Heinwerken

Ich schau mich um
und seh' nur Ruinen.

(Fehlfarben, "Paul ist tot")



"Am Rhein lebt man erst, wenn es nebelt und näßt", behauptete er einst, aber vielleicht reichte der Hamburger Winter, sich im sehr gepflegten und mir aus der benachbarten Heimat eben gut bekannten Mißmut einzurichten und in einstudierter Lustlosigkeit in den Sessel zu fläzen. "Jetzt, wo das Bier schon mal offen ist", deutete seine offensiv demonstrierte Unvorbereitetheit Spontaneität an, "können wir ja auch mal was lesen und über alte Zeiten sprechen". Ganz leicht machte es Peter Hein seinem Publikum nicht. Mitreißen war nicht das Motto, mitreisen mußte man schon selbst. So las er launige On the Road-Anekdoten und ätzende Ortsbeschreibungen aus "Geht so", sehr Richtiges und vom Publikum anerkennend Goutiertes über Hamburg in der irrigen Meinung, nun eine Beleidigung ausgesprochen zu haben (Nein, Herr Hein, es stimmt, hier ist tatsächlich immer Dom - und wenn nicht Dom ist, dann wird er gerade auf- oder abgebaut). Er riß zahlreiche Erinnerungsfetzen an, erzählte die Düsseldorfer Punk-Historie im Schnelldurchgang, textete sich von Charley's Girls, Mittagspause bis Family Five, allesamt Bands, bei denen er dabei war, und kreiste natürlich immer wieder um die Fehlfarben, die gleichsam bejubelte und immer wieder vergessene letzte große, wichtige deutsche Band seit den Ton, Steine, Scherben.

"Lärm nur mit Drähten und toten Tieren macht nicht sooo viel Sinn" erläuterte er seinen Weg zum Mikro. Seine Geschichte ist die einer ewigen Verweigerung. Ausstieg aus der Band, nachdem diese gerade ihr wichtigstes Album aufgenommen hatte und am Vorabend einer Tournee stand, rastlose Kehrtwenden, andere Anzüge, neue Namen. "Letzter Aufruf Peter Hein", titelte einst die Spex und wünschte sich einen Star herbei. "Fehlfarbe" Hein fügte sich aber nicht ein - was man gut finden kann oder wenig mutig, seine Sache. Oft amüsant, heute aber, die kleinen Seitenhiebe gegen Kollegen und Weggefährten, manches nur in angedeuteten Anekdoten, bei denen es hilfreich war, wenn man die Verhältnisse damals um die 80er herum zwischen Ratinger Hof , Düsseldorf und Wuppertal zu kennen, sich an die kleinen Geschichten und Geschichtchen, Lieben und Liebschaften, Bewunderung und Feindschaften zu erinnern. Jetzt ist alles später, grauer, langhaariger, und als Hein begann, dachte ich für eine Millisekunde, Jürgen Becker eröffne einen Kabarettabend. Aber der ist ja nun Kölner. Der rheinische Sound jedoch ist selten genug hier in der Stadt, und Hein hatte wirklich lustige Geschichten dabei. Erinnerungsware, Rock'n'Roll wird ja immer gern genommen.

Heute lebt er in Düsseldorf und Wien, alles richtig gemacht also. Am Ende schrieb er mit eine nette Widmung unter die andere Widmung in meiner Ausgabe von Geht So. Erinnerungen aus dem Tal . Das war vor Jahren.

>>> Geräusch des Tages: Fehlfarben, Das war vor Jahren

Ex Libris | 12:03h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
mcfunck - Donnerstag, 14. Januar 2010, 15:41
der text hat mich ein wenig grausen gemacht als ich nahezu zeitgleich ca. 5.500 km entfernt eine fehlfarbenplatte aufgelegt hatte und gedachte, eine variation ueber niedergang, melancholie und rebellion zu schreiben. ja, grosse musik aus grosser zeit. damals als duesseldorf noch kulturelles gravitationszentrum war und nicht eingedeckt von beratern aller couleur. ich war da schon seit zehn jahren nicht mehr vom flugplatz mal abgesehen. wann schlaegt melancholie eigentlich in kulturpessimismus um? danke fuer das grausen am fruehen morgen!

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kid37 - Donnerstag, 14. Januar 2010, 18:34
Es gibt ja keine Zufälle
Gern. Manches kommt ja immer wieder, vielleicht auch die Fortuna, die Akademie und Düsseldorf. Zuvor aber ein neues Album der Fehlfarben (im Februar, glaube ich).

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cut - Sonntag, 17. Januar 2010, 20:27
Vor Tagen ...
Ah. Mist. Alles verpasst. Auch hier im Dorf ... Aber demnächst gibt es wohl was zu hören. Musik jetzt. Da geh ich hin!

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kid37 - Montag, 18. Januar 2010, 12:05
Das ist dann wohl die Tour zum neuen Album? Ich bin gespannt.

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cut - Montag, 18. Januar 2010, 12:37
Ja, die Tour zum Album. Führt auch nach HH. Bis dahin warten wir. Glücklich.

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