Mittwoch, 7. April 2010


Mit Rost wohnen



Abends flüchte ich müde in mein kleines Haus. Eine Denkkuppel, sage ich scherzhaft, ein schneller Brüter für Aliengelege, eine Fluchtkapsel ins Weltall, für den Tag der eigenen Himmelfahrt. Eine Kleingartenlaube spotten andere, die nichts wissen von den unterirdischen Verzweigungen, den Stollen und Schächten, die hinab in die Erde führen, sich wie ein Ameisennest in die Tiefe bohren zu geheimen Labors und verwinkelten Kammern. Ein Traum wäre es andererseits, in diesen Türmen zu wohnen, hoch über den Wellen und fern jeden Gestades, das monotone Klongklongklong der rostigen Platten, ihr Ächzen im Wind als einziger Singsang. In der Schule schnitt ich immer die Anzeigen aus, die eine Arbeit offerierten auf den Ölplattformen draußen vor der Küste, wahrer Lohn für wahre Arbeit. In drei Monaten hätte ich ein Jahresgehalt verdient. Bis mir einer sagte, man brauche dort Kerle für die Sechszehnstundenschichten, kräftige Männer, die schwere Zangen halten konnten und keine Dichter mit Füllfederhaltern. Enttäuschung.


 


Sonntag, 4. April 2010


Urbi @ Orbi

I am the sword, the wound, the stain.
Scorned transfigured child of Cain.

(Patti Smith, "Easter")



Es gibt ja so Tage, da sprechen sich Menschen aus meinem Umfeld mit einer gewissen Heimtücke ab, einzig dem Ziele verpflichtet, mich zu beschämen. Kill him with kindness kichern sie, versteckt hinter irgendeinem Gebüsch oder brennenden Feuer und warten auf den Moment, da ich mittags morgens die Türe öffne, um überrascht den Stiefel reinzuholen. Die sehr schöne Frau™, die sich beschwert, daß ich ihre Witze in meinem Blog verwende, ohne das Zitat kenntlich zu machen, und findet, daß ich somit fast schlimmer als die Hegemann sei, sendet ein Lamm, das auf dem Transportweg leider ein wenig gelitten hat (der Kreuzweg des Lammes), aber mir nachher sicher köstlich und schweigend entgegenbluten wird. Ein bloß willkürlich herausgehobenes Beispiel.

Ein großes Melden dieser Tage, ich bin ganz zerknirscht ob meiner eigenen Schweigsamkeit, fühle mich aber bereits hinreichend in die Ecke gedrängt. Seit gestern abend stehe ich nämlich wie festgenagelt in meiner Küche, ein neues kleines Regal an die Wand pressend - der Herr hat zu groß gebohrt, die Dübel wollen nicht halten. Das hätte unserem lieben Herrn J. einst passieren sollen. Nehmt also solange meinen Segen.

>>> Webseite zum Tage: Bunnylicious


 


Freitag, 2. April 2010


Anradeln







Ein Karfreitag mit Osterwetter, also statt Kreuz- lieber Radwege benutzt, bewegtes Auslüften, erst ein bißchen kreuz (dann doch!) und quer, plötzlich sich unten an der Elbe wiedergefunden, ein Herr Sakana-Gedächtnisbild gemacht und dann aber weiter, Schleuse, Rumpelwege, Spadenland. Das schnurrt ganz gut, der Motor läuft ruhig, die Richtung zeigt irgendwas mit Süden und sofort stellen Ausbruchsgedanken sich ein. Tierwelt, Wandergruppen - man ist allein nicht auf der Welt und sei es auch in noch so öder Natur. Plattes Land, irgendwo ein See, links Segler, rechts Dauercamper. An den Straßenrändern rotverklinkerte Einfamilienträume, davor weht die blaue Raute, auch wenn die Orte auf "Wisch" und "Werder" enden.

Irgendwo ein Brot gemümmelt, radelnde Rentner winken vorbei, Anhängerkonstruktionen mit Bier und Feuerholz beladen, morgen geht das große Igelverbrennen los und die heimliche Sondermüllentsorgung. Zyklen und Zyklisten, ein Pferdemädchen lacht mich an, da muß was mit diesem Frühling sein, bald geht das Geblühe los, ich lenke den Holländer vorbei, durch Mist und Schorf und Acker, weiter über die Panzerspuren, die Traktorwege. Kilometer macht man damit nicht, aber fünf Stunden später weiß ich, was Beine sind. "Der Junge hat Farbe gekriegt", würde meine Großmutter sagen, so wie sie halt sprechen, in der dritten Person. Der Junge macht jetzt mal Abendbrot.


 


Mittwoch, 31. März 2010


Oder 'ne Münze werfen



Es gibt ja diese Tage, an denen hält man plötzlich einen Ball in den Händen, kann ihn spielen oder auch überhaupt nicht, und wenn, dann in diese oder auch jene Ecke werfen. Der Platz ist begrenzt aus den Linien der Entscheidungsfreiheit, der Pflicht, der Neigung, der guten und der bösen Sitten. Der Tag also, an dem es heißt, professionell kühl bleiben zu müssen, wenn sich die kleine gemeine oder auch schöne Gelegenheit ergibt. Wenn Hop oder Top einen Schalterdruck auseinanderliegen. Natürlich sind die Folgen viel zu belanglos, um überhaupt über Folgen zu reden. Aber man kann kurz einmal nachdenken, sich selbst beobachten, diese seismographischen Ausschläge zwischen Schulterzucken und Niedertracht, sich die abgeflexten Hörnchen reiben, ein süffisantes Grinsen aufsetzen oder einfach ganz kalt bleiben. Mal nach innen hören. Und einfach so weitermachen, als sei nichts. Weil der Gedanke an die Tat oft reizvoller ist als die Tat. Es ist bloß ein Job, und ich erledige ihn gewissenhaft.


 


Montag, 29. März 2010


...muss schwimmen




Freitag nach Ende einer weiteren Komprimierungswoche durch Sturm und Regen schnell noch beim Café Smögen vorbeigekreuzt. Frau Fishy, zur großen Freude in der Stadt, hatte mir freundlicherweise einen Stuhl freigehalten, man findet ja sonst oft als nassgeregneter Matrose keinen Liegeplatz mehr. Also fix aus dem Ölzeug geschält und Herrn Bogdans musikalischen Ausführungen zum Thema schwere See und heitere Not gelauscht.

Der Besuch hat nicht das beste Wetter zur Stadterkundung erwischt, da muß man dann aber durch, von Bewirtungsstätte zu Bewirtungsstätte schwimmen, sich anstemmen gegen Kapriolen und blinkende Lichter. Wo ich bin, ist immer..., das kann man schließlich wissen. "Der Frost und die Frauen bringen die Männer um", heißt es bei Bernhard. Daher des Sonntags bloß ordnender Tau oder vorfrühlingshafte Ödnis: Belege ordnen, Akten sortieren, Ausweichstrategien gegen Steuerunterlagen erfinden - Politur mit einem Pinsel satt auftragen, zusehen, wie es einzieht in durstiges Holz.


 


Donnerstag, 25. März 2010


Sich erstmal entwickeln



Erst Donnerstag und schon Träume von le week-end. Draußen lockt die Sonne selbst misanthropische Langsamdenker wie mich zu einer Art Nichtstun (während daheim schon wieder Elstern warten, Diebsgedanken im Hirn und jede ihr eigenes Fluchtfahrzeug). Ich freue mich über Blumen, aus hartverknospeten Wintermänteln brechen wie frischgemilchte Leiber hervor, wir lüften aus, wir sind Bewegung.

Aber nur bis zur nächsten Sonnenterrasse.


 


Mittwoch, 24. März 2010


Mondo Amburgo Cane

Die Abende werden milder, endlich macht auch das Ausgehen in Hamburg wieder Spaß. Der Ausschnitt aus der teilweise berüchtigten, aber irgendwie anrührenden Dokumentation Mondo Cane zeigt das Nachtleben dieser Stadt, wie es sich seit den 60ern ja eigentlich nur maßvoll verändert hat. Bei 2:10 sieht man beispielsweise mich, wie ich den Kopf zum Nachdenken auf den Tresen lege. Heute allerdings raucht mir der Kopf, und das Stampfen der Maschinen ist kaum zu ertragen.

(Mondo Cane. Italien, 1962. Regie: Gualtiero Jacopetti, Franco Prosperi.)

via Rollinger

Super 8 | von kid37 um 12:45h | 10 mal Zuspruch | Kondolieren | Link