Ein Urlaub soll ja so vieles können: Anregen, Entspannen, Hirnwindungen neu verknüpfen, den Magen mit ungewohnten Speisen verderben. Ahrenshoop, eine Art Worpswede der Ostseeküste, hat nicht den Fehler umliegender Gemeinden gemacht und auch die letzte Bauernwiese mit Ferienhäusern (Stichwort: Anlage) zugebaut. Erst am Ausgang des langgezogenen Dörfchens blinken die Fassaden von Rehaklinik und Bustouristenhotels. Da geht man aber nicht hin, fährt auch besser nicht nachts mit dem Rad dort vorbei, weil einem echauffierte Rentner belehrungsversessen in den Weg springen könnten, entschlossen, mir mit hochrotem Kopf die Nutzungsbedingungen des von Fahrradfahrern und Fußgängern gemeinsam genutzten Bürgersteiges zu erläutern. Ich hielt ihm einfach meine Taschenlampe ins Gesicht und erklärte ruhig: "Sie irren, Monsieur", und war schon wieder weiter, denn die Luft, das muß man mal sagen, ist dort einfach entspannend. Es ist diese milde Mischung aus Kiefernwald, Hagebutte, feuchtem Dünensand und Sonnenöl, die für die meisten eine beruhigende Wirkung entfaltet. Außer für diesen Rentner jetzt.
Dabei steht ja überall, was erlaubt ist und was verboten, was gerne gesehen und was lieber nicht. Irgendwo unterhalb der Steilküste aber findet sich immer ein abgelegenes Fleckchen, das man sich selbst über die Tage gut zurechtliegt und wo vieles ganz gleich ist. Hose, keine Hose, Brille oder Six-Pack, selbst einen Turban könnte man tragen, niemand fände etwas dabei. Abends kann man hübsch am Hafen sitzen, Lichter gucken, ein Bier jonglieren, eine Blondine betrachten. Ein Seemann hat da keine Vorbehalte.
Im Grunde könnte man auch den lang & lieben Tag mit einem Stapel Zeitschriften im Gartenstuhl verbringen, unter einem Strohhut dösen, Rentnerfantasien hegen, wenn einem ein Ball an den Kopf geschossen wird von diesen langhaarigen Strandtypen mit ihren bunten Bändern am Handgelenk. Ich kann da immer ganz ruhig sein, ich habe den Herbst auf meiner Seite. Im Grunde bin ich Nachsaison.
(Ihnen kann man auch gar nichts vormachen, nicht einmal als Schiff. )
Entschuldigung, das ist jetzt nsiaw*, aber danke für die Erinnerung.
Und was Anderes als Nachsaison kommt doch dem wahrhaftigen Ostseeliebhaber gar nicht unter. Wir sind doch hier nicht in Timmendorf.
(*nicht sonderlich interessant aber wahr)
Wild gestikuliernder Rentner so: "Daaa ist der Radweg!".
Max Goldt so: "Und dort ist der Friedhof..."
Als ersten Gruß schenke ich Ihnen dieses Bild aus Muttis Garten.
Mögen noch schöne Tage für uns kommen. Also für Sie und mich. Ähm. Für Mutti auch. ;-)
Dafür anschließend in Ahrenshoop wie Tucholsky in Gripsholm.
Wünsche Ihnen ebenso schöne Herbsttage auf dem Darß.
(War wirklich ein wenig Tucholsky-Gefühl dabei, in Zeiten, in denen alle in Asien Urlaub machen, ist die Ostsee schwer unterschätzt.)
(Hören Sie mich seufzen?)
Herr Cabman z.B., dessen Heimwerkerfähigkeiten ja Legende sind, und ich (ich kann strukturiert handeln), ein bißchen Dachpappe, ein paar Konstruktionslatten, ein Eimer Spaxschrauben und noch ein paar mehr Eimer Farbe - und wir werden uns nie mehr wegen Urlaub grämen müssen.