
Mittwoch, 20. Februar 2008
Heute morgen trudelte die überraschende Nachricht ein. Ein alter Freund ist in der Stadt. 2008 soll doch ein gutes Jahr werden, sagt er, und ich glaube, er ahnt. Wir kennen uns schon so lange, aus Schulzeiten noch. Dann haben wir ein paar Jahre Musik gemacht, was man halt so tut, wenn man sich jung fühlt und unwiderstehlich. Und was zu sagen hat. Irgendwann zog er weg, wie man es manchmal tun muß.
Und ich erinnere mich, wie ich ihn besuchte, vor zwei Jahren, in Wien, die schöne Stadt. Wie er sofort bereit war, bei der Lesung zu helfen, Unterschlupf zu gewähren, sich Zeit nahm, von Herzen, freundlich, unkompliziert. Ganz ohne Schmäh.
Wir wir lange in einer Bar saßen, ein leichter Abend im blauen Licht einer dieser Neonleuchten, und er mir etwas zuflüsterte, in einem unbeobachteten Augenblick.
Wir gehen einen Trinken, sagt er. Gerade im richtigen Moment.

Dienstag, 19. Februar 2008
Alain Robbe-Grillet (18. August 1922 – 18. Februar 2008).
Ich gebe zu, ich habe immer nur die schmutzigen Stellen gelesen.

Der Opa geht von Bord.

Run your fingers through his hair
(The Capreez, "How To Make
A Sad Man Glad". 1966.)
Es sind ja oft die einfachen Sätze. Jemanden sagen, daß man ihn mag. Oder sie. Es ist ja oft die ganz einfache Musik. Ein einfacher Rhythmus, einfache Melodien, zu denen man gut tanzen kann. Am besten in ranzigen Kaschemmen, kein neonglitzernder Glitzerschnack. Ein simpler Text, mit einer einfachen Wahrheit. Melancholisch-fröhlicher Northern Soul. Trotzige Dennoch-Stomper wie How To Make A Sad Man Glad.
Morgens in der U-Bahn lese ich mir die Textnachricht durch, immer wieder. Lege den Kopf an die Scheibe und fange das Träumen an. Und wenn ich die Augen ein bißchen weiter nach links drehe, kann ich mein Spiegelbild lächeln sehen. Jedenfalls für einen kurzen Moment. Bis es sich ertappt fühlt.
Und natürlich, auch wenn es derzeit fast unerträglich weit entfernt scheint, bleibt das Motto für 2008: Be Young, Be Foolish, Be Happy.
Aber nicht achtlos. Nicht vergeßlich. Ich meine, das muß doch wohl möglich sein.

Sonntag, 17. Februar 2008
"So", sagt die Einzelfallbetreuerin der Neigungsgruppe Kummer & Trunk, "bevor es dann demnächst ins Kurwochenende geht mit Heiltee und Licht aus um neun, müssen wir sehen, wie es im Hysterischen Café um die sozialen Kompetenzen bestellt ist." Das Haar streng zurückgenommen, blickt sie aufmerksam auf ihren ICD-Erfassungsbogen, stellt Fragen und trägt mit dem Bleistift irgendwelche Nummern wie F60.3 oder F80 in vorgegebene Felder, während ich auf ihre schwarzen Stiefel schaue und mir gute ehrliche Antworten ausdenke.
"Gut", sage wiederum ich. Mir mache es ja in der Regel Spaß, auf die Schnelle etwas Einfaches zu Kochen (aus meinem Buch: 37 Arten ein Käsebrot warmzumachen). Jetzt nichts mit Chichi oder Schnick und Schnack, dafür fehlt mir tatsächlich der barock gestimmte Sinn. Schlicht wie ein Ringelstrumpf, simples Muster, maximale Wirkung. Wir essen und bieten uns dabei das Du an.
Der Trunk soll eine Grundlage haben, soviel Sorgfalt ist bei den streng strukturierten Seminaren von Kummer & Trunk eine ehrenvolle Pflicht. Statt Hirschgeweihschnaps gibt es diesmal ein Getränk namens Haide-Küßchen, diese Namen sind ja schon ein Thema für sich. Die Neigungsgruppe informiert: Der mit gemäßigten 20 Umdrehungen (biologisch) ranbützende Trank kommt gut auf Zunge und ist zart zur Speiseröhre - schmeckt aber, und hier haben wir wieder unser Problem, wie ein in Doppelkorn aufgelöstes Hustenbonbon. Vielleicht ein Tipp für die zahlreichen mit Erkältungen und Stimmverlust geplagten Blogger. Oder Gäste.
Muß man mögen, also. Ähnlich wie den Schlaf auf zu kurzen Sofas. Im Morgengrauen, zartneblige Stimmung im Dämmerlicht, die Musik ist lange aus, stelle ich fest, so richtig gut ist das Hermetische Café nicht für Übernachtungsgäste geeignet. Zum Glück gab es nicht allzuviel davon - weder von Schlaf noch von Gästen. Muß man alles nachholen. Ruhig atmen. Puls kontrollieren. Die Intensität der Zukunft schenken.
Ein Wochenende fast ohne Internet, das mir in letzter Zeit viel schlechte Träume und schlechte Laune beschert hat. Die fragilen Verbindungen. Die plötzlichen Wandel, das Nicht(mehr)verstehen. Das ferne und doch merkwürdig betont überlaute Getöse. Wie dunkelrote Vorhänge vor einem großen Fenster, die sachte im Wind wehen und nur geisterhafte Blicke freigeben. Auf staubige Kisten, zerborstene Erinnerungen und einen Traum, den wir irgendwann nicht wagten.

Freitag, 15. Februar 2008
Kurz mal tief durchatmen.

Donnerstag, 14. Februar 2008
Ach. Und wo gehen sie hin, heute, die Herzen? Die freudigen und klopfenden, die zagenden und traurigen? Muß man sie erst flicken und zusammenlöten? Ich schenk euch einfach das da oben, soll es jeden Stein erweichen.
Heute aber haben auch zwei besondere Menschen Geburtstag. Die grandiose und bezaubernde Miss Wurzeltod mit ihrem wundervollen Blog, das mich bereits so viele Jahre begleitet. Dort sind heute auch viele tolle, liebenswert-morbide Links zum Valentinstag zu entdecken. Und dann noch jemand. Jemand, der mir wunderbar erscheint und reizvoll und faszinierend. (Das sind drei sachliche Adjektive.)
Denen wünsche ich ganz besonders große und aufgeregt klopfende Herzen.
Denen wünsche ich ganz viel.

Mittwoch, 13. Februar 2008
Wer bereits Anfang vierzig ist, der kommt auf keinen grünen Zweig mehr.
In einer der letzten Diskussionsrunden der Neigungsgruppe wurde "reich heiraten" als mögliche Lösung in die Debatte eingeführt. Meine romantische Dummheit Verklärtheit steht dem jedoch im Weg - und dazu eine gewisse düster-absinthige Unbeholfenheit den Damen gegenüber. Ich werde mich natürlich mit dem Schreiben meiner Memoiren und von Selbsthilferatgebern über Wasser halten können - oder vielleicht auch eine Burlesque-Show für Ältere leiten. Aber was sollen all die anderen machen. Immerhin: Wir werden viele sein. Verdammt viele.

Dienstag, 12. Februar 2008
Doch im Aufrechnen war ich immer schlecht.
(Bernadette Hengst, "Immer noch ich". 2002).
Es ist doch so. Dieses schöne Gefühl dann auf einmal wieder, wenn man etwas bastelt, muß nicht spektakulär sein. Wie plötzlich der Boden, der karge, harte, übersät ist mit buntem Papier, Fitzeln und Resten. Wie man Kleber an den Händen hat, die Reste zusammenpfriemelt und von den Fingerspitzen pult.
Wie man nämlich etwas tut.
Wie man baut oder träumt, muß ja nicht spektakulär sein. Gestohlene Tage und gemeinsame Zeit. Ein Lächeln, ein Blick. Keine Langeweile. "Jetzt ist danach, und es fühlt sich an, als klebte ich immer noch daran", singt die Hengst, die ihr Album in verschiedenen Städten aufnahm. Und erst jetzt erkenne ich die Fotos im Booklet. "Mit Gott im Etap Hotel" (Hengst). Doch die Reise geht weiter, immer weiter, weiter lernen, weitermachen.
Ich kann mein Herz spüren, das ist die gute Nachricht.
Wo nichts zurückkommt, geht man nicht hin. Man schafft sich neue Träume. Erkennt die wahren Geschenke und geht auf Reisen. Manchester, zum Beispiel, sieht gut aus. Sich selbst annehmen und immer wieder geben.
