Donnerstag, 2. Juli 2009


Anhang, meine Worte



Durchstromern, dunkel zerfranst wie der Textschatten aus einem Trinkerhandbuch. Sich selbst begraben an der Biegung einer verlorenen Schotterstraße, still stehen und nachdenken über Abgestelltes. Wo immer du auch sein magst, dort bist du dann lauten die letzten telegraphisch übermittelten Sätze, hier endet jetzt die Straße und versuch es gar nicht erst mit Umkehr. Jedermann seine eigene Reisetasche, proklamiere ich, vollgefüllt mit Seife, Handtuch und einem frischen Satz Leibwäsche. Lakonische Untertreibung, gefährliche Strömung, Erinnerungsfugen, rauf- und runtergeklimpert wie ein mit einem billigen Handtuch behängter alternder Popstar, an dem die zwei, drei Hits kleben wie Kaugummi.

Ein knirschendes Kleid aus brüchiger Teerpappe, mühsam mechanisch bewegen wir uns wie Papproboter durch einen Mischwald. Klong, klong, klong schlagen wir den Takt auf den Boden zerbeulter Milchtöpfe, mein Liebling, ruf ich, sieh die tanzenden Lampions, ein Girlandenfest, sieh die einsame Lichtung, die Stelle, die keiner mehr findet, bis zu der keiner mehr mitliest. Versteckt wie ein heimtückisch erdachter Passus im Arbeitsvertrag liegt sie da - die Schonung, das Kinderbeet, dort wo man hinaustritt in eine Sonne, sich auszieht, entkleidet, nackt gegenübertritt, einer Idee, einer Vorstellung, einem anderen Selbst. Seinem Mörder.


 


Dienstag, 30. Juni 2009


Das war das Café Müller

Sie wurde erst verlacht, von manchen sogar gehasst. Es dauerte lange - und natürlich brauchte es die Erfolge im Ausland - bis die Wuppertaler anfingen sie zu lieben. Vor einigen Tagen mußte ich an sie denken, als mir eine Freundin schrieb, sie ginge jetzt zu Pina Bausch. Wie man das so sagte. Man ging nicht "ins Schauspielhaus". Man ging zu Pina.

A Coffee with Pina


 


Montag, 29. Juni 2009


Flagge hissen



Eine anstrengende Woche. Die Verkehrsbetriebe zeigen ihr unangenehmes Gesicht, Ohnmacht vor dem kafkaesken Beamtenapparat, so Kram halt, wie man hier sagt, was könnte man sich bloggend echauffieren, wäre Empörungsbloggen nicht so 2006. Wie schön, wenn dann die Großsegel der Miagolare-Brigg im Hafen auftauchen, an Bord einen Haufen anderer Gedanken und Grüße vom Rhein.

Matrosen der Herzen, so tuckern wir elbabwärts, erklimmen die Treppen, trotzen dem Regen, der uns aus dem Osten verfolgt, und winken ihm was. In der S-Bahn fange ich an, mich unter den erstaunten Blicken der Blankeneser Bevölkerung auszuziehen, kurz an der Freiheit lecken, wie leicht vergißt man die bloß übergestülpte nordische Zurückhaltung, dabei wollte ich bloß was Wärmeres unterziehen.

Auf dem Weg zum Essen bei Herrn Krüger untergeschlüpft. Der zeigt zur Zeit viel Buntes vom humorvollen Martin Nill, dessen "Wohnzimmermuseum" ich hier einst lobend erwähnte. (Hui, wie die Zeit vergeht.) Kein Grund, hier Rätsel auszusprechen: die kleinen hintergründigen, boshaften, derben, traurigen und oft einfach nur putzigen Skulpturen sollte man sich selbst ansehen. Hier gibt es ein paar Bilder. Bankkarte nicht vergessen, ihr werdet das alles haben wollen.

Wasser, Kunst und dicke Schiffe. Am Ende haben wir noch sehr gelacht. Kaperbilanz ganz ohne Blendlaternen.

Im Ohr, etwas mit Autumn. Der Klang der Nacht.


 


Samstag, 27. Juni 2009


When we were fab

Nicht mehr wirklich lange, und dann sind das auch bald 30 Jahre. Das Zurechtmachen, im Haar zupfen, Linien rasieren, Hemden wählen, die feuchte Nachtluft atmen. Unten im Wagen dann die Kassette reinschieben, sich die Stadt rauswinden Richtung Autobahn. Blaue Schilder, weiße Pfeile, verwischende Lichter. Die Losung ausrufen, Zeche, Logo, Aratta. Ins Dunkel fahren, einer kaputten Zukunft entgegen, immer erwartungsvoll, vor Augen die Rhythmik des Mittelstreifens, in der Nase Benzin und Zigarettenrauch, im Lautsprecher das Thema für große Städte.

Radau | von kid37 um 01:03h | 15 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 25. Juni 2009


Hermeneutische Kanoniker

+++ So. Jetzt Klagenfurt.

"Expressionismus". Aha. Nachlässig rasiert, würde ich sagen. Wer ist diese Frau, die gerade von ihrem Job als Fahrradkurierin kommt? Schwarzes T-Shirt, schwarze Joppe, ich muß das gleich mal nachlesen. Ein bißchen dies ("Materialismus"), ein bißchen das ("Kafka-Vokabular"). Dann Burkhard Spinnen: "Etüde". Vernichtung. U-hu. Engel der Vernichtung. Jetzt muß ich erst einmal arbeiten. +++


 


Mittwoch, 24. Juni 2009


Ganz von selbst




Das Altonaer Museum ist ein Heimatmuseum mit Sammelstücken der Region, Bauernkaten, eingerichteten Wohnstuben, alten Kramerläden, einer maritimen Abteilung mit Harpunen, Schiffsmodellen und einer alten Bootsbauwerkstatt, dazu Stadtgeschichtliches und die hochinteressante Sammlung optischer Geräte von Werner Nekes. Derzeit gibt es viel Schmuggelware, Hafenromantisches und Historisches zu Wal- und Fischfang zu sehen. Dazu gesellt sich eine kleine, aber sehr rührige fotografische Abteilung, die in den letzten Jahren immer wieder schwer interessante Ausstellungen auf die Beine stellte. Ich erinnere nur an die Bakterienbilder von Edgar Lissel.




Die Ausstellung Ich 1:1 bietet, man sagt das ja oft sehr leicht, wirklich einzigartige Bilder. Fotounikate aus der von Werner Kraus und Erhard Hössle entwickelten Kamera, für die der Begriff "Großformat" nicht wirklich ausreicht. Die Bilder entstehen ohne jede weitere Bearbeitung oder Vergrößerung im Maßstab 1:1. Ganzkörper-Selbstporträts wie gemalt. Die Kamera selbst steht in Berlin, vielleicht, so war es zu lesen, wird es einmal eine mobile Version geben. In einem Umkehrspiegel kann man aber schon einmal den seitenrichtigen Blick reflektieren: Ein besonderer Reiz, die ganze Gestalt zu erfassen und sich selbst zu gestalten.




Um Selbstinszenierung und Selbstauflösung geht es in der zweiten Ausstellung, die parallel gezeigt wird. Johanna Manke hat in sehr stilvoll ausgearbeiteten Bildern kindliche und jugendliche Lebenswelten nachgestellt, sehr stimmungsvoll, ruhig, fern der grellen, schrillen Schnappschußästhetik um Yo-Kids!, zeitlosere Einblicke in die fragilen Bruchstellen beim Erwachsenwerden, wenn man beginnt, sich abzunabeln, selbst zu endecken, die Verletzlichkeit schützt. Im Besucherbuch der Ausstellung finden sich wie zum Beweis ganz reizende Einträge, die das Thema aufgreifen.


Ok, Hannah. Von Zeit zu Zeit schauen wir nach und stellen einen Teller mit Käsebroten Keksen vor die Tür.

(Erste Liebe - Geheime Orte. Fotoarbeiten von Johanna Manke und Ich 1:1 Portraits aus der größten Kamera der Welt. Altonaer Museum, Hamburg. Bis 27. September 2009.)


 


Montag, 22. Juni 2009


Weitere Blumen, Gesinnung unbekannt

Mag das Wetter unbeständig sein und von eisig, regnerisch und schönster Sonne alle Orgelregister ziehen - raus kann man trotzdem, zumal zur Sonnenwende der Abschluß der Altonale lockt. Es lohnt sich bei solchen Veranstaltungen, ein paar Schleich- und Umwege zu gehen, an den dichtesten Menschentrauben vorbei, ehe man Zustände bekommt oder unversehens auf dem Mittelaltermarkt landet. Es ist zum Glück jedoch, ein Lob der Vielfalt, für jeden was dabei. Wie ein Netz aus Ameisenstraßen wuselt und wimmelt es mal in diese Gasse, mal in jene Twiete, immer auf der Suche nach Vergnügen - so jedenfalls darf vermutet werden. An den schöneren Straßenrändern werden Sardinen gegrillt, mit ernstem Gesicht noch ernsterer Tango gespielt, Kunst & Handwerk ausgebreitet und die freien Plätze insgesamt sehr wohnlich gemacht.

Am Stand der Station 17 ein bißchen eingekauft, dann einem alten Mann mit hörbar ostpreußischen Akzent ein ebenfalls altes Voltmeter abgehandelt. "Könnte aus einem U-Boot stammen", vermutete der freundliche Herr. Möglich ist es, immerhin ist es von innen ein wenig mit Wasser beschlagen. Da ich ab und an unter starker Spannung stehe, benötige ich so etwas. Nur falls sich jemand fragt. V für Victory, an Bord meiner Nautilus macht sich auch ein wenig Literatur sehr gut, die Besatzung will belesen sein. Leider fand sich nur bekanntes, aber solche Bücher sind ja wie kleine verlassene Kätzchen, die einem vom Boden eines Pappkartons her anmaunzen, und können folglich nicht zurückgelassen werden. Nachher, man hört immer wieder davon, landen die dann im Wasser, nur weil sie keiner wollte - und dann ist kein U-Boot, nichts, kein niemand, in der Näh’.

So war das.