Nebelhafen



In für mich aller Frühe ein Labortermin, ein wenig gescherzt, Werte verglichen, die Praxis dort ist wirklich sehr entspannt. Die Ärztin hat ein Plektrum auf ihrem Tisch, ich betrachtete es fasziniert, berichte von einer gewissen Zufriedenheit, ziehe mein Jahresresümee, sie ist vergnügt. Sie will über New York reden, meine Erfahrungen hören. Wir sprechen über die 15 Sorten Milch dort, und wie lange es dauert, bis man eine normale gefunden hat. Wie ich das auf dem Flughafen gemanagt habe, die Hitze, die Wegstrecken. Und privat? will sie wissen, und beugt sich verschwörerisch vor.

Anschließend zur Fabrik, dabei über Glücksfragen meditieren, dazwischen Atemübungen für einen ausbalancierten Ruhepuls. Auf jedes Ein folgen zweimal Aus, im Nebel etwas vorsichtiger. Dieses Jahr haben einige schnell die Halle gefegt, sich selbst Absolution erteilt, auf nicht mal nonchalante Weise. Kein Aufwallen. Im Keller die Schränke und Regale neu sortiert. Graue Kleidung nur noch, nur noch Reduktion. Schmeiß das Letzte nüchtern über Bord.

Vor dem Tor aber stehen Rettungswagen. Irritierend bunte Lichter in der trüben Luft. Es gibt Gewisper, erste Namen. Die Kollegen tragen ein ernsthaftes Gesicht. Es sind keine guten Nachrichten. Der Notarzt gab irgendwann auf.

Homestory | 16:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
fidibus - Sonntag, 9. Dezember 2018, 17:42
Schrecklich, wenn die Endlichkeit so ins Leben knallt.

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kid37 - Sonntag, 9. Dezember 2018, 18:09
Ja. Schlimme Sache. Geichzeitig trotz aller Dramatik empörend profan. Auf der Arbeit, einfach so. Meine Güte.

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fidibus - Sonntag, 9. Dezember 2018, 18:42
Um mich rum ist auch gerade zu viel Sterben. Ich möchte das nicht. Oder um es mit Bazon Brock zu sagen: "Der Tod muß abgeschafft werden, diese verdammte Schweinerei muß aufhören. Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter."

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kid37 - Sonntag, 9. Dezember 2018, 19:12
"Der Tod ist ein Skandal." (Canetti)

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frau eff - Sonntag, 9. Dezember 2018, 19:58
Einen Arzttermin so gut hinter sich bringen, und dann sterben die anderen. Das hat auch eine bitter-blöde Ironie.

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kid37 - Sonntag, 9. Dezember 2018, 20:24
"Übrigens sterben immer die anderen." (Marcel Duchamp) - Ja, solche Geschichten laufen immer sehr eng und sehr merkwürdig aneinandergelehnt. Es ist ja auch eine ungeheure Wahllosigkeit, eine Zufälligkeit, gegen die kein Empören hilft. Bei den positiven Dingen, die einem passieren, immerhin häufig auch.

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