neuer Erinnerungen. Noch ist es mir nicht egal, aber ich werde dem eines Tages mit Gleichgültigkeit begegnen können. Ganz sicher.

Die Fallen sind und bleiben scharf geschaltet. Man muß halt aufpassen, wohin man tritt. Meiden Sie heiße Herdplatten und offene Fenster, dann sieht es schon ganz gut aus.

 link  
 
lady.death1 - Mittwoch, 20. Juli 2005, 01:14
Alter Beitrag
Deins gelesen, und erinnert.

Wunden verheilen nie.
Man lernt allerdings damit zu leben .
Nicht weglasern.
Sieh sie als Erfahrung und Mahnung an.
Und ab und an schau sie Dir an,
erinner Dich, wie eben..
und sei stolz auf Dich ,
das Du nun da bist , wo Du nun stehst.

 link  
 
kid37 - Mittwoch, 20. Juli 2005, 01:22
Von Ihnen kenne ich noch viel härtere Geschichten. Und von ein paar anderen Blogger(-inne)n auch. Zum Glück ist alles kein Wettbewerb, sonst sähe ich mit meiner Pipifax-Narbe aber alt aus.

Wirklich "stolz" kann ich nicht sein, da habe ich mir selbst ein Bein gestellt. Es ist auch eine merkwürdige Sache, von Fremden darauf angesprochen zu werden. Dem nächsten erzähle ich einfach, die wär aus Pamplona, als ich den Stier tötete.

 link  
 
lady.death1 - Mittwoch, 20. Juli 2005, 01:28
Das ist ne gute Idee!
Oder vom Drachen den Du erlegt hast ;)
( kommt der Wahrheit verdammt nah, was ? *g*)

Nein, sowas sollte kein Wettbewerb sein,
ich habe es auch nicht so empfunden.
Nur erinnert hab ich mich.
Komischerweise mit einem Lächeln.

 link  
 
modeste - Mittwoch, 20. Juli 2005, 03:04
Ich bewundere Sie für Ihren Mut, Ihre Narben zu zeigen.

 link