
Donnerstag, 16. Juli 2009
Eigentlich wäre es ein Fall für die mit zuckerübergossener Hingabe verehrten Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr gewesen, zeichnet sich die gemeine Fliege doch als ungewöhnlich anhänglicher, gleichwohl nicht immer heiterer Sommerbegleiter aus. Allein - die Zeit. Die fehlt. Als dieses feiste Exemplar auf meiner Fensterbank verstarb, schien es mir mehr Zeichen und Hinweis auf das stete Bzz Bzz Bzz IN MEINEM KOPF zu sein, das mich den ganzen Tag schon begleitet. Gleich der unermüdlich hartnäckigen Muscida nämlich, die mit penetrantem Geräusch einen Leckerbissen streitbar macht oder nur dumpf wie ein Mittags-Talkshow-Gast gegen eine Scheibe brummelt, zerrt der beruflich veranlaßte Kontakt zu einem Kölner Fernsehfrequenzbefüller seit heute Morgen schwer an meinen Nerven. DIE GEHEN MIR AUF DEN SENDER, möchte man - unterlegt von einem ungewöhnlich hochfrequenten, aggressiven Ton - laut aus dem Fenster rufen, lockte man damit nicht gleich auch die Fliegen wieder herein. Bzz, bzz, bzz, summt es also weiter, während widersprüchliche Meldungen meinen Schreibtisch erreichen und mich wie ein Huhn aus der Suppe scheuchen. Denn dort ist ja jetzt schon die Fliege drin.

Dienstag, 14. Juli 2009
Man soll nicht kleinlich sein. Ist ja nicht so als stünde hier nicht auch eine Menge Quatsch. Also solchen, den ich gar nicht als Quatsch meinte. Flüchtigkeitsfehler, Aufmerksamkeitsapnoe, Wurstfinger auf der Tastatur, Schwächen mit der Grammatik und Rechtschreibung, schiere Unwissenheit, Halbgebildetentum - geschenkt. Ich bin ja auch nur ein Blogger, einer aus jener Gruppe Internetschreiber also, über die ein berühmter Berliner Blogger mal in einer großen Zeitung notierte, die schrieben halt, nun ja, Quatsch. Über vieles liest man also hüben wie drüben stillschweigend hinweg. Eine Grenze jedoch ist erreicht - und ich spreche von unverrückbaren Leitlinien der Generation Dings - , wenn es sich um die ureigenen Themenreviere der Internettagebuchbefüller handelt: Katzen-Content.
Jetzt mal neugierig nachgefragt, lieber Spon, und ich schnurr das auch recht kläglich: Was bitte ist an 380 Hz "hochfrequent"? Entschuldigung, "ungewöhnlich hochfrequent"? Neulich dümpelte bereits diese angeblich echte "Surimi-Garnele", die ihr in Formeiweiß vermißt, durch eure Seiten, jetzt meldet sich diese spezielle Spiegel-Physik zu Wort. Ich erzeuge mal eben mit meiner rostigen Stimmgabel einen 380-Hz-Ton, rrrrrrr, und bitte um eine Erläuterung. Vielleicht könnte man diese Frequenz auch zum Blogger-Kammerton erklären und das schräge Orchester der Kaltmamsell danach stimmen. Miau.
>>> Die Pressemitteilung der University of Sussex, leider ohne den Hinweis auf die genauen Frequenzen.

Montag, 13. Juli 2009
My garments all were dank;
Sure I had drunken in my dreams,
And still my body drank.
(Samuel Taylor Coleridge,
"The Rime of the Ancient Mariner". 1798.)
Einen wilden Mann kann man nicht halten, sang schon Bernadette La Hengst, und so schwang ich mich trotz schwarzer Wolken am Himmel aufs Rad, die Ballade vom Ancient Mariner auf den Lippen wie Salzgeschmack, ewig muß ich wandern, ein verbissen Getriebener, wenn auch nur mit Nabenschaltung.
Immer weiter nach Süden, über die kleinen Brücken, über die große Brücke, hinein in die halbstillen Gewerbegebiete links und rechts des Freihafens, dort wo sich Recyclingbetriebe und Baustoffhandlungen aufgestellt haben. An den Rändern der sonntagsberuhigten Piste stehen polnische Trucks aufgereiht, die Fahrer, Stanislaw und Pawel, so weisen sie die Beschriftungen ihrer Fahrerkabinen aus, haben sich mit Klappstühlen und einem Grill um einen Laster versammelt, spielen Karten, trinken ihr Bier und sehen das Wetter nicht, das mir folgt wie ein Schatten.
Irgendwann, irgendwo - meine veraltete Straßenkarte zeigt Wege, die es längst nicht mehr gibt - bricht der Regen los, steigert sich vom angenehmen Tropfen in einen unermüdlich unerbittlichen Wasserfall, die schwarze Wolke über mir grinst, ich rufe: "Selber!" und stelle den Kragen meiner Jacke hoch, die längst schon naß und dunkel ist. Zurück sind's Kilometer, nach vorne auch, also weiter, immer weiter, es muß ja immer weitergehen. Was würde Rüdiger Nehberg tun? denke ich, während über mir ein sehr großer Vogel kreist, ein Albatros vielleicht, der Racheengel seines vor Jahrhunderten aus Übermut getöteten Gefährten.
I looked to heaven, and tried to pray;
But or ever a prayer had gusht,
A wicked whisper came, and made
My heart as dry as dust.
Irgendwann lande ich in einem Wendehammer, ein einzelner Wassertropfen bahnt sich seinen Weg meinen Rücken hinunter, während ich die sich langsam auflösende Karte studiere. Von wegen Soundso-Twiete, die rechtsrum auf die Parallelstraße führt. Das war vielleicht mal, damals, als fleißige Skriptoren in irgendeinem Mittelalterkloster diesen Stadtplan zeichneten. Nun starren mit rostigen Eisenketten versperrte Tore mir abweisender entgegen als eine verärgerte Zufallsbekanntschaft. Irgendwo bölkt höhnisch ein Albatros - oder was immer auch Albatrosse machen, wenn sie höhnisch sein wollen. "Man will nicht in den Wald hineinradeln und dort eine Lücke haben!" rufe ich, weil ich diesen Satz neulich irgendwo aufgeschnappt und als sehr modern empfunden hatte. Ich wende das bockige Rad, water, water everywhere, aber kein Wind in den Segeln, und lege den neuen Kurs fest.
Gleich hinter den Elbbrücken klart der Himmel wieder auf, das Werk war getan, meine Äquatortaufe absolviert. Meine Haare sind naß, meine Klamotten sind naß, in meinem Mundwinkel klebt ein kleiner Fisch. Die Laune jedoch bleibt unverklärt. Der Herbst ist da, Freunde. Jetzt kommt die schöne Zeit.

Sonntag, 12. Juli 2009
Wie ich gestern feststellen mußte, bin ich nicht Deutschlands bekanntester Blogger, diese Stelle ist nun offiziell vergeben, aber dafür, so dachte ich im Stillen, bekanntlich Deutschlands ausgelassenster. Heute nämlich fühlte ich mich irgendwann wie Carter the unstoppable Se Fun-Machine, als meinen Weg Menschen mit roten Irokesen, blauen Bobs und pinken Planet-Claire-Frisuren säumten; ach, so schien mir erst, da war wohl gestern etwas im Absinth. Von vorbeifahrenden Trucks herab schallte es "Anton! Anton!" und irgendwas mit Tirol. Die sind ja bekanntlich lustig - und auch froh - und so wollte ich, dem bekannten Ausruf einer noch bekannteren Bloggerin folgend schon "Hossa!" rufen, hielt mich aber im letzten Moment zurück. Nachher wird man erkannt, dann heißt es wieder in Blogs, da stand auch so ein Man in Black mit seiner kleinen Kamera und verzog keine Miene - bis er plötzlich Hossa! rief, und wie albern ist der das denn? So albern wie man kann, schätze ich. Hamburger, dachte ich, des Denkens noch nicht müde, da hätte ich aber auch im Rheinland bleiben können, wenn ihr hier so was macht. Immer wieder erstaunlich, diese Norddeutschen. Tun so als hätten sie ihren unbefangenen Humor auf irgendeiner von der Welt abgeschnittenen Hallig zurückgelassen, aber kaum gibt man ihnen schlechte Musik, schlechte Getränke und eine schlechtsitzende Perücke, wird gebützt und gruppengekuschelt, gegröhlt und auf Tischen getanzt, daß man sich im Kalender verirrt glaubt. "Norddeutsch tun, aber La-Paloma-pfeifen, wa!" rief ich empört, aber inhaltlich völlig unsinnig, da war wohl was im Absinth, aber egal, es geht ja heutzutage nicht darum, eine sinnvolle Meinung zu haben, sondern überhaupt eine und diese auch noch lautstark zu verkünden.
So war ich auch gleich gut Freund mit ein paar Aloha-Blumenketten-behangenen Deerns, die mich zum Schunkeln aufforderten. Die waren - wir sprechen von nachmittags um fünf - schon so promillebeschleunigt, daß man ihnen locker ein paar Mobilfunkverträge hätte andrehen können. Aber wer locker verkaufen will, muß selber erstmal locker werden und nicht so verbissen sein, also sagte ich, nennt mich den Tiger interessierte ich mich für das perückenbunte Getränk in ihrer Mitnehmflasche (Frauen und ihre mitgeführten Getränkeflaschen, ein weites Feld). Was soll ich sagen? Bald spürte ich den Don Pascal in mir, das alte Drängen. Mensch, dachte ich, schon etwas heiter im Gemüt, ich kann es doch noch, da geht doch noch was, ich hab's doch noch drauf, die alten Zeiten sind doch lange nicht passé! Yeah! gröhlten die Görls, Aloha! fraternisierte ich, das ist doch Rhythmus, wo man mitmuß, dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf die Perücke usw. ff. Meine Fresse.
Die U-Bahn später sah aus wie die Auswechselbank nach der zweiten Verlängerung im Pokalfinale. Ausgepumpte, weggetretene Gestalten, Flaschen rollten klong, klong, klong in den Kurven hin und her - und ich fürchte, das geht noch so die ganze Nacht.

Donnerstag, 9. Juli 2009
Zu den entzückendsten Blogprojekten, die ich in letzter Zeit entdeckt habe, zähle ich das begeisternde Atlas Obscura. Dem Forschungsreisenden in Sachen "Was es alles gibt" liegt hier ein Verzeichnis zu den wunderlichsten Orten dieser Welt aus, geheime Plätze, obskure Liegenschaften, Museen des Bizarren und Außergewöhnlichen, Kuriosa und Erstaunliches. Man möchte sofort den Expeditionstornister packen und überhaupt nicht mehr nach Hause zurück.
Man schaue nur dieses Bio-Barometer, eine Erfindung aus dem 19. Jahrhundert. Ein Dr. Merryweather [sic!] kam auf die Idee, Blutegel nicht nur für medizinische Zwecke dienstbar zu machen, sondern ihre Wetterfühligkeit zur Gewittervorhersage einzusetzen. Zieht ein solches herauf, werden die kleinen Biester nämlich unruhig. Da sie über eine Schnur mit einer kleinen Glocke verbunden sind, läutet es immer dringlicher je näher das Gewitter rückt. Ungeheuer praktisch, was dieser viktorianische Kachelmann da erfunden hat, werdet ihr sagen. Ich habe nun weitere Experimente aufgenommen - daher rührt meine temporäre Absenz in diesem Haus - um die agilen Tiere so abzurichten, daß sie nicht nur auf elektrisch geladene Wetterfronten, sondern auch auf eingehende eMails reagieren. Das wird die Kollegen mit ihren schicken neuen Mobiltelefonen hübsch neidisch machen, wenn so ein Gerät auf meiner Werkbank klingelt. Die haben nur eine flache Flunder. Ich habe Post einen Egel.

Dienstag, 7. Juli 2009
Herr Monopixel erinnerte neulich an dieses Lied als Begleiter durch die Nacht, damals, als man mit dem Auto durch die Industriegebiete fuhr, Erwartungen entgegen oder auch nur dem nächsten Tanzlokal. Nun haben wir hier keine Autobahnen, die durch weitläufige Industriegebiete führen, dafür aber einen Hafen und durch den fährt man dann gleich mitsamt dem Tanzlokal.
:Das schrebbelige Video nehme ich nachher wieder raus:
Am Samstag lud Lady Grey zur Kaperfahrt mit ihrer Piratenposse, eine vergnüglich-sentimentale Zeitreise, der man kein Ende wünschte - und gerüchteweise pflügt die Barkasse tatsächlich noch heute als totenkopfbeflaggter Post-Punk-Panzerkreuzer durch die aufgewühlten Wellen.
An Bord prima Stimmung und eine windzerzauste Besatzung, Axel K, Herr Ichichich samt Wirwirwir, Isa und, große freudige Überraschung, Sig. Giardino auf Stippvisite. Und wie schön das ist, wenn man merkt, es paßt, man teilt diesen Raum, man bewegt sich gemeinsam, sieht diese immer wieder aufs Neue berührende Kulisse mit den Lichtern der Kräne und Schiffe, dem Funkenschlag der Schweißarbeiten auf den Docks, läßt sich umhüllen von der Musik, tanzt, singt DAFs Alle Gegen Alle und meint in diesem Moment ganz das Gegenteil, spürt die warme Abendluft, den Geruch von Fluß und Nacht und Hafen.
Auf der Fahrt durch die engeren Kanäle, hallt das Echo von Oasis unter den Brücken, schmuggelt sich unter die rostigen Eisenplatten, die wir über den Herzen tragen. "Don't Look Back in Anger". Es sind diese Augenblicke, in denen man allen verzeihen mag. Dir. Und mir auch.

Freitag, 3. Juli 2009
In einer Viertelstunde bin ich unten am Fluß. Das muß kein Nachteil sein: Dort abends eine Stunde am Wasser sitzen, etwas lesen, etwas Sonne mitnehmen, den Tag abschütteln, noch etwas lesen, die Vögel betrachten, die Skipper in ihren Booten. Die Angler am Ufer, die dort etwas mit Fischen machen, denen ich sonst nur vorlas. Zum Schluß etwas lesen. In den Wolken. Durchatmen. Etwas.
