
Mittwoch, 20. Dezember 2006
Erst schaltet man die Kommentare ein, dann lernt man einige persönlich kennen - zwei Schritte in die falsche Richtung. Wo man eigentlich nur senden wollte, machen, machen, machen, sendet es plötzlich zurück, das Medium, botschaftsbefreit, kreist um sich selbst, fängt an Hunger zu haben, zu brüllen und zu trotzen und die Windeln vollzumachen. Ein Wechselbalg. Und plötzlich macht man immer weniger, nimmt nur noch Rücksicht und falsche oft dazu, spürt plötzlich Köpfe im Hintern und fürchtet, die Augen zu öffnen, in der Angst, den eigenen selbst schon in jemandes... Man reagiert und agiert nicht mehr - tut nix, worüber zu berichten sich lohnte.
Und, ganz Generation Eigentlich, dann kommt man immer wieder zu dem Punkt, wo man sich bremsen muß, nicht zu rufen Wir nennen es Zeittotschlagen. Vieler Leute Wegbegleiter und Ersatzlebenlebender Craig Naughty James hat sein "1095 Tage Projekt" beendet und ein kurzes Resümee gezogen: I lost the love for the 1095 about a year ago.. roughly I guess when the comments were enabled.
Ich würde ja sagen, roughly, Craig, when you lost your love for Sarah, aber das geht mich erstens als Internetvoyeur nichts an und zweitens ist der Kern dennoch richtig. Siehe oben.
Man schreibt nicht mehr das Blog, das Blog fängt an, einen zu schreiben, will geschrieben sein, erst feed me, bald eat me und schon steht man da als sein eigener Blog-Pantoffelheld. Im Vergleich zu 2005 sind viele "Top-Blogs" nun Redaktionsblogs mehrerer Schreiber, Technik- und Fachblogs oder Guck-mal-ich-hab-einen-lustigen-Link-gefunden-Sammlungen. Die "Szene"? Ein bunter Haufen unterschiedlichster Interessen. Ich mag Blogs, die den Schreiber zum Thema haben. Hallo, das bin ich und this is some of my music.
Die 15 Minuten gab es trotzdem. Platz 37 wäre aber eitler cooler gewesen.
Mir ist es ein wenig unheimlich, unbehaglich, dieses Gerede neuerdings von "Bedeutung erlangen" und "was erreichen". Die Blogs hier, die Blogs da - als wäre gleich der neue Mensch geboren. Überhaupt: Sie wollen nicht sein, erst noch was werden. Die Zukunft soll es bringen, bis dahin ein wenig in der extendierten Gegenwart spielen, Prozac Nation - Procrastination, immer in der Selbstgewißheit, man mache schon nichts Böses, gut im Herzen wie man ist.
Nein, das Abendland geht bekanntlich immer nur wegen der anderen unter. Und geht mal was daneben, wird das Köpfchen schiefgelegt und verlegen gelächelt und mit Kulleraugen ein "Ihr habt mich aber schon noch lieb?" gemurmelt. Ihr wollt alles machen, aber für nichts die Verantwortung tragen, stöhnte mal jemand über die Zauderer-Generation der 30-40jährigen. Craig hat in einem für ihn seltenen Anflug von Reflektion eigene Fehler erkannt und erklärt, aus diesen nun lernen zu wollen. Das ist ein guter Tip, vor allem jetzt für die besinnliche Zeit. Die Zeit der Bilanzen. Drei Jahre Naughty James, drei Jahre hermetisches Café. 1095 Tage - Zeit für genügend Fehler, meine Fresse. Zeit für Veränderungen. Das Motto bleibt.
Dieses Jahr war dennoch schön, alles in allem. Die Lesungen haben viel Spaß gemacht, ihr ward supernett zu mir. Das viele Reisen war gut. Menschen kennengelernt, die ich ohne Blog nie kennengelernt hätte. Natürlich auch ein paar, die man in der Schule schon mied, die Bullys und die Streber. Also Bänder geknüpft, ein paar auch zerschnitten. Tant pis, der Ozean ist groß genug. Nur die Fische sterben aus. Mit ein, zwei Menschen ist vielleicht noch was zu klären, das wird man sehen. Die nicht so schönen Dinge, zut alors, auch die eine Erkenntnis. Über mich, über andere.
Beifall spendet man, wenn es gut ist, nicht, weil man die Leute kennt. Gruppenkuscheln - und seien mir die Menschen noch so sympathisch - macht mich nervös, und an die Blogbedeutungsmafia, die mittlerweile ganz ungeniert vom A-Bloggertum schwadroniert, das hier die Richtungwechsel vorgebe, denke ich nur morgens, am Urinal, wenn sich meine Prostata entspannt. 2007 also will ich mal ein paar andere Fehler machen, überhaupt mehr machen. Bei dir steht auch viel Schrott, schrieb mir meine Lieblingskritikerin ins Gebetbuch. Genau so geht es! Ist nur ein Notizbuch, und Lourdes ein Ort auf der Landkarte. Vielleicht murmel ich nur noch solipsistisch vor mich hin (His Trionic!), vielleicht gibt es noch mehr, wie heißt es, Boulevard. Aber sischer dat. Boulevard of Broken Dreams. Oder whatever, hier gibt es ja nichts anzukündigen, als hätte ausgerechnet ich einen Geschäftsplan für diesen Bastard hier.
Wie Johnny Rotten sagte: I don't care. Und wie hoch ist eigentlich die Pacht für einen Forellenteich in Mecklenburg? Uns allen trotz allem von Herzen viel Glück mit all unseren Plänen. Auf all unseren Wegen.
Ah, das tat gut. Besser jetzt. Und nun wieder Luft! Durchatmen! Schnell zehn Liegestütz. Danach noch ein paar Filme sehen.
Bye, Craig. Mach mal was anderes. Mach einfach weiter.
The biggest risk in life is not taking one.

Dienstag, 19. Dezember 2006
Mein Interesse für Themen-Hotels habe ich hier bereits kundgetan. Die Galerie Photography Does Not Bend stellt hübsche Beispiele japanischer Liebeslauben zur Ansicht, die meinen Reiseplänen neuen Schwung verleihen: Lovehotels.
Dazu weiträumig passend, das Themenheft Prono der Texte zur Kunst.
Darin, mehr beschreibend als - entschuldigen Sie das Wortspiel - durchdringend, mit leichtem Hang zum Schwafeligen und Namenplazieren, dennoch aber ein interessanter Abriß mit kunstgeschichtlicher Brille auf Indiepron und Internet, (sexuelle) Subkultur, Jugendkultur, Kunst- und Musikszene und Ästhetik: Florian Cramer rührt einmal quer durchs Off in Sodom Blogging.
(Texte zur Kunst, Nr. 64. Inhaltsverzeichnis)

Montag, 18. Dezember 2006
Spielen Sie Ihre Karten mit Bedacht aus!

Freitag, 15. Dezember 2006
Burning in the light.
(Siouxsie and the Banshees,
"Into The Light")
Schenk mir doch die Nacht, flüstere ich. Ich will mich selbst vergessen, mal laut sein, die Anlage vorsichtig auf vier oder fünf. Zwei Gläser, vielleicht auch drei. Organe auf der Wäscheleine, nach dem Trocknen geht's voran. Ich will dieses nicht und jenes und nicht mal mehr Erinnerung. Manchmal ist es so, weil nämlich, ich denke: Raus hier, und schnell noch die Mäuse, nein lieber besser die letzten Kröten zusammenkratzen. Einen anderen Himmel sehen mit wirklichen Engeln, vielleicht einfach nur Bienen züchten oder am Wasser liegen. Wo ist denn dieser Stern, von dem alle reden und singen in diesen Tagen? Ach so, hast du auch nicht gesehen. Das ist doch völlig verdreht: die Stadt ist schwarz wie die Nacht, aus grimmigen Fenstern strahlen Lichter wie Sterne. Verkehrte Welt unter blutrotem Himmel. Nur, Engel soll es dort auch geben. Sie wandern, öffnen Herzen oder verzweifeln. Sie kennen die Wege, die Adern der Städte, sie haben eine Netzfahrkarte. Raus, rufe ich, raus. Der dunkle echolose Raum ist wie ein schwarzes Loch, ausgestülpt aus mir selbst, evoziert, wenn man so will, ein tiefer Rachenlaut, ein auf links gedrehtes Etwas, wimmernd, auf dem Boden kauernd, wie ein ausgesetztes Tier mitten auf dem Weihnachtsmarkt.

Donnerstag, 14. Dezember 2006
Da sagt man doch nicht nein, wenn einen Oberverschwörer Mek Wito bittet, für den leider verhinderten Ole stimmlich einzuspringen. (Waren ja auch nur zwei Sätze. ABER WAS FÜR WELCHE!)
Großartige Sprecher sprachen sich selbst oder doubelten bekannte Stimmen aus Film, Funk und Fernsehen. Julia, Lu, MC Winkel, Opa Bazi, der großartige Rationalstürmer und natürlich der noch größere, wenn nicht artigere Mek, dessen wohltemperiertes Stimmorgan verführt zur bizarr-fantastischen Burns-Verschwörung!

Auch eine fast vergessene Tradition im Zeitalter ubiquitärer (Digital-)Fotoapparate. (US-Amerikanische) Schriftsteller in den 40er Jahren - porträtiert - "so wie sie sich selber sahen" - vom spanischen Maler Luis Quintanilla. Darunter Richard Wright, John Dos Passos, Dorothy Parker, Lillian Hellman und Arthur Miller: eine eindrucksvolle Galerie.
Weitere Erläuterungen zum Hintergrund der Bilder.

Mittwoch, 13. Dezember 2006
Spöttische Stimmen würden sicher rufen, das sei kein Wunder, wenn man Absinth mit Rotwein mischt oder andere sinnentleerende Experimente mit sich selbst anstiftet. Als ich neulich nacht in die Küche gehe, um meinen Nachdurst zu stillen nach dem Rechten zu sehen, werde ich doch einen dunklen Schatten gewahr, der sich am äußeren Rand meines Gesichtsfeldes bewegt. Schnell, krege, quick, alert: das huschende Wesen schießt in Bodenhöhe an der Wand lang, während ich an der Spüle stehe und meinem Basilikum ebenfalls einen letzten Schluck gönne. Eine Fledermaus? Zu niedrig. Eine Spinne? Zu schnell, und besser nicht sooo groß und dunkel. Ein vernehmliches "Bonk" dringt an mein Ohr - und plötzlich bin ich hellwach. Flirrende Schatten? Die sehe ich öfter. Hinter mir auf der Kellertreppe, geduckt neben den Mülltonnen, auf dem nächtlichen Nachhauseweg, selbst in den Referrern meines Blogs tauchen sie ab und zu auf. Herr Kid hat einen Schatten, schon klar. Trinkerschicksal - spotten manche, Hysteriker - vermuten andere. Weiße Mäuse, alles klar. Mäuse?
Über der Fußleiste ist zwischen Wand und Einbauschrank ein kleiner Spalt. Sollte da soeben eine Maus mit Karacho gegengerannt sein - in panischem Entsetzen, dem knallgefährlichen Bewohner eines vielversprechenden Küchenfußbodens mit lukrativem Krümelbesatz begegnet zu sein? Meinen Augen traue ich kaum - meinem Gehör sehr wohl. Da war was in meiner Küche - und was immer es war, es war agil, dunkel und möglicherweise zu allem entschlossen.
Im Vergleich zum Neanderthaler verfügt der mordende moderne Mensch
über ein ganzes Arsenal zur Einschüchterung seiner Fressfeinde
Die Natur schlägt zurück! Der Angriff der mutierten Kannibalenmäuse aus den Tiefen des Weltalls! Kann schon sein, denn seit einigen Wochen wird mein Treppenhaus saniert. Warum also sollte nur ich am Rande meiner Nerven sein, vom steten Terror aus Staub, Dreck und Lärm schlimmer als mit der chinesischen Wasserfolter gequält? Wäre es einer armen Maus zu verdenken, auch mal die Ritzen und Ecken, die schrägen Abseiten der Dachgeschoßwohnungen zu erkunden - auf der Suche nach etwas Peace and Understanding?
Erneut bereue ich es, keine Katze im Haus zu haben. Ich verstopfe den Spalt, so gut es eben geht. Ein Buch lehnt nun davor, Michael Wildenhains Die kalte Haut der Stadt. Furcht und Schrecken will ich verbreiten. Vielleicht muß ich nicht die schweren Waffen einsetzen. Erst einmal werde ich jeden Abend eine halbe Stunde vor dem Mauerspalt singen. Mein Gesang hat schließlich schon so manchen vertrieben. Denn selbst von zarten Besuchern, heimlich ersehnt oder nicht, möchte ich so nicht überrascht werden. Die einzige Maus, die ich hier dulde, hat ein Scrollrad.

Dienstag, 12. Dezember 2006
Frau Fragmente meditierte neulich über das "perfekte Blog".
Ich kann nur sagen, ich habe meins gefunden. Wieder einmal zeigt sich, daß Stil keine Hexerei ist. Es ist im Grunde so einfach, zu jedem Anlaß perfekt gekleidet aufzutreten:
A Rayas (Achtung: nicht angemessen bei der Werkarbeit, bitte halten Sie Ihre Ausweispapiere bereit).
Dazu dann vielleicht mit den Bastard Fairies entspannt auf dem Sofa rumlümmeln. (via Fishy)
Sollten Sie länger nichts von mir hören, keine Sorge, es geht mir sicher gut.
