
Dienstag, 8. März 2011

Endlich wieder einmal Licht und Farbe zum Wochenende. Früher ging man da zum Selbst- und Sichtschutz in die Dunkelkammer, schwappte schön mit giftiger Chemie, heute muß man am Computer in der Sonne sitzen, Teststreifen entwickeln und Tonwertregler hin- und herbewegen wie eine schunkelnde Feiergemeinschaft, die mit Wupp-di-ka! und Helau! und Alaaf! sich ein strahlendes Rheinland in schummrigste Hamburger Kellerkneipen malt.

Die Kollegin fuhr als "Black Swan" gewandet ins Rheinland, das nenne ich, eine Aufgabe stilvoll gelöst. Krankenschwestern, Kätzchen und Pippi-Langstrumpfs gibt es in der Regel ja genug. Ich war als Besucher einer Singlebörse verkleidet und habe dann beim Auslaufen & Auslüften am Sonntag das sogenannte "Wochenendhaus" besichtigt.

Ein weiteres meiner zahlreichen lorem-ipsum-Projekte. Ich zögere und denke und denke und zögere und denke, ich werde es nicht machen. Finde mal jemanden, der es auch bewirtschaftet, unter der Woche, wenn keine Wirtschaft ist. Eben. Noch ist das Leben nicht nur Rosenschneiden.
Abends dann in der Küche gestanden und beim Knoblauchschneiden und Gambas in die Pfanne werfen schmachtende Fetzen mit Zischlauten gehört - so als sei auf einmal schon ein weiterer Sommer angebrochen kurz vor der Fastenzeit in Rot und Grün und Weiß, mit Versprechen und Verlangen und Verskonstellationen am Abendhimmel. Jetzt eine Dachterrasse und ein großes Glas Rotwein, so male ich es mir auf einer weiteren Überlagerungsebene aus. Wir würden nur eine Papierschürze tragen, noch ein bißchen Weichzeichner einfügen, die Kontraste mindern und alles wäre gut.

Donnerstag, 3. März 2011
Der schwarze Gram. Die großen Wogen türmt
Der Südwind auf, der in die Segel stürmt,
Die schwarz und riesig flattern im Orkan.
(Georg Heym. "Der fliegende Holländer". 1911.)
Mein Vermögen, das muß auch immer wieder einmal betont werden in diesen vom sozialen Neid geprägten Zeiten, ist mir ja nicht einem blutverkrusteten Adelstitel hinterher in den Schoß geworfen worden. Zuvor gab es Jahre und Nächte verzweifelten und zweifelnden Suchens und schließlich Schaffens. Geistig und körperlich bereits mehr als halb zerfressen von den Dämpfen und Chemikalien in meinem geheimen Kellerlabor und den zahlreichen gegen die Natur gerichteten Experimenten erfand ich schließlich die seit Jahrhunderten von Alchimisten und Naturwissenschaftlern gesuchte Lacrimatose® - eine Substanz, die Glück heilen kann.
Die Formel verkaufte ich an die Pharmaindustrie, Pandora Healthcare hütet sie seither in einem Panzerschrank am Rande der Schweiz. Von dem Geld habe ich mir ein Penthouse gekauft und ein Boot. Am Wochenende nun bin ich auf der Werft gewesen und habe die Fortschritte der hermetischen Reederei in Augenschein genommen. Man will ja nicht protzen, andererseits für eine große Reise auch nichts auf die lange Planke schieben. Leinen los! heißt es immer so plötzlich. Zettel werde ich bald wohl aushängen müssen, "Matrosen zum Mitreisen gesucht", bereit sollen sie sein zur großen Frühlingsfahrt bis hinunter nach Galapagos. Sollte das Glück sich einstellen, so muß ich nichts fürchten, es gibt ja nun ein Medikament dagegen. Und im Rumpf berge ich Fässer mit Sauerkraut, gegen Skorbut und gute Laune.

Dienstag, 1. März 2011
Derzeit schaue ich nur zwei Farben, Schwarz und auch ein bißchen Weiß. In diesen Filmen laufen Männer mit ausgebeulten Jackentaschen durch eine regennasse Nacht, fliehen vor größeren und kleineren Reparaturarbeiten im kriegsversehrten Haushalt in einen Spätausschank und geraten alsbald durch eine Frau in eine schlimme Lage, aus der sie wiederum nur eine andere Frau befreien kann. Nächste Woche ist Weltfrauentag, da möchte ich die eine oder andere loben. Zum Beispiel diese eine, die Blonde, die Kim Basinger der Vierziger. Man kommt nicht darum herum, über ihre Haare zu reden. Was sage ich Haare. Es handelt sich um eine Frisur. Ein blonder Schwung, eine fließende Welle, die das Gesicht einrahmt und nur leicht verhängt, so daß ein Auge - guckguck! - in allen Deutungsvarianten darunter hervorlugen kann: vorwurfsvoll, mißtrauisch, wach und verschlafen und immer haargeheimnisumrankt und lockend.
Veronica Lake, ihr habt das gleich erkannt, hieß eigentlich Ockelman, aber dies war kein Name, mit dem man in den Vierzigern beim Film Karriere machen konnte. Raymond Chandler, einer der vielen bedeutenden Nationaldichter der USA, nannte sie nur "Moronica", und manches deutet darauf hin, daß dies nicht nur liebevoll gemeint war. Wie viele große Frauen war sie eher klein von Statur, weshalb sie so gut zu ihrem Filmpartner Alan Ladd paßte. Ein Mann in den Sechzigern, der immer den Hut aufbehielt, um wie 1,72 m zu wirken und nur von der Lake als einzige seiner Partnerinnen vor der Kamera nicht überragt wurde. Zusammen drehten sie vier Filme, alles dunkle Knaller wie "The Blue Dahlia" oder "This Gun for Hire".
Wie viele andere nicht endlos begabte Schauspieler mußte sie vor der Kamera nicht viel mehr tun als gut aussehen - das darf man nicht unterschätzen - und so setzte sie folglich alles auf ihr Markenzeichen und eine blitzhelle, kurze Karriere und lebte ansonsten in einer schrägen Form von Emanzipation ein Rock'n'Roll-Leben wie ein Mann: vier Ehen, krankhafter Suff, früher Tod und eben diese schicke Frisur.
>>> Veronica Lake gemeinsam mit Dorothy Lamour und Paulette Goddard im energetisch vorgetragenen Wehrkraftermunterungslied A Sweater, a Sarong and a Peek-A-Boo-Bang.

Donnerstag, 24. Februar 2011
Frost ist es. Kalt stehen sich die Menschen gegenüber. Hamburger Härte über Kopfsteinpflaster gestülpt, ein Mensch ruft, mach noch einen! und denkt darüber nach, sich einen Schnurrbart zu hegen. Auf den Straßen halten sich hartnäckige Eisflatschen, zementharte Wölbungen, die wie grauverschmierte Muttermale metertief in den Asphalt hinunterragen, sich ausdehnen wie ein Wurzelwerk, ausharren für einen ewigen Winter.
Die Hamburger stehen zusammen, Mantelkragen gegen die Mitternachtssonne nach oben gerichtet, man haucht in die Hände, kränkelnder Atem, führt faule Gespräche und denkt an die kommende Radfahrsaison. Ob man sich zum Tweed-Ride an der Elbe verabreden sollte? Was aber, zagen manche, wenn es regnet? Oder schlimmer, ein steter Wind von Südsüdoost mit klammen Fingern in die Speichen drückt?
Während man also noch denkt und wägt, ist man am Nordkap schon vorangeradelt. Die Finnen wischen die Angst vor der Kälte mit einer achtlosen Bewegung fort, knurren unter ihren Schnurrbärten hervor ein Grundlos! und packen die Sorge in die Tiefe einer mit Wodka gefüllten Thermoskanne. Mit Stil und Mut und Unerschrockenheit trotzen sie auf ihren Fahrrädern den schlechten Wirten der Natur.
>>> Fotos via Krista Keltanen

Sonntag, 20. Februar 2011

Die Komplimente waren leider alle schon weg, aber da heißt es einfach tapfer sein und den Glauben nicht verlieren. Der Tag strahlt auch so zurück, wie man in ihn hineinstrahlt, sonst druckt man sich einfach selbst ein paar aus und klebt die Zettel in die Waschküche, dort, wo schon jedes Welt- und Nachbarschaftsproblem gewälzt und gewalkt, gestampft und ausgewrungen wurde.
Heute wird in Hamburg gewählt. Da man diesmal nicht nur eine oder zwei, sondern gleich zwanzig (20) Stimmen vergeben darf, wurde an alle Wahlberechtigten eine Musterfibel verschickt, wo man schon mal nachschauen konnte, welchen Dachdecker und Gas- und Heizungsinstallateur man in Zukunft besser nicht beauftragt. Er könnte auf Rechtsaußen spielen. Nicht zugesendet jedoch wurde mir eine Wahlbenachrichtigung, aber nun reicht bekanntlich auch ein Personalausweis. Wenn man denn das Wahllokal findet. Die Sparkasse, in der ich sonst wählte, hatte diesmal geschlossen, also fragte ich im nächstgelegenen Lokal in der Pfarrgemeinde um die Ecke nach. Das macht ja auch Sinn, ein Wahllokal in der Nachbarschaft, nur all die Vorjahre nicht, da mußte ich woanders hin. Wo ich schon überall wählen war: In der Sparkasse, in einer Schule, die jetzt keine mehr ist, in einer ganz anderen Schule, wieder in der Sparkasse... "Wo waren Sie denn das letzte Mal wählen?" fragte man mich im Wahllokal. Himmel, dachte ich, diese Fragen immer. Wo sehen Sie sich in fünf Jahren? Wo waren Sie vor fünf Jahren? Wenn ich das alles wüßte. Ist es nicht die Gegenwart, die zählt? Also, ich sei schon überall gewesen: In der Sparkasse, in der Schule, die jetzt keine Schule mehr ist, in der ganz anderen Schule, wieder in der Sparkasse - und ob das nicht eigentlich egal sei, immer dieses was früher war, man möge doch bitte meine Adresse in der Liste suchen und die zugehörige Nummer des Wahllokals?
Leider, muß man fast sagen, war ich schon ganz richtig dort, also das erste Mal im Wahllokal gleich um die Ecke. Wäre früher wohl zu einfach gewesen. Leider, weil es eine lange Schlange gab, als fände dort ein verkaufsoffener Sonntag statt. Menschen, die kaum ihren Namen buchstabieren können, campierten in den Wahlkabinen, um ihre zwanzig Kreuze (20) in den vier unterschiedlich gefärbten Fibeln (Uringelb, Schwangerschaftstestblau, Partnerlookfunktionsjackenviolett und so eine Art Lebensmittelschimmelgrün) zu verteilen. Ab und an reichten Helfer warme Getränke oder kräftigende Stullen nach, dem Seufzen und Stöhnen und der aufsteigenden Wolke kleiner Fragezeichen nach zu urteilen, war es für manche kein leichter Akt.
Ich hingegen, man muß sich ja auch mal selber gratis Komplimente machen, verteilte meinen Chor von (20) Stimmen wie mit leichter Künstlerhand, großzügig über die Seiten, hier ein Tupfer, dort eine Linie - ich denke, wer die einzelnen Punkte mit spitzem Bleistift verbindet, wird darin eine "37" erkennen können.
Erstmals vor Ort waren auch UNO-Wahlbeobachter clipboardhaltende Menschen der Forschungsgruppe Wahlen, die für das ZDF Wähler befragten. Mich allerdings, hier kommen wir zu einem kleinen Skandal, bei dem es keine zwei Meinungen geben darf, wollte man übersehen. "Sie befragen mich ja gar nicht", protestierte ich. "Nein, wir nehmen nicht jeden", erhielt ich zur Antwort. Nun halte ich selbst viel davon, nicht einfach jeden zu nehmen, das hat auch was mit Würde und Respekt vor sich selbst zu tun. In diesem Fall aber muß ich sagen, wird dies natürlich einen sehr verfälschenden Ausgang auf die Wahlprognose nehmen.
Wenn also gleich die Hochrechungen im ZDF verkündet werden, seid auf der Hut. Zwanzig (20) Stimmen flossen darin nicht mit ein! Kompliment, ZDF. Ihr traut euch was.

Donnerstag, 17. Februar 2011

via Yimmy Ayo
Noch wissen wir nicht, was der Doktorand sagen wird. Eine moderne Antwort könnte lauten: "Ach, ich geh das ganze mehr so regietheatermäßig an. Das ist alles ein Remix."
Apropos. Airen wird von der FAZ in Mexiko aufgestöbert (das Land der Axolotls übrigens), spricht entspannt von seinem neuen Leben und dem Elan, den ihm der Buchskandal bescherte. Er spricht unaufgeregt und ohne böse Worte. Nach wie vor macht er in der ganzen Causa die sympathischste Figur. Unaufgeregt. Kein Vergleich zum Geschäume des bekannten Berliner Theatermanns in der SPEX vor einiger Zeit über Blogger, die sich anmaßten, Literatur zu können.
Neulich noch einen anderen, in meinen Augen zu weit führenden Einblick in "den Betrieb" erhalten. Möchte ich nicht im Detail ausführen, Hauptstadtliteraten unter sich, altherrentliche Pfauenspreizung, man ist peinlich berührt.
Gut. Von mir sind manche auch peinlich berührt. Das beruht ja oft auf Gegenseitigkeit.
Eigentlich bildete ich mir ein, einen gewissen Blick für Details zu haben. Aber ich schwöre, das mit den Dings sehe ich erst heute. Himmel.
Nachdem die 80er und Postpunk abgefrühstückt wurden, fürchte ich ja eine Rückkehr gewisser Formen der 70er-Jahre-Musik. Also Schlagzeuger, die exzessiv Schlagzeug spielen und nicht nur monotone Maschinenrhythmen vorgeben. Gitarristen, die gniedeln, Bassisten, die "ein Solo spielen" müssen, erste Ohrenzeugen vermelden bereits die Rückkehr von Bläsersätzen in zeitgenössischen Kompositionen. Fransenlederjackenmusik.
Ich bin ja eher schlicht: Autoradioregler auf zehn und mit der Superbiene einfach immer nach Süden. Go your own way. Schade, daß ich so schlecht Auto fahre.
search request: wer ist kid37?
Das Stadtderby gestern endete mit Recht und Richtigkeit. Pauli 1, Hamburg 0. Und schon scheint zum Beweis heute die Sonne.
Es liegt eine Hoffnung in dieser Stadt.

Dienstag, 15. Februar 2011
Bis ich den Schlüssel zu meinem Blog wiedergefunden habe, solange vielleicht der Beitrag zum Superwahljahr*. Mit dem Schlüsselbund nämlich sind tiefe Furchen in den Beton gekratzt, 140-Zeichen-Botschaften für den parfümierten Aufstand auf dem Rathausvorplatz."They talk about taking action while wearing their Diesel-Tees" singt Gustav ins vom Meta-Gequatsche verengte Gewissen, für ein 'Ho und noch ein 'Ho und ein Tschitti-Tschitti-Bang-Bang.
"The Revolution will not be televised" wußte Gill-Scott Heron noch zu bemerken**, um so argwöhnischer stimmen die großmedial verbreiteten Behauptungen, sie finde heute bei Twitter statt. Oder eingebettet in Fahrzeug-, Telko- oder Eventkulturwerbung. Sie wird nicht präsentiert von Apple oder HTC. (Bestellt Revolution heute bis 17.00 Uhr und bekommt ein neues System am nächsten Tag per Overnight Express. Kunden, die sich für Revolution interessierten, kauften auch...)
>>> Geräusch des Tages: Gustav, We Shall Overcome
* Die Post-Wahltagsparty findet übrigens am 27.3. live im Hamburger Docks statt.
** ARD/ZDF scheint das bewußt.
