Sonntag, 28. Januar 2007


Naturkatastrophenballet (sic!)

Nachdem das Monstersturmorkantief Kyrill trotz medialer Großwetterfront vielerorts™ nur als mikroklimatisches Lüftchen wahrgenommen wurde, kommt Interessierten ein grundsätzliches Protokoll des windigen Schreckens vielleicht gerade recht.

Streng nach dem Motto, es ist alles bereits gesagt, greife ich zurück ins Jahr 1984, als die geistig-moralische Wende™, deren affirmative Folgen wir heute pudelnaß ausbaden müssen, einen raffig-rauhen Wertewolkenbruch über das Land brachte. Die Tödliche Doris, eine bunte Kunstmusikantentruppe, die mir als junger Mensch das Hirn neu verdrahtete und deren Nacktauftritt mit der akkordeonspielenden Käthe Kruse mir neue Einsichten in das Leben an sich bescherte, spielte damals auf dem Potsdamer Platz den Kachelmann.

Ich schalte um zum Wetterbericht.

Nur soviel: Im Herzen bin auch ich Doris.

>>> Homepage der Doris | Wolfgang Müller, Gralshüter der Doris

Radau | von kid37 um 12:57h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 27. Januar 2007


Vor der Zeit

Dann wälzt ein müderer Gedanke sich durch den schmutzigen Schnee heran. Langsam lenken sich wie von alleine die Arbeitsschritte, die Nicht-mehr-Arbeitsschritte, die verschlurften Prekärverhältnis-Schritte aus dem U-Bahnhof hinaus. Das Abschütteln, die Purifikation, die Dekontamination schluckt immer mehr vom Wörtchen "frei". Früher half ein Schulterzucken. Früher half ein Fingerknacken. Früher half oft noch ein Nachtgebet.

Hartung nicht vorüber, haben sie sich tiefer in die Knochen gebohrt: die Mühle, der Staub, das schrille Geräusch der sprühenden Funken. Horcht, horcht, der Eisenmann kehrt heim. Zagt und fürchtet, der schwere Schritt, die klobigen Stiefel, das dunklere Husten, wenn er eine Weile noch unter der schwarzen Türe harrt. Das Auge lahm, die Ohren taub, im Kopf dräut lange vor dem Schlafe schon der Weckruf. Das Plärren der Fabriksirene, weit, weit vor der Zeit.


 



Zitiert werden ist das neue Schwarz

Kaum paßt man kurz nicht auf, fallen die Augen zu, sieht man kurz schwarz - stellt die Süddeutsche eine kleine Analyse an, welches was das neue welches ist.

Und so wanderte augenscheinlich auch meine Behauptung, Moskau sei das neue Schwarz in ein wunderbares erschütterndes Poem über die Wende zum Trend.

via Gedankenträger

Tentakel | von kid37 um 09:41h | 6 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 24. Januar 2007





So, schiebt mal eben die Heulsusen beiseite. Das ist ja wohl arschgeil: Karl Nagel, Mann von Welt und Chaos und natürlich aus Wuppertal, hat auf seiner Webseite ein tolles Bildarchiv zusammengetragen: Punk in Deutschland. Hier z.B. Wuppertal, 1979-1982, da müßte ich auch noch Dokumente haben, aber wo, aber wo... Auf einem Bild ist Peter Best zu sehen, schräger Plattenhändler, dessen Laden so eine Art Punk-KontakthofInformationszentrum war, das praktischerweise nur einen Steinwurf von meiner Schule entfernt war. Für einen schüchternen Bengel wie mich genau das richtige! Meine erste Punk-LP kaufte ich aber bei Karl vom Kothen, denn der warb damit, "jede Platte" zu haben. Immerhin hatte der "The Scream" von den Banshees - und mehr wollte ich damals nicht.

In die Börse ging man immer ab Donnerstag, um aufzufallen, Energie zu tanken, als "Linker" auf den ebenso akribisch wie heimlich geführten Listen rechtsorganisierter Mitschüler zu landen und Träume zu entwickeln, von dem, was im Leben vielleicht so möglich ist. Wunderbare Zeit, erstes Mal Rimbaud lesen, erster Liebeskummer, Musik von heute, der ganze Mist, großartig. Elektrizität in der Luft, jeder hat eine Band oder zwei und drei Fanzines. Selbermachen.

Samstag traf sich die Stadtjugend in der Elberfelder FußgängerZone gegenüber vom Deutschen Supermarkt am "Brunnen". In den hatten andere dann schon Waschpulver reingekippt - einfach weil sie es konnten, wie es heute so schön heißt. Die Polizei sperrte die Innenstadt ab, das gefiel den Geschäftsleuten nicht, weil die Leute, die extra wegen der Punx nach Wuppertal kamen, nicht einkaufen gehen konnten. Großes Hin und Her, jede Woche dann unbestimmte Erwartungshaltung, Krawall wohl auch und Rangeleien, bei denen man beigegekleidete Zivilfahnder dabei beobachten konnte, wie sie ganz wichtig in ihr Funkgerät in der Jacke wisperten. Haha, die haben bestimmt die besten Fotos aus der Zeit! Irgendwann - davon ist auch ein Foto zu sehen - lud man ein ins Rathaus - "zum Gespräch". Wie man halt so ist im Bergischen. Lange Jahre her, unglaublich, daß damals bereits jemand Farbfotos gemacht hat. Eine spannende Erinnerungsreise in eine noch spannendere Zeit.

Ist aber auch egal. Ihr erlebt ja sicher auch was. (Zu diesem Thema sagt der Kommentar von "Loki" unter den Bildern eigentlich alles, har har.)

Radau | von kid37 um 13:12h | 27 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 22. Januar 2007


Die Zeit tröpfelt dahin

Hals über Kopf
Einstürzende Neubauten
French Film Blurred


 


Sonntag, 21. Januar 2007


Wir nennen es Samstagabend

Und so schaue ich den silbernen Schalen zu wie sie langsam schwarz anlaufen. So sehe ich der Rostamöbe auf meinem Bisley zu, wie sie Scheinfüße ausstreckt, sich zögernd nähert und Kontakt sucht - zum lethargischen Nachbarfleck, der sich in all den Jahren nicht verändert hat.

Wenn man lange genug schaut, sieht man Fratzen und Visagen blitzen. Dein Gesicht sah ich schon lange nicht mehr. Manchmal nur höre ich von deinen Worten. Unangenehme Gewißheiten, eine unsicher tapsende Arroganz, von der man ahnt, was sie kaschieren soll. Wenn ich die Hand ausstrecke und die Flecken hier berühre, spüre ich den schorfigen Grund.

Man soll nicht schneller rosten als das Metall um einen herum, heißt es. Man soll niemals so schwarz sehen wie das Silber in der Küche. Sollte man eine Küche haben.

Am Samstag haben wir früher schlimme Dinge gemacht. Getrunken wohl auch und laute Musik gehört. Ich glaube, leichte Bekleidung spielte eine Rolle. Das ist zum Glück vorbei. Für die Junggebliebenen gilt: Sei kein Brett. Schüttel, was du hast. Ich sitze hier und starre den Heizkörper an. Solange, bis der Tanz vorüber ist.

>>> Ausschnitte aus Eraserhead, Wer hat Angst vor Virginia Woolf, Faster Pussycat! Kill! Kill!, Freaks und Die Verachtung ergeben dieses hundstolle Video zu Wildcat von Be Your Own Pet.


 


Samstag, 20. Januar 2007



Ihr seid doch alles Computergammler!


 


Donnerstag, 18. Januar 2007


Wunsch, was in Bewegung zu setzen

Als Kind wollte ich ja nie Lokomotivführer werden. So eine Art Traumberuf hatte ich nicht. Insektenforscher, klar. Ornithologe, auch mal. Bei meiner kurzen Phase als Revolverheld argwöhnte ich als Knirps schon, dieses Berufsbild gäbe es in heutiger Zeit gar nicht mehr (was wußte ich schon?). Vielleicht wollte ich Indianer werden, wie Kafka, schief in der Luft. Zur Eisenbahn jedenfalls zog es mich nie. Ich war auch immer Fan von Kleiner König Kalle Wirsch (auch wenn sich nun durch Re-Vision ergeben hat, daß die freundliche Fledermaus überhaupt keine Wienerin war, sondern Schwyzzerisch spricht) - und nicht von Jim Knopf. Aber wie das Leben so spielt - es war auch nie ein Herzenswunsch, einmal in einer Gartenzwergfabrik zu arbeiten, obwohl viele sich das als Traumberuf vorstellen.



Heute, als ich die wegen kyrillischer Sturmtiefen gestrandeten Menschen am Hauptbahnhof sah, dachte ich noch einmal an diesen Flugzettel, den die Deutsche Bahn AG die Freundlichkeit hatte, mir zu überreichen. Lokführer! (Ja, so heißt das nämlich. Und nicht etwa "Triebsteuermann" oder was einem sonst so pedantische Besserwisser zwischen Nudelsalat und Chili in fremder Leuts Partyküchen aufs trockene Brötchen schmieren wollen!) Lokführer! - ein Wort, bei dem den meisten das innere Kind in kurzen Hosen ordentlich stramm steht, Trillerpfeife im Mund und Hand am großen Dampfvorschubhebel.

Die könnten dann alle mitfahren, dreimal rund um Lummerland. Die ganzen sturmgepeitschten Menschen, ich nähme sie mit, rüfe, d'r Zoch kütt!, pföffe ihnen Mut zu mit meinem Signalgetröt - und den Kohlenklauern, unten am Bahnddamm, denen wönke ich fröhlich zu und würfe ihnen - gleich dem Herrn Ribbeck auf Ribbeck - noch ein paar Briketts hinterher. So wäre ich, ein rußgeschwärzter schwarzer Teufel im gestreiften Hemd, mit schelmischen Grinsen, und das speckige Käppi keck in den Nacken geschoben.

Vielleicht rufe ich morgen mal an bei dieser Stelle. Und sage, ich fahr den Zug, nach irgendwo. Und scheiß auf den Fahrplan.