
Freitag, 29. Februar 2008
Oh. In den letzten Tagen ist der Briefkasten voll mit kleinen Überraschungen, ich bin im hohen Maße entzückt. Jetzt beglückte mich dieser so schön gestaltete Kalender, der zugleich Dokument der Ausstellung "@bsolut privat?! Vom Tagebuch zum Weblog" in Frankfurt ist.
Neben historischen, literarischen und privaten Tagebüchern werden dort auch Weblogs gezeigt, im Kalender kann man schon einige sehen. Lisa Neun ist dabei, Gaga, Don Alphonso, Andrea Diener, Herr Paulsen, Anke Groener und einige mehr. Schön gestaltet, auf tollem Papier gedruckt und mit vielen Zitaten von Georg Heym bis Sylvia Plath gespickt. Auch wenn ich nicht weiß, ob ein Eintrag wie dieser außerhalb von Blogs zu verstehen ist, ein Blick auf den anderen Beitrag rief mir aber in Erinnerung, daß ich vieles auch schon einmal besser und souveräner gehandhabt habe. Jedenfalls solange Aldi Wein im Angebot hatte. Oder sollte ich in mein eigenes Tagebuch gelogen haben?
Heute aber, das soll nicht vergessen sein, hilft eben anderer Trunk.
Am 5. März ist die Eröffnung, danach ist die Ausstellung bis zum 14. September zu sehen. Geht alle hin.
("@bsolut privat?! Vom Tagebuch zum Weblog". Museum für Kommunikation, Frankfurt am Main. Bis zum 14.9.2008.)
>>> Tagwerke, das Blog zur Ausstellung

Freitag, 29. Februar 2008
When semantics won't do.
[...muss man einen Punkt machen.]

Wie manche wissen, liebe ich Kästen, Truhen - und Dosen. Da braucht mir jetzt keiner mit Freud kommen, diese Dinge sind einfach praktisch und schmuck und geben einem das Gefühl, die Dinge sicher verwahrt zu haben. In jungen Jahren ist man da fahrlässig, weil überall Abenteuer warten, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind neu, und sie glitzern. Irgendwann lernt man aber die Lektion, der eine früher, der andere später, daß Gold nicht hinter jeder Ecke liegt. Dann hält man fest, ich jedenfalls tue das, bewahrt und weiß es zu schätzen. Die Behältnisse müssen nicht immer so kitschig sein wie diese. Die Hauptsache ist ja, daß die wichtigen Dinge in ihnen Platz finden. Nadeln und Nähgarn für Zerrissenes, Schmerztabletten für Pochendes oder Ziehendes. Natürlich paßt auch Flickzeug für Plattes und sogar ein Defibrillator für Hasenherzen hinein. Und Pflaster, ganz viele Pflaster, der Meter nur einen Euro. Andere wiederum packen Zigaretten hinein und Kaffee oder andere Dinge für die schöneren Tage.
Was mir am besten gefällt: Aus Dosen kann man mit einem Stück Schnur auch Telefone basteln. Falls man mal Sprechen will. In meiner ist ein Kompass. Weil es immer darum geht, weiterzustolpern, ungelenk und verirrt vielleicht, aber weiter voran. Eine Karte zeichnet sich später von selbst. Wenn man zurückblickt. Und all das Unausgeschöpfte verschleudert sieht.

Mittwoch, 27. Februar 2008
Während gerade ein Erzeugnis der Firma Lindt & Sprüngli (Geschenk der Kollegin, ich bin entzückt) zart in meinem Mund zerfließt, fallen mir die Bilder von Ariana Page Russell ein. Die Künstlerin hat eine Hypersensibilität der Haut, die Reizungen für eine halbe Stunde extrem deutlich hervortreten läßt. So wird der Körper zu einer Leinwand, die Buchstaben, Wörter und Muster wie Tattoos oder Scarifications leuchten läßt. Zeichen auf zarter Haut, die Spuren der Nacht oder die Narben des Lebens, haben ja oft etwas sehr Anziehendes, Rührendes. Der Abdruck von Schmerz und Erschütterung, Lust und Hingabe oder auch bloß Selbstvergessenheit. Denke ich so, mir noch ein Stück von dieser hervorragenden Schokolade nehmend.
>>> Webseite von Ariana Page Russell

Hier lesen doch bestimmt auch WordPress-Experten mit.
Mag vielleicht jemand Suzanne helfen?
Es ist für die Sache und die Kunst und überhaupt! Und ewige Dankbarkeit.

Dienstag, 26. Februar 2008

Das ist keine neue Erkenntnis, aber ich sage es noch einmal. Auf rohen Eiern kann man nicht tanzen. Destroy everything you touch. Nicht jeder aber ist so dumm wie ich, nur anders. Sei lieber wie ein Weidenkätzchen. Und ich sage so etwas wie, mit diesem Mantel kommst du überall hin. Hauptsache, das Herz da drin ist gut geschützt. Vor Wind und Wagnis und wechselhaftem Wetter. Und ich denke noch, wenn ich durchgefegt habe, in den finsteren Ecken, gehe ich einfach mit. Überall hin.
Man darf nicht über die durchgezogene Linie treten.
Man darf aber die Hand ausstrecken.


Sonntag, 24. Februar 2008
Heute, erzählt meine Mutter, nur schwer gefaßt, ist ihre Schwester dann gestorben. Eine andere ist ebenfalls schwer erkrankt, die Einschläge, so sagt man, kommen näher. So ein Brimborium aber, Anzeige, Grabstein, beharrt sie, könne man sich später bei ihr gut sparen. Sie wolle jetzt gut leben, sagt sie, und ich verstehe sie sehr gut.

Beim Essen sprechen wir über die vergangene Zeit, unser Städtdreieck, die Träume, die Musik und die schönen Filme. Ich berichte vom Kummer, dem Wünschen und Wollen, dem Reden und Handeln, den Tränen nach all den Versprechungen.
Sein Lachen hingegen ist leicht, er meint es nicht böse. Ich mag es, wie er zurechtrückt, in rechte Dimensionen lenkt, die Luft läßt aus dem aufgeblähten Ballon. Du bist doch Wuppertaler, meint er. Et is wie et is.
Wir reden weiter über Projekte, Urlaube und Lebensziele, in buntgemischter Reihenfolge. Wechseln den Club die Kaschemme, trinken weitere Biere und überlegen, was die jungen Leute alle im Hinterzimmer machen. Dort müssen sich bereits Dutzende stapeln, denn viele gehen hinein, kaum welche kommen heraus. Vielleicht, so überlegen wir in einer morbiden Anwandlung, lauert dort hinten ein Metzger, so wie in Delicatessen. Der Schmerz des Verschwindens.
An der letzten Theke betrachte ich das Licht der bunten Flaschen und die schöne Barfrau, ihr Lächeln und erzähle von den zarten Dingen, den vorsichtigen. Wie das Fragile gleich wieder Angst macht, und daß ich manchmal nicht schlafen kann.
Ganz ohne Schmäh lachen wir dann noch ein bißchen mehr, so daß es fast ein wenig hell wird. Grad hier, am Ende der Nacht, am Himmel über dem Hafen.

Freitag, 22. Februar 2008
Die reizende Ophelia. – Nymphe, schließ
In dein Gebet all meine Sünden ein.
(Shakespeare, "Hamlet". III, 1.)
In der in der allgemeinen Aufmerksamkeitsgunst wie vom rezeptionsästhetischen Veitstanz befallenen losen Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr möchte ich aus aktuellem Anlaß heute erneut die Möwe vorstellen.
Als die Neigungsgruppe Kummer & Trunk neulich einen kleinen Spaziergang durch den heuer doch eher wie impotent sich gebärdenden Winter wagte, lauerte die Entdeckung dieser fahlen Wasserleiche wie ein schwermütiges Omen am Wegesrand. Ein Wappentier! Denn, sei ehrlich zu uns, kleine Ophelia - hat dich nicht der Kummer dazu getrieben, den ganz großen Trunk zu suchen?
O, verstecke nicht dein rotes Haar. Wir spotten nicht. Wir standen ergriffen und stumm, voller Kummer, ein trunkenes Paar am Ententeich. Geh hin kleiner Vogel. Friß all unser'n Ballast, den Zorn, die Trauer und auch uns're Zweifel und sinke hinab. Zum Grund allen Grundes, und laß unsere Herzen reiner zurück.

Der Deutsche Klaus Nomi gehört zu den erstaunlichsten Künstlern der späten 70er und frühen 80er Jahre. Der Countertenor kam 1973 über Berlin nach New York und erreichte mit seiner Musik zwischen Oper und New Wave Anfang der 80er Kultstatus. 1983 starb er als einer der ersten prominenten Opfer an AIDS.
Die Berliner Strychnin Galerie zeigt nun eine von Giovanni Cervi für Res Pira Lab. kuratierte Show als Hommage an den früh verstorbenen Performer.
Folgende Künstler sind vertreten: Alexander Sterzel, Ansgar Noeth, Andy, Arianna Carossa, Chris von Steiner,
Jan Czerwinski, Japi Honoo, Karin Andersen, Maile Colbert, Squp, Zaelia Bishop und mit freundlicher Genehmigung der Galleria Aus18, Alessandro Giordani and Tamara Ferioli.
Die Vernissage ist heute abend ab 19.00 Uhr. Geht einfach hin und sagt Hallo. Ist wirklich nett dort. Frau Kinky, Sie berichten mir bitte dann.
(Do You Nomi? Strychnin Galerie, Berlin. Bis zum 3. März 2008.)

Donnerstag, 21. Februar 2008
Es ist gut, daß manche Texte hier derzeit unveröffentlicht bleiben. Weil dort Worte vorkommen - in einem Zusammenhang, in dem ihnen jede positive Konnotation genommen ist.
[aus meinem Buch: Der Tag, an dem dem Hund die Kette brach]
