Sonntag, 15. September 2019


Einfach machen



Es folgt: der Wochenbericht. Ich denke ja über Neuorientierung nach, mit 37 muß man Weichen stellen. Wie ein empfindsames Katzenschnurrhaar seismographiere ich allerlei "Ideen" und Vorstellungen, lasse mir das als Jobmöglichkeit auf der Zunge zergehen, teste, atme, ein Stellenangebotssommelier, wie neulich, als in Hamburg ein Schokoladengeschäft zum Verkauf stand ("Pralinés und Edelschokolade"). Toll. So viele Möglichkeiten, und nur ein Mann, die zu tun.

Kollegen rümpfen die Nase ("Ideen, Ideen! Machen!"), ich sage, ich habe mein eigenes Tempo und prüfe, wer sich letztlich bindet. Zum Beispiel könnte ich raus aufs Meer. Auf dem Parkplatz neben meiner Packstation hat sich nämlich seit einiger Zeit ein unregulativ entstandener Trinkertreff etabliert, wo launige Männer lebensweise in den Tag hineinkommentieren. "Guck mal, da ist der Kinderkapitän, wie heißt der noch?" rief neulich einer mit Blick auf mein Ringelshirt. "Hein Blöd!" antwortete einer, worauf ich belehrend einschritt. "Ihr meint den Matrosen, der Käpt'n heißt Blaubär." Wissen die das jetzt auch.

Hein Blöd bei der Handelsmarine klingt entspannt, auch ein bißchen abenteuerlich, und als Matrose hat man eh Schlag bei Frauen, die abends gern am Kai weinen. Ich lese aber auch Stellenanzeigen. In Bremen, so vernehme ich, wird ein kriminaltechnisches Institut aufgebaut, und man sucht dafür einen Leiter. Das reizt mich irgendwie schon, fühle mich nach seit den 90ern andauerndem Telelearning "Akte X" auch ausreichend befähigt, zumal ich durch "Murdoch Mysteries" gerade ganz viel über die Anfänge der Forensik (in Kanada) lerne. Herr Kid von der KTU - wie klingt das denn? Allerdings gibt es Hürden zu überwinden: "Einstellungsvoraussetzung ist das bedenkenlose Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung". Tja. Seit 37 Jahren bin ich Bedenkenträger und habe daher solche.

Da ich gerne mit Tieren arbeite, käme für mich auch eine Falknerei infrage. Falkner arbeiten nämlich umweltfreundlicher als mit Schußwaffen ausgerüstete Jäger, die ihr Blei in die Wälder verballern. Als wir vor einiger Zeit Ratten im Keller hatten, hätte ich z.B. meinen Falken durch die Gänge jagen können - die Axt im Haus erspart bekanntich den Zimmermann - der ist geräuschlos, gefährlich und pfeilschnell, also alles das, was ich nicht bin. Ein Kompensationstier, sozusagen der SUV des kleinen Mannes.

Auch Modedesign interessiert mich seit einigen Jahren sehr. Zum Thema Destroyed Socks (155,- Euro) fiele mir einiges ein. Zerrissene Jeans können nicht alles sein. Hier im Camp David der Kreativität fliegen mir solche Ideen ja nur so zu - als wären sie ein Falke, der sich auf mich und mein Hirn herabstürzt. (300 Studenkilometer, also schneller als ein SUV).

Letzte Woche war ich auf der Indie Con im Hamburger Oberhafen. Zumeist junge Menschen präsentierten dort ihre kleinen Verlage mit Büchern und Magazinen. Die Leute vom Trust waren da, die vom Weekender, von Fotomagazinen aus Wien, Italien und weiteren Ländern. Stimung: gut. Motto: "Einfach machen!"

Und auch, wenn die Pointe noch fehlt: Immer weitermachen, sag' ich doch.


 


Dienstag, 3. September 2019


Hauspläne

Neulich wollte ich zu einer Wochenendveranstaltung in Wittenberge, das Wetter war auch schön, dann aber hatte ich darob eine Sinnkrise und nun auch Wahlergebnisse. Man könnte dort aber sicher gut wohnen, mit der alten Nähmaschinenfabrik (singert alle mit: Pri-vi-leg!), in Mitten von Natur und ziemlich genau zwischen Berlin und Hamburg und einem Bahnhof, wo auch ein schneller Zug hält.

Jetzt aber habe ich erstmal einen Architekten beauftragt, mir ein neues Heim zu entwerfen, für den Fall, daß ich doch noch in der Lotterie gewinne. Bislang sehe ich davon nichts, es muß also jemand doll in mich verliebt sein, heißt es doch, "Pech im Spiel, Glück in der Liebe". Nur habe ich für Romanze gerade keine Zeit, ich will Wohnideen entwickeln.

Mein Architekt heißt Marc Giai Miniet und hat jetzt erstmal diese Sachen entworfen. Mit Platz für Bücher, einer Dunkelkammer, Bastelraum und Archiv, einen großen Heizkeller und - für mich ganz wichtig - einen Stellplatz für mein U-Boot. Hier gibt es ganz viele Varianten zu bestaunen.

In die engere Wahl habe ich jetzt diesen Entwurf genommen. Nicht zu angeberisch, alles sehr strukturiert und irgendwie kunstvoll. Ich schätze, so eine alte Nähmaschinenfabrik ließe sich zu diesem zweck sehr leicht umbauen.

>>> Webseite von Marc Giai Miniet


 


Freitag, 30. August 2019


What Time is Love?



Greta Thunberg hat, wie in dem kleinen Tourvideo oben zu sehen ist, mittlerweile Amerika mit dem Segelboot erreicht. Glückwunsch - und echt tapfer! Ich vermute, eine Menge dieser vornehmlich männlichen Kritiker, die meisten deutlich doppelt und dreifach so alt wie die 16-jährige Klimaaktivistin, hätten die Überfahrt kotzend an der Reeling verbracht. Vorsichtshalber begleiteten sie die Fahrt aber nur auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, wo sie Häme und messerscharfe Analysen auskübelten wie die, das der Teenager sich für die Reise die Hilfe von Profiskippern gesichert habe. Das von Leuten, denen ich unterstelle, daß sie nicht mal mit einer gutmütigen Anfängerjolle über die Alster kämen. "Millionenteuer" sei die Yacht zudem gewesen, so als hätte sie die gekauft oder als sei dies überhaupt eine Aussage. Der Airbus, mit dem ich letztes Jahr nach New York flog, nur um für mich selbst zu demonstrieren, hat nach Liste an die 450 Millionen Euro gekostet. Mal zum Vergleich.

Aber da mischen sich eben die Fixierung auf Geld, Dollars, Knete & Moneten zum Neid auf eine junge Schülerin, die in jungen Jahren schon mehr für ihre Ideale erreicht und Aufmerksamkeit erregt hat als diese seibernden Herrschaften alle zusammen. Greta Thunberg ist der größte Mittelfinger der Welt - und schon allein dafür liebe ich sie.



Zum Wochenende dann aber Kulturprogramm. Ein Hinweis erreichte mich aus Kiel. Dort beginnt am 21.9. die (aus Frankfurt übernommene) Ausstellung "Von Angesicht zu Angesicht" mit Werken von Lotte Laserstein. Vielleicht mal was für einen Tagesausflug. Das tolle Fotomagazin Die Nacht ist ja bekanntlich mit der Nummer 20 zum letzten Mal in dieser Form erschienen, eine Nummer 21 wird aber gerade als Themenheft ("Mexiko") produziert. Durch Patti Smith wiederum wurde ich auf die Ausgabe von Marcel Schwobs The Book of Monelle aufmerksam, die von mir unbemerkt bereits 2012 erschien (ich weiß gar nicht, ob es eine erhältliche deutsche Ausgabe gibt). Gute Rüstung also für ein Bad im Mondlicht. Morgen sind noch mal Temperaturen von über 31 Grad prognostiziert, danach ist Leben vielleicht wieder möglich.



In Deutschland als besserer "Pferdeflüsterer" vermarktet, war das großartig fotografierte Drama The Rider einer der Knaller 2018. Es war zudem der erste Film, den ich nach langer, langer Absenz im Kino sah. In New York übrigens und quasi unter Zwang, aber ich empfehle den ausdrücklich auch Leuten fürs Heimkino, die nichts mit Pferden anfangen können, dafür aber mit Lebensfügungen und schwierigen Schicksalen. Da ich zuletzt wieder schwierig, schwierig mit Berlin, patzigen Antworten von dort Beschäftigten und stornierten Reisen dorthin zu tun hatte, suche ich Trost bei Yvan Goll. Er beschreibt die psychosexuelldramatische Lage schon 1929 in seinem Roman Sodom Berlin, die ZEIT berichtete sichtlich amüsiert knapp 60 Jahre später darüber.


 


Mittwoch, 28. August 2019


Die Sommerschul-Files



Unterm Dach unerbittliche 30 Grad, ohne Schwanken, ohne Wanken. Es ist so heiß, daß sich selbst die Libellen, die zu Besuch kommen, auf den Rücken legen und das Salz von meinen Lautsprechern lecken. Eigentlich habe ich Urlaub, aber zu viel zu tun, um verreisen zu können. Dazu ist mir bei der Hitze nicht nach Hin und Her, Termine, die sich nicht koordinieren lassen, andere, die unbestimmt bleiben. Ich muß Gutachten besorgen und Unterlagen beibringen, dazu Ideen jonglieren und beruflich Bilanz ziehen.

Weiterbildung ist ein Thema, weshalb ich lieber in der Sommerschule wäre. Entspannt und konzentriert zugleich, tagsüber das Wesentliche zusammenmalen, abends Protestlieder am Lagerfeuer singen.

Lotto war auch nicht, 90 Millionen lagen im Jackpot, bei solchen Summen ist die Währung fast egal. Von dem Geld würde ich ganz viele Rentenpunkte nachkaufen, damit ich später als Lottomillionär nicht zum Amt muß. Dort würde man mich womöglich zwingen, meine Wohnung in New York (die ich mir von den Lottomillionen als Alterssicherung kaufen würde) zu veräußern. Und dann wäre ich im Grunde keinen Schritt weiter als jetzt, wo ich auch keine Wohnung in New York habe.

So weitgreifend und selbstbeleuchtend analysiere ich die Lage und entspanne mich zur Guten Nacht mit den Fällen von Murdoch Mysteries. Die kanadische Serie geht im Heimatland schon in die 13. Staffel (dazu gibt es ein paar "Christmas-Specials" und frühere, zum Teil anders besetzte TV-Filme). "Sleuthing in the Age of Invention" heißt die Tag-Line, die Serie spielt im Toronto von 1899 und ist durchsetzt mit gesellschaftlichen, emanzipatorischen Umbrüchen wie Frauenbewegung, Arbeiterbewegung, Royalismus und Anarchismus, einer Vielzahl weiterer neuer Denkweisen wie Spiritismus, aber auch (anachronistischer) moderner Malerei wie den Kubismus, und eben den vielen technischen Erfindungen der viktorianischen Zeit. Da fährt ein frühes Elektrofahrzeug ein Rennen gegen einen Wagen von Henry Ford, gibt es den Phonographen zur Stimmaufzeichnung, das Telefon, den Kampf zwischen Tesla und dem finsteren Edison und dem zwischen dem Pferd und dem Fahrrad.

Detective Murdoch fährt Fahrrad und ist auf seiner Dienststelle (Obacht!) schräg angesehen, weil er seine Zeit damit "vertrödelt", Bluttest einzuführen, Fingerabdrücke zu sammeln, UV-Leuchten (um Blutspuren sichtbar zu machen) und Photoapparate zur Beweissicherung einzusetzen - als ginge klassische Polizeiarbeit nicht auch ohne dieses ganze obskure Zeugs (so sein Chef).

An seiner Seite (herzseitig links) arbeitet eine fesche, sehr emanzipierte (Obacht!) brünette Gerichtsmedizinerin (gespielt von einer australischen Schauspielerin), die Kugeln in Leichen sucht und Organe wiegt und dabei in ihrer Pathologie Schellackplatten mit klassischer Musik auf dem Grammophon spielt. Trotz "big love in the air" kommen die beiden (Obacht!) nicht recht zusammen, auch wenn alle anderen in der Umgebung darüber mit den Augen rollen.

Ab der zweiten Staffel, wenn sich Team und Macher und Schauspieler freigespielt haben, wird es richtig munter, auch wenn es eine B-Serie bleibt, hübsches TV-Niveau halt, nicht so ambitioniert wie Ripper Street oder Coppers. Aber eben vollgepackt mit Anspielungen auf Filme, Romane und populären Mythen (etwa, wenn Murdoch in Klondyke einem Mann namens Jack London den Begriff "call of the wild" vermittelt) und witzigem foreshadowing technologischer Entwicklungen wie etwa der "iMail". In einer frühen, sehr amüsanten Folge wird ein ermordeter Hobbyastroom entdeckt, dessen Studierzimmer voller mysteriöser Zeichnungen von Planetenbahnen und Marsoberflächen ist. Als Murdoch und sein Constable Crabtree nachts die Umgebung untersuchen (ein Bauer hat nämlich Kornkreise auf einen Feldern entdeckt!), gleiten plötzlich (Obacht!) unerklärliche Lichter über den Himmel. Während Crabtree vermutet, es seien (Obacht!) Aliens gelandet, folgt Murdoch der Spur zu einer Scheune und (Achtung, Spoiler!) und entdeckt Männer, die an einem russischen Zeppelin werkeln. Die Emittler werden dabei entdeckt und betäubt - und als sie am nächsten Morgen erwachen, sind (Obacht!) in der Scheune keinerlei Spuren mehr zu entdecken, und ihre Geschichte wird von niemandem geglaubt.

Ich vermute hier eine Anspielung auf eine bekannte US-amerikanische (die aber in Kanada gedreht wurde) TV-Serie, die manche für "soooo 90er" halten. Ich möchte daher ergänzen: "Soooo 1890er!"

>>> Murdoch Mysteries, Trailer

Super 8 | von kid37 um 00:28h | 11 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 18. August 2019


Technik und Gerede



Derzeit packe ich kleine Ideen vorsichtig mit der Pinzette am winzigen Fellkragen und sortiere sie in die freien Mulden von alten Eierkartons. So kommt nichts weg und auch nichts dran. Vielleicht, so lautet eine davon, mache ich ein Magazin. Das wird heißen Technik und Gerede. Vielleicht auch Kultur, Technik & Gerede oder Kulturtechnik und Gerede ("Hiermit beantrage ich Titelschutz in allen Schreibweisen und Variationen"). Man soll da nicht gleich zu Anfang schon alles im Detail zerreden.

Darin geht es zunächst einmal um eine Art Archäologie - "of a past that never was". Vielleicht ein kleiner Essay über Knackser auf Schellackplatten. Oder über die Entfesselung einer statisch gebundenen Performanz von Musik durch den Durchbruch des Grammophons. So wie man heute kein Kino braucht, um einen Film auf dem Mobiltelefon zu sehen. "Spiritismus als vormodernes Speed-Dating" lautet mein erster Beitrag (mit Ektoplasma-Centerfold!). Von der Tonalität her alles - bei aller Schwere der Gedanken - im munteren Plauderton, das Magazin soll schließlich viele Cold-Brew-Coffeetable erreichen und von Menschen gelesen (und gekauft) werden, die sich auch sonst für Hifi-Klumpert und technisches Lebenstilgedöns interessieren. Sich aber auch fragen, was das alles bedeutet für ihr Leben und das der anderen. Im Entertainment-Teil werden nur Stummfilme vorgestellt und Lyrik des Expressionismus, aktuelle Trends in der Plattenkamerafotografie und Stars des Vaudeville.

Ich könnte mir aber auch vorstellen, ein Magazin zu machen, das hieße Affen & Elefanten. Vor ein paar Jahren sah ich auf einer Ausstellung ein brillantes Bild von Gabriel von Max, der vor hundert Jahren gutes Geld mit Gemälden heiliger Frauen, Märtyrerinnen und skeptischer Affen machte. Statt dieses Geld zu sparen, kaufte er, man muß sich die Gesichter vorstellen, obskures altes Zeugs, tote Tiere, Fossilien und Skelette und lebte voller Ekstase wie in einem Museum. Und anstatt mich als Erben einzusetzen, verfiel seine Villa am Starnberger See und soll abgerissen werden (dies ist vielleicht auch schon geschehen), die Sammlung blieb zum Glück erhalten. Von Max hätte ich jedenfalls gerne ein Titelbild für die erste Ausgabe.

Schön und detailreich ist auch der Elefant auf dem Cover (wunderbares Digipack zum Ausklappen, mit Fotos und Texten übrigens) des Albums "Kramuri" der Gebrüder Marx, die hier neulich so nett empfohlen wurden und - Zufall oder nicht - nur ein paar Buchstaben von Gabriel von Max verschoben sind. Die Lebensfreude in deren Texten ist angenehm reduziert ("Als ich das Licht der Welt erblickte/Verließen alle Engel Wien"), die Lieder beklagen den Verfall der Welt ("Mei Gschropp redt wie a Piefke/Und is in Wien geborn/Vü mehr kaunn gor net schiefgeh/I glaub i bin verlorn") und dissen wie in "Scheißnatur" die, äh, Natur ("Du bleda Paradeiser/Warum bist du nur rot?")

Es würde also mehr ein Naturmagazin über das Leben der Tiere und Gewächse, aber alles von unten betrachtet. Nächsten Monat dann Gründer-Gespräch, das muß man ja alles erstmal finanzieren. Mit ohne Geld.

>>> Geräusch des Tages: Gebrüder Marx, Scheissnatur


 


Donnerstag, 8. August 2019


Groszmannssucht in Arkadien



In meinem Erzählband Bei der letzten Zigarette begann es zu regnen habe ich eine handvoll Geschichten über melancholische Groszstadterinnerungen zusammengefaßt, junge Menschen, die nach vorne leben und alte, die das Leben dann von hinten erklären. So im Groszen und Ganzen.

Früher wurde ich von Malern ja so gemalt. Die abgerissenen Köpfe meiner Feinde in der Hand! Heute muß ich mich an Supermarktkassen wegschubsen lassen von jungem, groben Volk. Bald wird man mich auf eine Eisscholle setzen, damit ich ins arktische Meer treibe, denn die Gartenzwergfabrik wird entkernt, alle Menschen müssen raus.

Gut immerhin , daß ich keinen Hang zum Pathos habe, es wäre schlimm um uns alle bestellt. Vor ein paar Jahren hatte ich mal überlegt, nach Düsseldorf zu ziehen, auch eine interessante, mir teilweise merkwürdig sperrig daherkommende Stadt. Am Rhein. Aber dann war die Wetterlage dort leider nichts für mich, ich blieb also hier und dachte weiter grosz vor mich hin. Das Leben ist ja mal so, mal so. Ich sage nur: "First we take Manhattan, then we take Berlin."

Georg Grosz, der alte Groszmaler, hat das ähnlich gehandhabt, nur in umgekehrter Richtung. Das ist in sehr entzückenden, den Stil des Meisters hübsch nachempfundenen Bildern in dieser Comic-Biografie von Lars Fiske beschrieben. Fiske hat zuvor auch schon ein ähnliches Werk über Kurt Schwitters geschaffen (ebenfalls im groszartigen Avant-Verlag erschienen). Politisch scharf, ironisch in der Heldenbeschreibung und angemessen frivol, denn Grosz war da nicht scheu, und seine Modelle auch nicht. Und es waren ähnlich wild bewegte Zeiten.

Ich liege ein wenig in der Sommerhitze flach, fächel mir mit einem Monsterablatt Luft zu und und schüttel den Kopf über meinen Lebenslauf und die passenden Papiere dazu. Aber da gibt es nicht grosz was zu verstehen.

(Lars Fiske: Grosz. Berlin: Avant Verlag, 2019.)


 


Samstag, 3. August 2019


Vienna Calling #7

Wann sind wir endlich daheim?
Wir sind nie daheim!

(Kreisky, "Dow Jones")



Es ist Zeit, Baba zu winken. In Wien macht das, Bitte, bitte!, die Katze Kreisky, für mich ja immer noch die beste Schrammeldiskursrockband Österreichs, da können sich alle Wandas ins Bilderbuch legen. Die Woche ist rum, das Wetter wird besser, denn der Abschied naht. Noch schön in der Sonne am Platz sitzen, Pläne schmieden, Sonnenbrillen rauf- und runterschieben, den Kindern beim Spielen zuschauen. Schauspieler laufen vorbei.



In der inneren Stadt aber stehen die apokalyptischen Reiter. Und, man stelle sich das vor: Wie ein ungeschickter Gast, der beim Hinausgehen die wertvolle chinesische Vase umwirft, stürze ich am letzten Abend die Regierung. Sozusagen. Ein delikates Urlaubsvideo sickert durch, und ein Land hält den Atem an. Hat er das gerade wirklich so gesagt? Mit der letzten Maschine komme ich aus dem Land, ehe hinter mir alles zusammenbricht.

Die magnetische Anziehungskraft der Stadt aber bleibt. Vielleicht sollte ich dort endlich eine Dependance errichten, den ganzen Klumpat in Hamburg zusammenpacken und umsiedeln. Einen Titel tragen, einen Laden erwerben und fortan nur noch Kunst und Bücher verkaufen, abends im Beisl was singen, einen Text vortragen. Das kann doch alles so schwer nicht sein, die drei Mark 50 Schilling zum Leben muß man doch wohl zusammenbekommen. Der Dow Jones zuckt auf und ab, auf nix is' Verlaß, is' nämlich nicht. Da muß man in Bewegung bleiben.

>>> Geräusch des Tages: Kreisky, Dow Jones