Sonntag, 31. Januar 2010


Gin & Toni





Nach dem Schringern der Fabriksirene schnell noch ein paar Grate entfernt, Holzwolle in die Kisten gestopft, zum Wochenende soll die Lieferung raus, dann aber schnell den Scheitel nachgezogen, die Krawatte angelegt und raus, den Hunger unterm Arm. Lady Grey im Café entdeckt, hinaus ins Tauwetter gelockt, durch Eisschlick geschlittert, die Stufen zu einem Italiener hinab. Nachdem uns die Schneekatastrophe schon seit Wochen in Atem hält, ist man froh um ein wenig kerzenschummrige Wärme, den Mann, der die Rosen feilbietet oder ein Polaroid machen will. Gegenseitig lesen wir uns die Listen unserer Hamsterkäufe vor, reden über Haltbarkeitsdaten und wie man das Verdorbene unter den Lebensmitteln findet. Viel gelacht, dabei für die Trüffeltortellonis entschieden, ein bemerkenswert wohlschmeckendes Gericht, das ich mir vormerke für die Zeiten, in denen ein Käsebrot mal nicht verfügbar ist. Es ist eben ein echter Italiener, was man schon daran merken kann, daß auf dem Männerklo eine Flasche mit Haargel ("Wet Look") steht, falls zum Beispiel Luca Toni vorbeikommt und sich ein wenig die schwarzen Strähnen legen will.

Frau Grey trägt ihr derzeit bestes Kleid, ich immerhin ihren bezaubernden Button am Revers. Dann schenkt sie mir, seltene Geste für Männer meines Alters, ein Herz, ich verkneife mir das mit dem pragmatisch!, denn es spart ja wirklich Schmerz & Geld. Statt immer neuer Tätowierungen und deren Überarbeitungen, die wichtigen Initialen einfach durchstreichen oder ganz wegwischen, das ist in einem höheren Sinne wirklich romantisch: Ruinenkult, und doch sieht man - egal wie alt und beladen - völlig neu beschreibbar aus.

Wie der Vollmond über den weißen Schnee kriecht, der die brüchigen Stellen im Eis überdeckt. Wie man nächtliche Alsterüberquerungen meidet, die Dinge lieber annehmen lernt, in ihrer Unvermeidlichkeit, wie man sich das Gute bewahrt, wie man sich gegenseitig die Ohren lang ziehen kann, ohne Arg sein, weiter lernen, mit einem Getränk irgendwo sitzt und sich die Musik immer wieder schönredet.