Mittwoch, 21. Dezember 2005


Der gefundene Satz, 25

Eines Tages, als sie noch ganz von Liebe erfüllt nach Hause zurückkam, fand sie ihren Mann an der Decke aufgehängt. Sie stieß einen kurzen, aber so wilden Schrei aus, daß die dünne Schale ihrer Vernunft für immer zerbrach.

(Philippe Paringaux, Jacques Loustal. Die Farbe des Traums. 1994.)


 


Dienstag, 20. Dezember 2005


Ein Tag mit Fog Blutter

At home he feels like a tourist
He fills his head with culture
He gives himself an ulcer

(Gang of Four, "At Home He's A Tourist")

Bedürfnisexegese. Anders als das Parlament ist das Leben ja kein Abnickverein. Kann man auch mal nein sagen. Das große Weihnachtsnein.

Gut, schenke ich mir eben selbst etwas. Da weiß man, was man hat bekommt. Doch die Frau an der Kasse vom maroden Kaufhauskonzern akzeptiert trotz zweimaliger Versuche meine Unterschrift für den bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht. Nun will sie meinen Ausweis sehen. "Ach, wissen Sie", erkläre ich schließlich. "Buchen Sie es einfach zurück, es reicht jetzt."

Der kurze Gedanke, die Sachen bei der Konkurrenz gegenüber zu holen, wird verworfen. Ein Gefühl der Befreiung macht sich breit. Ich bin Gast im eigenen Leben. Was sollen da Geschenke? Die liegen nachher doch nur bei mir rum.

Was ich brauche, ist ein Heim. Wände aus Stahl und vier Panzerriegelschlösser.


 


Montag, 19. Dezember 2005


Odd and Ott

Skrizzel, skrizzel: Der Schweizer Comic-Künstler Thomas Ott macht seit Jahren anrührend morbide kleine Geschichten in Schabkarton-Technik, eine grafisch ähnlich strenge Angelegenheit wie Linol- oder Holzschnitte. Sein letztes Buch, Panoptikum erzählt makabre Tragödien und wundersame Begebenheiten wie die über den Mexican Wrestler, der gegen den Tod kämpft, ihn besiegt und doch verliert.
Streng, wortlos und ungeheuer beredt (Blogs sollten so sein, denkt man) und über allem: ein ungeheures Schwarz. Thomas Ott ist der diesjährige Preisträger des Jahresstipendiats seiner Heimatstadt Zürich und beweist: Mit Titeln wie "t.o.t.t.", "Dead End", "Hellville" und "Tales of Error" irrt man selten.

Wer also noch schnell ein finster-melancholisches Weihnachtsgeschenk sucht für Menschen, die dem Gezickten und Gezackten nahestehen: nur zu.
Die Editon Moderne dankt.


 


Samstag, 17. Dezember 2005


Queen Adreena

Strip me down and bare my soul,
Cut my heart out,
Eat me whole,
Taunt and bait me, invalidate me.

(Queen Adreena, "Cold Fish")

Oh, wie wir in den 80ern verliebt waren. Mit Haut und Haaren und Firlefanz. Vor allem aber mit den Ohren. Sie machten diese Platte, die war so außerweltlich, ein Sägen und Jaulen, wie eine oder zwei Stecknadeln, die man langsam unter die Fingernägel schiebt. Mit einem Wort: Großartig. Wie die kleine Schwester von The Jesus and Mary Chain auf psychedelischen Pilzen kam sie daher, Katie Jane Garside, von der es hieß, daß sie schon mal nackt durch die Wälder lief und Zwiesprache mit den Bäumen hielt.

Daisy Chainsaw hieß die Band und ihr Album Eleventeen ist heute ein Klassiker. Dann ging Katie Jane, wie gesagt, in die Wälder, es kam wohl kurzzeitig eine andere Sängerin, wenn ich mich recht entsinne, und dann gab es die Band gar nicht mehr.

Jahre später tauchten Katie Jane und Crispin Gray, ihr Gitarrist, wieder auf. Diesmal nannten sie sich Queen Adreena, was ja auf der Hand liegt, irgendwie, wenn man gerne nackt durch die Wälder läuft und dabei an halluzinogenen Pilzen kaut.

Jetzt sehen sie leider aus wie eine schreckliche Wiedergeburt von Transvision Vamp, die ihr, solltet ihr zum ersten Mal davon hören, bitte gleich wieder vergeßt. Aber damals, vor ein paar Jahren, hieß ihr Album Taxidermy. Und da muß man jetzt wirklich mal schauen und unter "Movies" sich ein wenig von dieser Welt gefangen nehmen lassen. "I Adore You" natürlich, aber auch die anderen vier Kurzfilme von Martina Hoogland-Ivanov, die so ein bißchen tschechischen Surrealismus mit einfließen läßt, wenn man eine ganz grobe Richtung anpeilen möchte. Mal so zum Wochenende, bevor ich gleich (ist ja Vollmond) in die Wälder ziehe und die langen Haare auf meinem Handrücken an schrundiger Borke reibe.

Radau | von kid37 um 01:03h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 16. Dezember 2005


Ein, zwei Dinge, die man wissen muß

The way I feel about you
Is beyond words.

(Tuxedomoon, "In A Manner Of Speaking")

Und dann die bange Frage, wird es jemals anders sein. Das sanfte Sehnen, das sich wie eine lange Kanüle langsam in die Vene der Armbeuge bohrt. Der Stoff, aus dem die bösen Träume gewebt und Briefe, die niemals ihren Empfänger finden werden. Draußen die Nacht über dem Kanal, sie spricht nicht zu mir. Nichts. Was war, was sein wird, am Ende die Bilanz. Morgens einfach sagen, Nein. Abends einfach sagen, Nein.

So lange Jahre, eine Bedrohung erst, ein finsterer Schrecken. Nach dem einen Mal. Nach dem zweiten Mal sagte ich bereits hallo, und als er ging, wußte ich, dieser Fremde geht als Freund.

Ein Wächter vielleicht, ein Ticket, das man in der Tasche trägt. Für eine große Reise, eine lange Fahrt. Damals war es jugendlicher Drang, der Überfluß. Heute weiß ich meine Zeit für altkluges Ennui zu schad'. Und doch fehlen die Worte, das eine, das letzte, das ich nicht finden kann. Die Antwort.

Unter dem schwärzeren Schatten, zwischen rostigen Nägeln und dem alten Buch. Verklebte Seiten, was weiß ich denn, was da stand, die Worte fallen mir nicht ein. "Oh, give me the words, that tell me nothing." In die Leerstellen drängen Laute femder Lippen. Mit hohlem Atem, hohle Sätze, die kenne ich genau.

Wohin soll ich die Nadel setzen, sagt der Fremde. Ich finde keinen Platz. Wir müssen die wunde Stelle finden, sage ich. Sie ist irgendwo weit unten, ich weiß doch nicht, wo es am besten ist. Ich hab' das ja nicht gelernt.

Und wir lachen ein wenig, wir beide. Der Fremde, der so lange schon ein Freund ist, und ich. Wills'n Bier? frage ich leutselig und weiß genau, er wird mit mir nichts trinken. Er ist doch immer im Dienst. Immer. Und immer.


 


Donnerstag, 15. Dezember 2005


Aushäusig

Verirrt. Mindestens.


 


Mittwoch, 14. Dezember 2005


Tierischer Advent



Aus der Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr. Heute: die Ente. Ich nehme jedenfalls an, daß es sich um Enten handelt, aus dem dieses Adventsgesteck besteht. Jedenfalls wurden solche auf der Speisekarte neben dem Fenster erwähnt. Möglicherweise handelt es sich auch um rasierte Katzen mit einer Schnabelmaske. Dann wäre dieser Beitrag die Ente.

Zum Ende des Jahres nimmt die Geflügelsucht bekanntlich zu. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier. Dann schieben brave Hausfrauen und -männer den Tieren ungefragt Obst in knusprige Körperöffnungen und nagen zum Fest wie finstere Heiden an blanken Knochen. Ich möchte davon nicht alles wissen. Nicht so genau.

Das Geschnatter und Gequake haben diese knusprigen Gesellen hinter sich. Die Ruhe, die Ruhe. Die Ruhe, liebe Freunde, ist unbezahlbar. Für den Rest gibt es den Imbiß um die Ecke.

(Noch zehn Tage. Ho ho ho!)