
Freitag, 25. Juni 2010


Ja, das ist schon traurig alles. Aber wie heißt eine brutale Wahrheit so schön: Lieber Dritter als Petze, und lieber weiterstolpern als gar nixe arbeiten. Selbst die schauspielerischen Darbietungen, sonst eine kardinaltugendhafte Grundfertigkeit der transalpinen Fußballthespen, ließen dieses Jahr zu wünschen übrig. Und was waren wir froh, nicht beim Italiener gelandet zu sein.
Die Dänen dann spielten so hölzern wie es der Kommentar im ZDF war ("Die Japaner haben eine doppelte Führung", "dem klebt das Nicht-Torschuß-Gen am Schuh"). Zurecht zurück in die Dünen. Die unermüdlichen Trickschützen hingegen nahmen die Geschenke des Gegners dankend an und waren einfach gerne auf dem Platz.
So wie man jetzt gerne draußen sitzt, zwischen ernsten und leichten Themen, dem fispelnden Tröten und dem warmen Summen der großen Stadt, in der die Fassaden bereits spürbar Sonne gesaugt haben. Ab Achtelfinale heißt es nicht mehr Punkrock oder Klagenfurt. Da heißt es Punkrock und Klagenfurt.

Donnerstag, 24. Juni 2010


Schon wieder Endspiel, verschminkte Schlaaandmädchen, Podolski-Prinzen und andere Lahme schweinsteigern in die U-Bahnen, auf dem Weg zu den öffentlichen Zuschauplätzen. Ich hingegen steige hinab in den Musik- und Wortspielkeller, dort, im Starclub-Cavern, wo Delling & The Netzers ihre Hamburger Gehversuche neben alten Beatlesplakaten, gleich neben einem Gretsch-Schlagzeug starten. Das mal für die Geschichtsbücher.
Qualm, Bier, weitere Schlaaandmenschen, die ständig "Make Schau! Make Schau!" brüllen, denn im Spiel, ein weiterer Wortspiel-Dur-7-Akkord, ist irgendwie keine Musik drin. Stolpern, schachern, Ball verspringen - aber wie sagte der englische Philosoph Gary Lineker einst: "Fußball dauert 90 Minuten, und am Ende gewinnen die Deutschen."
Ein Migrationsspieler haut Schicksal-, Scham- und Schande-Schlagzeilen von den Titelseiten, erspart unserem Knabenchor das Tingeln durch Ostseebäder und über Sommerfeste und schießt die Kapelle weit an den Les Bleus vorbei in die Top16. Mit Özil zum Hit.
Weiteres Bier, Tuuut-tuuut und Tröööt-tröööt auf den Straßen und hinter Fahnengardinen hervor, und dann schiebt glücksstrahlend eine junge Farbige im schwarzweißen Deutschland-Trikot an uns vorbei, ruft begeistert "Ghana, yeah!" und trötet befreit in ihre Vuvuzela. Das sind dann diese kleinen Momente, wenn sich der ganze Nationalitätenirrsinn für einen Moment verwischt, wie Fab-Four-Musik im Remix.

Dienstag, 22. Juni 2010
This song helped my friend through some really tough times, like when his gf cally dumped him for someone more studley (me).
Kommentar von Faultyesteryear zu Silence.

Montag, 21. Juni 2010






Nanu, ein Schirm? Es regnet. Aber das Abschlußwochenende der Altonale ist zu bunt, als daß man sich daran stören könnte. "Wochenende, bitte Zimmer 17!", schringert es durch die Lautsprecher, vier Farben, (blau die Sehnsucht), großes Gemisch, und wenn man die Schleichwege nutzt, muß man auch nicht durchs Gedränge schieben. Zwischen Kleinkunst, Musikbühnen, Flohmarkt und Essen aus allen WM-teilnehmenden und nichtteilnehmenden Fußballnationen springt man hin und her, stößt auf rätselhafte Phänomene und offene Fragen, etwa die, warum es Fliegenklatschen, aber keine für Schmetterlinge gibt. Bei den Elbewerkstätten kaufe ich das ungefähr fünfhundertste Blankobuch, das mir gefällt, weil es so einen hübsch marmorierten Einband hat. Wenn das Internet erst abgeschaltet ist, werde ich dereinst Seiten um Seiten füllen können, so als sei nichts geschehen. Einer Künstlerin, sehr attraktiv und mit melancholischen Augen, kaufe ich Postkarten ab, auf denen attraktive, melancholisch blickende Damen in einsamen Zimmern sitzen. Sage noch einer, illustrative Kunst sei nicht welthaltig genug.
Abends dann mit der wunderbaren Frau Modeste ausgegangen, die ich ja immer zu selten sehe, was möglicherweise daran liegt, daß sie in diesem Berlin lebt, von dem man manchmal liest. Über ernste Themen viel gelacht, wie das nur mit Menschen geht, die einen feinen Blick für bizarre Details haben. Irgendwann spielen sie Blondies "Heart Of Glass", vom Hafen her fegt durch die Ruine der Elbphilharmonie ein eisiger Wind, mehr hat Hamburg ja auch nicht. Jetzt ist auch noch Heidi Kabel tot.

Freitag, 18. Juni 2010
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
(Andreas Gryphius, "Alles ist eitel". 1663.)
Bei Feinkunst Krüger neulich gab es das beste Public Viewing Hamburgs - Fußballbilder gucken und das Vuvufurza-frei. Man ist ja so dankbar in diesen Tagen: für etwas Ruhe, etwas Sonne, für ehrliches Spiel und kein falsches, für sportliche Abende, mannschaftliches Zusammenrücken und Getränke. Rudi Kargus, ja genau, der Ex-Nationaltorwart, malt heuer expressiv wie ein Titan der Pinsel, und Ulf Harten (ja genau, der von Nillosan) wringt nach herben Verlusten klassische Panini-Alben aus seinem Gedächtnis. Er könnte die Bilder montags tauschen gehen, aber ich würde sie nicht hergeben wollen.
Die Stimmung wie immer prächtig, die Gegengerade bis zur Straße hin gefüllt, ausgelassene Stimmung auf den Rängen, wildfremde Menschen lagen sich in den Armen, tauschten verschwitzte Trikots... aber da wußten wir noch nichts vom Serbien-Spiel. Auch das dauerte seine 90 Minuten, die Ausstellung ist bis zum 3.7. zu sehen.
(Rudi Kargus & Ulf Harten. "Alles Eiteljoerge". Feinkunst Krüger, Hamburg. Bis zum 3.7.2010)

Mittwoch, 16. Juni 2010


Letzte Woche wurde in Hamburg darüber diskutiert, wie die regelmäßigen und von mir bewunderten Fahrradexkursionen des Herrn Kelly zu beurteilen sind. Mit seiner Gefährtin ist er dann mal eben vier, fünf Stunden unterwegs, besichtigt Gehöfte und Museen, führt Gespräche, liest währenddessen ein, zwei Bücher, macht viele Fotos und hat am Ende 65 km auf dem Tacho und einen ausführlichen Blogbeitrag zusammen. Doch, kann man schaffen, hieß es. Ich wies darauf hin, bislang gerade mal auf 42 Km gekommen und anschließend halb tot die Treppen zu meinem Leuchtturm hinaufgewankt zu sein. Aber gut, mein fliegender Holländer ist aus massivem Eisen und dazu habe ich immer Gegenwind, also ein echtes Radfahrerproblem. Nun gibt es aber nur zwei Dinge, die mir ein begeistertes Flackern in die Augen zaubern können. Über das eine kann ich vor 22.00 Uhr in diesem Internetz nichts schreiben, und das andere sind: Probleme. Man gebe mir etwas Geheimnisvolles, Herausforderndes, ein zickendes Linux-System etwa oder andere Dinge, von denen ich keine Ahnung habe, und sieht mich über Stunden abgetaucht, bis ich am Ende, erschöpft, aber glücklich mit dem Sicherheitscode für die deutschen Goldreserven wieder auftauche. Linux geht dann möglicherweise (aber nicht zwingend!) immer noch nicht, aber ich fühle mich trotzdem wie ein reicher Mann.

Als kleines Trainingslager vor dem Auftaktspiel der deutschen Mannschaft galt es dieser Tage, die magische Grenze zu knacken. Das Ziel war ein mythischer Ort, die Bunthäuser Spitze nämlich, wo sich Norder- und Süderelbe trennen, ein Umstand, der hier in der Gegend leider nur unzulänglich gewürdigt wird. Das Wetter umhüllte den Tag sonnig bis grau, auf den langgezogenen Industriestraßen (dabei immer diesen elenden Kalauer im Ohr, "Heute/fahr'n wir durch die Peute/Ja, wir..." zur Melodie eines bekannten Schlagers von Tony Marshall) natürlich wieder nur Gegenwind, dazu mischten sich Geruchswolken ungeklärter Schadstoffgrenzen, die mich auch gleich so benebelten, daß ich ab und an in die Irre fuhr - Hauptsache aber, der Kilometerzähler addierte fein mit.

Irgendwann fährt man aber gemütlich am Deich lang, dazu der Geruch von frischgemähtem Gras in der Nase, ein Versprechen auf Sommer also, links und rechts ducken sich an kleinen Anliegerwegen hübsche alte Bauernhäuser, kauern dort unter reetgedeckten Dächern, blinzeln mit einzelnen Fenstern zum Deichweg herüber, der weiterführt - an Kaffee und Kuchen vorbei - bis die Spitze erreicht ist. Der Ort selber ist eher unspektakulär: Der Leuchtturm hat die Höhe einer ordentlichen Bibliotheksleiter, von dort aus sieht man das Wasser, wie es linksheröm und rechtsheröm vorbeiströmt. Wo anderswo ein Deutsches Eck gebaut oder sich eine leichtbekleidete Blondine das Haar kämmen würde, um Schiffer und Radler zu verwirren, hält der protestantische Norden nur schlichte Binsen bereit (es mag sich auch um Schilf handeln), dahinter dann Wasser. Mehr aber nicht.

"Ich weiß nicht, was soll es bedeuten", wispert der Heine in mir, aber weiter geht's, Ausflugsgruppen grüßend Richtung Stillhorn und der A1, die Autobahn, die Wilhelmsburg fast unüberwindbar entzweischneidet. Fast unsicher ob der richtigen Richtung geworden, radelt auf einmal ein Mädchen auf einem schicken Elektra an mir vorbei. Wo so ein Rad hinfährt, kann es falsch gar nicht sein, denke ich mir, und fahre entspannt hinterher (Mit "Im Wagen vor mir" einen weiteren doofen Schlager im Ohr), habe sie aber bald verloren, bloß, weil ich mal kurz auf die Karte gucken wollte. Story of my life. Irgendwo nach Neuland führt der Weg, ein sprechender Name womöglich, entdeckt habe ich dort aber nur Wasserski auf einem Baggersee. Auch so ein Sport.

Im Moment, als die Anzeige umsprang, erschallten Engelstrompeten, die sich, es wird niemanden wundern, als südafrikanische Kulturplastiktröten herausstellten.
Der Rückweg dann mehr ein Kampf gegen die Uhr. Efeuumrankte Backsteinhäuschen, mißtrauische Stiere auf einer Weide, der Singsang der Vögel als letzter Gruß, eine Mehlschwalbe eilt mir voran, wie dem Ancient Mariner ein Albatroß, winkt mich weiter nach Wilhelmsburg über die alte Harburger Elbbrücke, ein erstaunlicherweise erhaltenes, über hundert Jahre altes Bauwerk. Die Luft füllt sich wieder mit den Ausdünstungen von Baustoffen, Gewürzen, Recyclinghöfen, die bemerkenswerte Mischung des Hafengebiets, über die - anders als über die Berliner Luft - noch kein Schlager verfaßt wurde. Die 50 Km nehme ich achselzuckend zur Kenntnis, denn längst tritt es sich wie von selbst. Bei 58 indes hätte ich zu Hause sein können und sehr, sehr gerne auch wollen, aber ein letzter... kleiner... Umweg... mußte noch sein. Die 60 springt um, olé, olé, olé olééé´, ich könnte jetzt locker noch... Aber nach fast fünf Stunden kann man es gut sein lassen. Ich halte fest: Es ist tatsächlich machbar, auch mit dem Holländer, der sich nicht als verflucht erwies - das Kap der 60 ist umrundet. Eine nette Tour, auf der ich mit erstaunlich vielen Menschen sprach, mit welchen, die nach dem Weg fragten, mit anderen, die irgendwo an ihren Booten schmirgelten und zuletzt auf der Elbbrücke mit zwei jungen Damen in schwarzrotgoldener Fanmontur, die vorbeirasende Autofahrer animierten und auf das große Spiel einstimmten. Doch ich muß weiter, ich lege nur alle sieben Jahre an.

Montag, 14. Juni 2010

Jetzt im Angebot: Das Züchtigungsset. Für den kleinen Klaps für junges Gemüse. Nur 49 Cents. Und das beste: Haften bleibt nichts!
