Kann also weitergehen




Schon wieder Endspiel, verschminkte Schlaaandmädchen, Podolski-Prinzen und andere Lahme schweinsteigern in die U-Bahnen, auf dem Weg zu den öffentlichen Zuschauplätzen. Ich hingegen steige hinab in den Musik- und Wortspielkeller, dort, im Starclub-Cavern, wo Delling & The Netzers ihre Hamburger Gehversuche neben alten Beatlesplakaten, gleich neben einem Gretsch-Schlagzeug starten. Das mal für die Geschichtsbücher.

Qualm, Bier, weitere Schlaaandmenschen, die ständig "Make Schau! Make Schau!" brüllen, denn im Spiel, ein weiterer Wortspiel-Dur-7-Akkord, ist irgendwie keine Musik drin. Stolpern, schachern, Ball verspringen - aber wie sagte der englische Philosoph Gary Lineker einst: "Fußball dauert 90 Minuten, und am Ende gewinnen die Deutschen."

Ein Migrationsspieler haut Schicksal-, Scham- und Schande-Schlagzeilen von den Titelseiten, erspart unserem Knabenchor das Tingeln durch Ostseebäder und über Sommerfeste und schießt die Kapelle weit an den Les Bleus vorbei in die Top16. Mit Özil zum Hit.

Weiteres Bier, Tuuut-tuuut und Tröööt-tröööt auf den Straßen und hinter Fahnengardinen hervor, und dann schiebt glücksstrahlend eine junge Farbige im schwarzweißen Deutschland-Trikot an uns vorbei, ruft begeistert "Ghana, yeah!" und trötet befreit in ihre Vuvuzela. Das sind dann diese kleinen Momente, wenn sich der ganze Nationalitätenirrsinn für einen Moment verwischt, wie Fab-Four-Musik im Remix.

Tentakel | 12:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
prieditis - Donnerstag, 24. Juni 2010, 12:56
Der nationale Irrsinn, ich gebe es zu, dauert bei mir 2 x 45 Minuten. Danach ist gut. Und wenn die Niederlande ggn. Deutschland spielen, dann muss ich zuvor Münze werfen. Am Sonntag bestimmt auch...

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kid37 - Donnerstag, 24. Juni 2010, 13:18
Anlässe sind ja gerne mal egal, solange man ungestraft Lärm machen kann. So wie der Nachbar, dessen trunkenes Vuvuzela-Furzen kläglich durch die Nacht winselte.

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nnier - Donnerstag, 24. Juni 2010, 12:58
Wie man hört, kann das mit den Ostseefesten und Sommerbädern trotzdem kommen, aber so ein Konzert von Mesut Ö. & His All-Starr-Band vor 2000 Zuschauern kann auch sehr schön sein.

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kid37 - Donnerstag, 24. Juni 2010, 13:15
Warten wir's ab. In 20 Jahren lesen dickbäuchige Blogger in Eckernförde aus ihren alten Texten. Obwohl, dickbäuchig sind wir ja jetzt schon alle. Dann eben grauhaarig.

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kristof - Donnerstag, 24. Juni 2010, 15:33
"Make Schau"?

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nnier - Donnerstag, 24. Juni 2010, 15:41
Zu Deutsch: Mach Schau!

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prieditis - Donnerstag, 24. Juni 2010, 15:47
"Warschau!" wäre öfter angebracht gewesen...

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kristof - Donnerstag, 24. Juni 2010, 18:51
Ah! Wieder was gelernt.

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textorama - Freitag, 25. Juni 2010, 12:12
Ja dieser englische Filosof hat nicht unrecht. Gewonnen wird auf jeden Fall was: Das Spiel und / oder Erfahrung.
Allerdings spielt eine Statistik dagegen (aufgeschnappt, nicht verbürgt): 10 Siege, 6 Unentschieden und 15 mal Gesichtsverlust den Engländern gegenüber. Ich treffe keine Aussage dazu, denn die würde das Ergebnis verfälschen.

Was die afrikanischen Furztröte angeht, so habe ich denen gegenüber fast eine ebenso große Abneigung gegenüber entwickelt wie dem Fussballgedöhns (– nicht das Spiel selbst). Ich selbst halte da ein australisches Aerophon dagegen. Das irritiert die Nachbarn und klingt viel besser und abwechslungsreicher.

Für Rennradler hat so eine WM auch was Gutes: die Straßen sind vorübergehend deutlich leerer.

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kid37 - Freitag, 25. Juni 2010, 13:31
Während der Deutschlandspiele kann man auf großen Straßen sogar Flanierradeln, allerdings dauert auch dieser Spaß nur 90 Minuten, und am Ende gewinnen die Autos. Die Statistik mag stimmen, ich vermute aber, daß es bei den wichtigen Spielen leicht anders aussieht und ich glaube auch nicht, daß Herr Lineker ausschließlich Begegnungen zwischen England und Deutschland (oder "ze Fritz" wie es in der Boulevardblattsprache seine Landes heißt) im Sinn hatte. Sie haben es jedenfalls nicht leicht: "Es ist schwer, ihre traurigen und hoffnungslosen Gesichter zu sehen." [Q]

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