Donnerstag, 18. Januar 2007
Als Kind wollte ich ja nie Lokomotivführer werden. So eine Art Traumberuf hatte ich nicht. Insektenforscher, klar. Ornithologe, auch mal. Bei meiner kurzen Phase als Revolverheld argwöhnte ich als Knirps schon, dieses Berufsbild gäbe es in heutiger Zeit gar nicht mehr (was wußte ich schon?). Vielleicht wollte ich Indianer werden, wie Kafka, schief in der Luft. Zur Eisenbahn jedenfalls zog es mich nie. Ich war auch immer Fan von Kleiner König Kalle Wirsch (auch wenn sich nun durch Re-Vision ergeben hat, daß die freundliche Fledermaus überhaupt keine Wienerin war, sondern Schwyzzerisch spricht) - und nicht von Jim Knopf. Aber wie das Leben so spielt - es war auch nie ein Herzenswunsch, einmal in einer Gartenzwergfabrik zu arbeiten, obwohl viele sich das als Traumberuf vorstellen.
Heute, als ich die wegen kyrillischer Sturmtiefen gestrandeten Menschen am Hauptbahnhof sah, dachte ich noch einmal an diesen Flugzettel, den die Deutsche Bahn AG die Freundlichkeit hatte, mir zu überreichen. Lokführer! (Ja, so heißt das nämlich. Und nicht etwa "Triebsteuermann" oder was einem sonst so pedantische Besserwisser zwischen Nudelsalat und Chili in fremder Leuts Partyküchen aufs trockene Brötchen schmieren wollen!) Lokführer! - ein Wort, bei dem den meisten das innere Kind in kurzen Hosen ordentlich stramm steht, Trillerpfeife im Mund und Hand am großen Dampfvorschubhebel.
Die könnten dann alle mitfahren, dreimal rund um Lummerland. Die ganzen sturmgepeitschten Menschen, ich nähme sie mit, rüfe, d'r Zoch kütt!, pföffe ihnen Mut zu mit meinem Signalgetröt - und den Kohlenklauern, unten am Bahnddamm, denen wönke ich fröhlich zu und würfe ihnen - gleich dem Herrn Ribbeck auf Ribbeck - noch ein paar Briketts hinterher. So wäre ich, ein rußgeschwärzter schwarzer Teufel im gestreiften Hemd, mit schelmischen Grinsen, und das speckige Käppi keck in den Nacken geschoben.
Vielleicht rufe ich morgen mal an bei dieser Stelle. Und sage, ich fahr den Zug, nach irgendwo. Und scheiß auf den Fahrplan.

Sonntag, 7. Januar 2007
(Die Ärzte, "1/2 Lovesong")
Dita, Dita, dachte ich heute morgen und schüttelte traurig den Kopf über die scheidungswillige Gattin von Marilyn Manson. Zu spät, zu spät. Nun sind meine Arme auch nicht mehr offen für dich. Temps perdu, uns bleibt die Erinnerung, und - alles Gute. Nun wollte ich mir, vom Schmerz gepackt, nicht noch Zigaretten auf dem Unterarm ausdrücken, die ich auch erst umständlich an der 24-Stunden-Tankstelle nebenan hätte kaufen müssen. Deshalb wagte ich das Unmögliche: Ich ging an einem Samstag in die Stadt.
Im saturnalischen Elektrokaufhaus war bereits die Hölle los, grimmigen Blickes warf ich mich in die Menge, blitzte Todesverachtung spritzend auf die vom Rabattversprechen zombifizierte Steppjackenträgerschar und begab mich wieder einmal in die Hifi-Abteilung. MP3-Player beschauen wie sonst nur der Trichineninspektor in der Großschlachterei ist einer meiner liebsten sinnlosen Stadtvergnügen. Seit einiger Zeit dürstet es mich nach Aufrüstung, nicht moralischer, sondern kraftmusikalischer Natur: mehr Speicher, mehr Radio, mehr Schick sollen meine Westentasche füllen!
So ein nachtschwarzer Handschmeichler mit Steuerrad hat es mir gerade angetan, als mich ein junge Dame anspricht. Dita? Nein, es ist eine quasi-uniformierte Informationsbereitstellerin der Herstellerfirma. Mein unfruchtbares Knöpfchendrücken am schwer entladenen und somit stummen Ausstellungsgerät rief sie auf den Plan. "Greifen Sie doch mal bei mir zu, da können Sie besser spielen", strahlt sie mich aus beinahe unschuldigen bernsteinfarbenen Augen an. Leicht verwirrt gleitet mein Blick von ihren Lippen hinab auf ihr vom knappen Firmen-T-Shirt formschonend verhülltes Dekolleté. "Ich wollte das Ding eigentlich nur kurz begrabbeln", stammel ich, etwas hilflos bereits, und bete die Namen der 37 Heiligen rückwärts runter. "Nur zu", meint die Schöne vor mir und schaut mir tief in die Augen dabei. "Meiner ist aufgeladen, da können Sie alles sehen."
An einem Halsband baumelt einer dieser Player zwischen ihren Brüsten. "Greifen Sie nur zu", ermuntert sie mich. Mein Mund fühlt sich trocken an. Ich schaue mich vorsichtig um, denk, morgen steht es in allen Blogs!, und lasse kurz meine Hand wie ein Hütchenspieler über den drei Erhebungen kreisen. Schließlich greife ich beherzt in die Mitte und packe mir den Player. "Liegt gut in der Hand, nicht wahr?" höre ich die so honigsüße wie selbstbewußte Stimme des jungen Dings. "Unglaublich glatte Oberfläche" stottere ich. "Fühlen Sie mal die Knöpfe", lockt sie weiter. "Alles richtig fest." Ich spiele ein wenig mit den Nupsis, schaue zurück in die bernsteinfarbenen Augen, die sich in Halsbandabstand vor meinen befinden. "Da wackelt nichts", meine ich anerkennend.
Für so einen Kaufhausausflug am Samstagnachmittag bin ich entschieden zu dick angezogen. Mir wird warm unter dem Mantel. "Nehmen Sie den mal lieber", meine ich. "Mir wird das hier zu heiß". Bedauernd gebe ich das Objekt der Begierde zurück. Lächelnd nestelt sie am Halsband, zurrt alles an ihrem Dekolleté zurecht. "Wenn Sie es größer brauchen...", gurrt sie und weist auf die Prospekte mit den anderen Modellen. "Nein, nein", wehre ich schnell ab. "Es ist wunderbar wie es ist."
Schnell erfrage ich noch ein paar technische Details und gebe mich beeindruckt. Gerade als ich mich leutselig nach den Dienstschlusszeiten erkundigen will, zupft mich eine innere Stimme am Mantelkragen zurück. Ich muß ja noch Bekleidung kaufen!
Deutlich beschwingt lasse ich die Schwedenkette links liegen und wage mich in einen Ausstattungsladen für paillettentragende Diskothekengänger. Warum nicht mal was Fesches kaufen, man ist schließlich nur bis morgen oder übermorgen jung. Dann ist aber endgültig finito und man selbst für Damen aus dem Promotionsgeschäft nur noch eine armselige Lachnummer, der man höchstens mitleidig ein Prospekt übereicht.
Nachdem ich die ganzen Punk- und Pseudopunk bedruckten und vorzerfetzten Lumpenberge durchwühlt habe, reihe ich mich mit einem dezenten Unterziehjöppchen in Ringeloptik am Kassentresen an. Sieh an! Neben mir steht der schwertätowierte Schlagzeuger einer äußerst beliebten, sich als vorgebliche Mediziner titulierenden Musikgruppe. Warum auch nicht, man begegnet diesem Mann in dieser Stadt öfter. Es ist ja auch eine völlig absurde Idee anzunehmen, als Rockstarmillionär mache es Spaß, den ganzen Tag und die halbe Nacht im selbstgewählten Shangri-La zu lümmeln und sich die Anziehsachen von knapp volljährigen Bediensteten reichen zu lassen, die selbst kaum mehr als Ringelstrümpfe und Lackschürzen trügen. Obwohl, wenn ich gerade darüber nachdenke...
Einmal standen wir sogar Seite an Seite am Pissoir, und nach derlei erlebten Intimitäten finde ich nun auch nichts dabei, für die Einkäufe des junggebliebenen Mannes mich näher zu interessieren. Diskreterweise möchte ich anmerken: Er wird schick aussehen in seinem neuen schwarzen Hemd. Nicht halb so schick wie ich mit meinem dezent geringelten Unterziehjöppchen. Aber schick. Ein Blick in seine Einkaufstüte erinnert mich zudem daran, daß ich die aktuelle Ausgabe des örtlichen Obdachlosenmagazins noch nicht erstanden hatte. Auch darin ein Vorbild - ich mag den privat stets angenehmer als auf der Bühne wirkenden Mann, der da festen Schritts das Geschäft verläßt. Man darf den Blick fürs Wesentliche nicht verlieren: Die Ditas dieser Welt würde er als unrockbar abwehren und ihnen lieber ein Hinz und Kunzt-Abo vermachen. Einen MP3-Player hatte er schließlich auch nicht umhängen.
Ein Spruch besagt, es gäbe nichts, was eine Flasche Whiskey und eine Rasierklinge nicht heilen könne. Herr Manson, glauben Sie lieber mir: Kaufen Sie sich einfach ein neues Hemd.

Mittwoch, 3. Januar 2007
Den Menschen mag ich ferne stehen. Aber das ist nun zum Glück egal. Denn zu Weihnachten bekam ich diesen wunderbaren Freund ins Haus gestellt. Blechern und spröde, ein wenig hohl wohl auch in der Birne - wir sind für einander wie gemacht. Zwillinge, nach der Geburt getrennt und doch wiedergefunden. Gleich mir geht er ab, wenn man ihn nur ein wenig aufzieht. Die Wande hoch wie ich schafft er zwar noch nicht. Aber tapfer und unbeirrt wackelt er auf die vorhersehbarsten Abgründe zu, als hätte er es von mir gelernt.
Wir sind gleich per Du gewesen, ich besitze nun den Schlüssel zu seinem angespannten Herzen und lege bei ihm alle Schalter um. Eine Trommel wie sein Kollege hat er nicht. Aber die kann ich ja schlagen: Ping. Ping. Ping. So schnurrt es durch die Flure der Fabrik, in der die Schlagzahl, frohe Kunde für 2007, gleich mal etwas höhergelegt wird. Das soll für mich kein leichtes werden, nimmt man das Raunen der Sterndeuter zum Jahreswechsel für bare Münze. Aber mit meinem blechernen Freund an der Seite werde ich dem wohl gewachsen sein. Denken aus, Sehnen auch und mit zackigen Bewegungen den Brennofen bedient. Krach und Knirsch, so fährt die Stanze runter, ein Dutzend Mal am Tag. Die Gartenzwerge werden immer gleichförmiger (der Kunde verlange gar nicht mehr, versicherte man uns), die Kollegen um mich herum (die letzten Mohikaner) auch. Blecherne Kumpel, die abends nur noch leise mit verzerrter Stimme hallen: Es ist vollbracht!

Dienstag, 2. Januar 2007

Sonntag, 31. Dezember 2006
Burning shapes into the night
(Siouxsie and the Banshees, "Fireworks")
Ihr könnt ja bleiben. Ich mache die Leinen los, ich hau' ab. Ich habe den Vulkanfiberkoffer an Bord geworfen, fünf Bücher und zwei Schallplatten. Das Paket mit der Schokolade, den Karton mit alten Briefen. Meine Bilder habe ich alle verbrannt, der Meldekartei einen Sprengsatz geschickt. Ich mach' mich fort, 2006 - Adieu!
Schlag Mitternacht, ein letztes Ritual. Da hör ich die Gruppe Siouxsie and the Banshees mit ihrem Liedbeitrag Fireworks (ein freundliches Angebot der Firma YouTube). Und läßt man im Wort "Liedbeitrag" das "d" weg, findet man... nun, schaut selbst. So ist das manchmal, wenn der Blick verstellt ist durch zuviel Gerümpel. Fast jedes Mal zum Jahreswechsel höre ich also pünktlich zum Gongschlag "Fireworks", betrachte das sprühende Licht am eiskalten Himmel... happily we shiver, happily we shake... kehraus, kehraus rauhe Nacht.
Warum bleibt man nachts sonst so lange auf? Marvin Bell stellt sich diese Frage in einem grandios publizierten Gedicht. Nicht zagen, nicht zögern – die Antwort auf die letzte Frage schreibt sich ohnehin mit Blut oder schmelzendem Eis. Neulich fand ich neben dem Altpapiercontainer eine alte Postkarte. "Alles Gute", hieß es da in ungelenker Schrift. "Vor allem für die Zukunft."
Alles Gute also. Vor allem für die Zukunft. Bis dahin schlage ich vor: ein Feuerwerk machen. Immer weitermachen.

Samstag, 23. Dezember 2006
Meine
Schnuffelbären Lieben: Ich mache es mal kurz, ich wünsche Euch ein betrübliches besinnliches Fest, ein bekömmliches Mahl mit Eurem Qualzuchtgeflügel und die richtigen Geschenke.
Da ich nach der Lektüre von "The Gift of the Magi" von O. Henry immer gehemmt bin, selbst eine Weihnachtsgeschichte zu schreiben, möchte ich auf eine ganz wunderbare, ergreifende, immer amüsante - und wenn man genau hinschaut auch ein wenig traurige - Weihnachtsgeschichte hinweisen von einer meiner Lieblingsbloggerinnen, bei der ich mich immer frage, wieso sie nicht jeder sofort heiraten möchte.
Eine schöne Zeit, mein schönstes Geschenk habe ich nicht auf dem Foto, sondern im Kommentar versteckt.
>>> Mehr Weihnachtsfotos ganz wie früher bei Swapatorium

Freitag, 15. Dezember 2006
Burning in the light.
(Siouxsie and the Banshees,
"Into The Light")
Schenk mir doch die Nacht, flüstere ich. Ich will mich selbst vergessen, mal laut sein, die Anlage vorsichtig auf vier oder fünf. Zwei Gläser, vielleicht auch drei. Organe auf der Wäscheleine, nach dem Trocknen geht's voran. Ich will dieses nicht und jenes und nicht mal mehr Erinnerung. Manchmal ist es so, weil nämlich, ich denke: Raus hier, und schnell noch die Mäuse, nein lieber besser die letzten Kröten zusammenkratzen. Einen anderen Himmel sehen mit wirklichen Engeln, vielleicht einfach nur Bienen züchten oder am Wasser liegen. Wo ist denn dieser Stern, von dem alle reden und singen in diesen Tagen? Ach so, hast du auch nicht gesehen. Das ist doch völlig verdreht: die Stadt ist schwarz wie die Nacht, aus grimmigen Fenstern strahlen Lichter wie Sterne. Verkehrte Welt unter blutrotem Himmel. Nur, Engel soll es dort auch geben. Sie wandern, öffnen Herzen oder verzweifeln. Sie kennen die Wege, die Adern der Städte, sie haben eine Netzfahrkarte. Raus, rufe ich, raus. Der dunkle echolose Raum ist wie ein schwarzes Loch, ausgestülpt aus mir selbst, evoziert, wenn man so will, ein tiefer Rachenlaut, ein auf links gedrehtes Etwas, wimmernd, auf dem Boden kauernd, wie ein ausgesetztes Tier mitten auf dem Weihnachtsmarkt.

Mittwoch, 13. Dezember 2006
Spöttische Stimmen würden sicher rufen, das sei kein Wunder, wenn man Absinth mit Rotwein mischt oder andere sinnentleerende Experimente mit sich selbst anstiftet. Als ich neulich nacht in die Küche gehe, um meinen Nachdurst zu stillen nach dem Rechten zu sehen, werde ich doch einen dunklen Schatten gewahr, der sich am äußeren Rand meines Gesichtsfeldes bewegt. Schnell, krege, quick, alert: das huschende Wesen schießt in Bodenhöhe an der Wand lang, während ich an der Spüle stehe und meinem Basilikum ebenfalls einen letzten Schluck gönne. Eine Fledermaus? Zu niedrig. Eine Spinne? Zu schnell, und besser nicht sooo groß und dunkel. Ein vernehmliches "Bonk" dringt an mein Ohr - und plötzlich bin ich hellwach. Flirrende Schatten? Die sehe ich öfter. Hinter mir auf der Kellertreppe, geduckt neben den Mülltonnen, auf dem nächtlichen Nachhauseweg, selbst in den Referrern meines Blogs tauchen sie ab und zu auf. Herr Kid hat einen Schatten, schon klar. Trinkerschicksal - spotten manche, Hysteriker - vermuten andere. Weiße Mäuse, alles klar. Mäuse?
Über der Fußleiste ist zwischen Wand und Einbauschrank ein kleiner Spalt. Sollte da soeben eine Maus mit Karacho gegengerannt sein - in panischem Entsetzen, dem knallgefährlichen Bewohner eines vielversprechenden Küchenfußbodens mit lukrativem Krümelbesatz begegnet zu sein? Meinen Augen traue ich kaum - meinem Gehör sehr wohl. Da war was in meiner Küche - und was immer es war, es war agil, dunkel und möglicherweise zu allem entschlossen.
Im Vergleich zum Neanderthaler verfügt der mordende moderne Mensch
über ein ganzes Arsenal zur Einschüchterung seiner Fressfeinde
Die Natur schlägt zurück! Der Angriff der mutierten Kannibalenmäuse aus den Tiefen des Weltalls! Kann schon sein, denn seit einigen Wochen wird mein Treppenhaus saniert. Warum also sollte nur ich am Rande meiner Nerven sein, vom steten Terror aus Staub, Dreck und Lärm schlimmer als mit der chinesischen Wasserfolter gequält? Wäre es einer armen Maus zu verdenken, auch mal die Ritzen und Ecken, die schrägen Abseiten der Dachgeschoßwohnungen zu erkunden - auf der Suche nach etwas Peace and Understanding?
Erneut bereue ich es, keine Katze im Haus zu haben. Ich verstopfe den Spalt, so gut es eben geht. Ein Buch lehnt nun davor, Michael Wildenhains Die kalte Haut der Stadt. Furcht und Schrecken will ich verbreiten. Vielleicht muß ich nicht die schweren Waffen einsetzen. Erst einmal werde ich jeden Abend eine halbe Stunde vor dem Mauerspalt singen. Mein Gesang hat schließlich schon so manchen vertrieben. Denn selbst von zarten Besuchern, heimlich ersehnt oder nicht, möchte ich so nicht überrascht werden. Die einzige Maus, die ich hier dulde, hat ein Scrollrad.

Montag, 4. Dezember 2006
Nachdem ich Sonntagmittagmorgen aus einem Traum erwachte, aus dem eher nebelhaft hervorging, ich hätte im Laufe der Nacht aus wohl spontanen, hier nicht näher zu erläuternden Gründen PJ Harvey geheiratet, verbrachte ich einen guten Teil des Tages damit, mich auf dem Angebot von Youtube mit den Liedern meiner future former Ex-Wife zu beschäftigen. Dabei fiel mir wieder auf, daß Polly Jean eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Ex-Freundin von mir hat, wenn man das so sagen darf. Auch schon wieder 20, 15 Jahre her. Und dann dachte ich, hui, was wenn ich vielleicht schon 20 oder 15 Jahre verheiratet wäre - oder geschieden, nach Lage der Dinge?
Zum Glück lebe ich nicht in der Vergangenheit. Man müßte mich ja mit dem Hubschrauber dort rausholen, verminte Krisengebiete, Bataillone der blutenden Herzen, keuchend am Rotkreuzschwesterarm. Nein, ich bin ein Mann der Zukunft, bei der - so las ich neulich als Beschreibung zu einem Link auf das Hermetische Café - glücklicherweise immer nur ein Tag auf einmal dem anderen folgt. Das wäre sonst aber auch gar nicht anders... Jedenfalls, folgen Sie mir bitte unauffällig, sind solche Träume in ihrer sprunghaften Gleichzeitigkeit von heute und morgen und was geht mich gestern überhaupt an ganz schön verworren.
Ich gab Polly Jean also ein Butterbrot (extra dick geschnitten) und sah mit Vergnügen, daß es ihr heutzutage viel besser geht als in diesen kaputten anderen Tagen. Das könnte man über mich auch sagen, nahm ich dann als Botschaft aus diesem Traum mit. Zum Beispiel wiege ich bald 15, 20 Kilo mehr als noch vor 20, 15 Jahren. Was mich irgendwie gemütlicher ruhiger hat werden lassen.
Vielleicht braucht man es auch nicht, dieses impulsverstärkte Leben. Die Sehnsucht nach den fernen Gestaden und die Aufregung und Abenteuer, Mast- und Schotbrüche auf den Reisen dorthin. Vielleicht liegt dieses Unendliche doch eher im Möglichen. Man muß ja nicht gleich einen Jägerzaun darum bauen. Vielleicht reicht es, wie in diesem anderen Film, ein paar blaue Flaschen in einen Baum zu hängen. Und, wie Polly singt, den bitteren, kleinen Vögeln beim Fliegen zuzuschauen.

Donnerstag, 30. November 2006
Was macht man eigentlich mit einem alten Rechner [Midi-Towergehäuse, 3 5.25/2 3.5 Schächte, PII 350 MHz, Bios Update für Festplatten >80 GB, 8 GB Festplatte, CD-Brenner, Netzwerkkarte, 8MB Grafikkarte, Floppylaufwerk, kein Sound plus ausgelutschtem 17" Monitor]?
Schrottpresse?
Immerhin wurde ein Großteil des Hermetischen Cafés darauf geschrieben...
[Beitrag kommt nachher wieder weg.]
