Freitag, 3. Dezember 2004
Alte Bekannte erhellen den Herbst: Der französische Fotograf Ernesto Timor hat seine Galerien frisch aufgefüllt. Auf seiner Seite Trompe-la-mort gibt es unter dem Motto "Bad Brain" mehr als hundert neue Fotos zu sehen.
Donnerstag, 2. Dezember 2004
Das hermetische Café präsentiert leicht konsumierbaren, visuellen Premium-Content für Freunde des guten Geschmacks:
Rechtzeitig zur Weihnachtszeit möchte ich eine Reihe von Kinderbüchern vorstellen, wie es sie viel zu selten gibt. (via Frotz)
Sehr apart ist auch Chopping Block, der sympathische Serienkiller.
(via Kaltmamsell)
Donnerstag, 2. Dezember 2004
Dienstag, 30. November 2004
Wer in Köln am Hauptbahnhof aussteigt und auf die wahnwitzige Idee verfällt, seinen Koffer für eine bestimmte Zeit deponieren zu wollen, findet sich unvermutet in einem Technikexperiment wieder. An anderen Bahnhöfen der Republik, sei es Hamburg, Berlin oder Wuppertal, begibt man sich dazu ganz entspannt an eine Wand mit Schließfächern, sucht sich ein freies und stellt Koffer und Kleinkram einfach hinein.
Aber doch nit in Kölle! Die Kölner, sonst eher traditionsbehangen, haben bei der Umgestaltung ihres Hauptbahnhofes die Schließfächer kurzerhand ausgebaut und dafür drei große Blechhütten aufgestellt, die von ferne wie überdimensionierte Mülltrennungscontainer anmuten.
Von nahem erkennt man ihren Zweck: Es handelt sich laut in extraterrestrischer Sprache beschrifteter Hinweistafel um automatische Tiefgaragen für Koffer. Ein solches Sci-Fi-Terminal besitzt drei rollobewehrte Eingangsschächte, die wohl auch als Auswurf funktionieren. Dorthinein sollen für den stolzen Preis von 3 Euro Koffer, Mantel, Hut und Stock wandern, vielleicht auch gleich die hilflosen Reisenden. Hinein mit ihnen in eine undurchschaubare Black Box, ein möglicherweise aus Redmond gesteuertes Maschinenmonster, das unaufhörlich Gepäckstücke frißt.
Möglicherweise befindet sich darin auch eine Katze, und wenn man durch dieses Gummirollo hineinschaut, ist sie tot. Möglicherweise lebt sie auch, nicht einmal Schrödinger weiß es. Vielleicht ist also auch der Koffer noch da, vielleicht auch nicht. Ganz abhängig davon, ob im Inneren ein Cäsium-Atom unter den unsicheren Blicken der durchweg überfordert wirkenden Reisenden zerfällt oder eben nicht. Das alte Sprichwort When in doubt, leave it out fällt mir ein, sehr frei übersetzt: im Zweifel steck ihn lieber nicht hinein. Angeblich erhalten Mutige jedoch so eine Magnetkarte wie im Parkhaus, und wenn sie dann noch ganz viel Glück haben, spuckt diese merkwürdige Kiste den eigenen Koffer (Wartezeit: 40 Sekunden) später wieder aus.
Vielleicht auch den Koffer eines Fremden oder alle auf einmal. Wenn jedenfalls eine ganze Reisegruppe geschlossen ihr Gepäck zurückbeordert, dann sind Geduld und Technikvertrauen die Gebote von x mal 40 Sekunden. Aber wie die Bahn aus großflächigen Versuchen mit verpaßten Anschlußzügen weiß, hat der Bahnkunde ja vor allem eins: Zeit.
Früher stand ich ja selbst gerne auf einer Klippe und verkündete das Absolute hinein in tosenden Sturm und aufgepeitschte See.
Die Süddeutsche mit einem hübschen Verriß zu einer angeblich neuen Platte von U2. Auf daß die Milch sauer werde.
Sonntag, 28. November 2004
Gammelwochenende. Schön ausspannen auf der Chaiselongue und ein bißchen in Zeitschriften blättern. Auf dem Stapel auch die Cara Mia!, wie ich sie hier einmal nennen möchte. So ein Frauenzeitschriftenteil. Ich denke, blätter ich das mal durch, ganz zwanglos, so vom Sofa aus.
Der berühmte Autor, der neulich nicht wußte, was "Türfüllung" sein soll, benutzt das Wort "Tampon-Ausziehfädchen". Rückholfaden!, schnaufe ich kurz. Wer will denn einen Tampon ausziehen? Ich blättere hin und her, schon leicht genervt. Eine Autorin berichtet vom Glück älter zu werden. Das interessiert mich. "Älter zu werden hat Vorteile", schreibt sie. Das finde ich auch. Sie vergleicht sich mit einer jungen Punkette, der sie im Zug begegnet sein will. "Ob Arschgeweihe auch faltig werden können?" fragt sie. (Nun, in der Regel bleibt der Rücken besser in Schuß als die meisten anderen Körperteile.) Die Punkette "trug schwer an der Last ihrer Piercings". Ja, natürlich. So schwer. Große Metapher. Ganz großer Lacher. Welch ein Glück, fabuliert die Autorin weiter, nicht mehr in WGs mit einer Ratte zusammenwohnen zu müssen. Ja, so ist das, wenn man jung ist. Immer diese Kleinsäuger um einen rum. Schlimme Sache. Schön, wenn man älter und Autorin bei Cara Mia! ist, da kann man die Wohnung mit seinen Windspielen teilen.
In Kassel steigt das junge Mädchen aus, geht zum Punkkongress, "unterwegs zur Revolte". Die Autorin zitiert kommentarlos den Flyer, findet das alles wohl unglaublich komisch. "Punk!Kongress!". Haha. Ja, und? Über Cara Mia! organisiert in 25 Jahren sicher keiner einen Kongreß, soviel ist schon mal klar. Und auch das darf vermutet werden: Die einzige Revolte, an der sich die Autorin beteiligte, war, als sie ihren Eltern 200 Mark für neue Turnschuhe aus dem Kreuz geleiert hat.
Vorteile des Älterwerdens? Viele. Man muß sich z.B. - hoffentlich souveräner geworden - nicht mehr auf Kosten anderer lustig machen. Sonst klingt es so verbittert und neidisch, dieses "Glück vom Älterwerden".
Dann kommt ein Jahresrückblick - und ich taste nach der Brechschale unter dem Sofa. Es geht um TV-Trash: "Ex-Freundin von Boris oder Bohlen, Ex-Pornostar, Ex-Viva-Moderatorin - anderes als der Bodensatz der Gesellschaft scheint kaum mehr der öffentlichen Aufmerksamkeit wert".
"Bodensatz der Gesellschaft", soso. Also damit sind nicht etwa Leser gemeint, die auf das subtil zelebrierte Spießertum der Cara Mia! stehen. Aber es geht weiter: "Wenn sich Frauen als Märtyrerinnen inszenieren lassen, wie Sibel Kekilli, die preisgekrönte Debütantin aus "Gegen die Wand", deren Pornovergangenheit aufflog [...], dann hält sich die Anteilnahme in Grenzen." Steht da so. Und neben Sibel Kekilli, der mehrfach preisgekrönten Schauspielerin aus "Gegen die Wand", wurde ein Szenenfoto gedruckt aus - na was? Etwa aus "Gegen die Wand"? Nö. Cara Mia!, die Fortsetzung der soeben von Sibel Kekilli erneut zurecht angeprangerten Boulevardhetze mit anderen Mitteln, druckt lieber ein Foto aus der "Pornovergangenheit" der "inszenierten Märtyrerin". Auf daß wir nichts vergessen.
Scheinheiligkeit, Spießertum - kultivierte Nörgelei und anorektische Neidkultur. Etwas Positives? Ach ja, Elfriede Jelinek, die hatten wir ja auch noch. Ganze drei (!) Worte zu ihr: "Immerhin eine Nobelpreisträgerin." Immerhin kein Bodensatz, möchte man denken.
Ein Kurzbeitrag über Blogs reißt dann alles raus. Großer Hinweis auf ein Blog, das wirklich beispielhaft ist. Es wird bestimmt einmal in der Woche aktualisiert. "Mr. Ausziehfädchen" wird auch erwähnt. Große Sache also.
Ich kaufe morgen gleich zehn Hefte davon. Unbedingt.
Donnerstag, 25. November 2004
Heute sagte mir jemand, Mensch, ich habe ein altes Foto von Dir gesehen, wie Du auf Claudias Hochzeit warst. Da hattest Du noch komplett dunkle Haare.
"Ja", sagte ich, "ich weiß. Die sind spontan grau geworden, als ich hörte, daß die heiratet, haha."
Graue Haare, meine Fresse. Altersleiden. So wie neulich, als ich auf dem Konzert von Cobra Killer war. Offiziell hieß es, Einlaß um neun, Konzertbeginn zehn. Geht man also um kurz vor zehn hin, da heißt es, neeee, die spielen erst um Mitternacht. Na super, denk ich. Da hängt man dann zwei Stunden in 'ner Kneipe auf St. Pauli - um zehn! Da schlurfen um diese Zeit natürlich nur Spackos rum oder Touristen oder niemand oder nur man selber. Ganz groß. Ganz große gute Laune bekomme ich da. Gestohlene Lebenszeit. Für was? Könnt' schön zuhause sein, mit meiner Bandscheiben- Relax-Matratze kuscheln, aber nein, muß ja unbedingt auf "jungeblieben" machen. Geh ich also kurz vor Mitternacht zurück in die Weltbühne, kann ich mir noch 'ne Stunde Elektrogefrickel anhören (Gut, war auch 'n okayes Stück dabei). Treten die Damen dann mal so um ich-wollt-grad-gehn-viertel-nach-eins endlich auf. Ich mein, was soll das? Das beeindruckt doch nur noch Zwölfjährige . Geil, ischwar'n'm Schuppen, ging's erst Mitt'nachtlosey. Meine Fresse.
War das Konzert so, na, technisch scheiße nicht so schön. Schlecht ausgesteuert und wie das so klingt, wenn 'ne Playback-CD hängen bleibt. Die Mädels aber dafür aber mal echt cool. "Das nächste Lied geht über Tripper und Gonorrhoe."
Ja, Wahnsinn. Gleich zwei Geschlechtskrankheiten auf einmal, möchte man rufen, wenn man nicht schon schlechte Laune hätte. Dann kippen die Rotwein über sich aus. Hatte ich ja gedacht, dasisjamalvollsexy. Aber war einfach nur bekloppt, irgendwie. Ham se dann ihr'n Hit recht bald gespielt, konnt ich dann nämlich geh'n - so weit bin ich mittlerweile auch schon.
Heute war ich dann auf 'ner schicken Ausstellung. "Gibt's auch was zu essen, brauchste nicht vorher", hieß es. Ich also ausnahmsweise mal nicht wie Karl Lagerfeld ("Unbedingt immer vor Abendeinladungen essen!") und natürlich schön reingefallen. Standen da nur so Agenturtussen und Werberfredels wichtigwichtig um eine Schüssel geraspelter Möhren und Weintrauben- durcheinander rum. Nichmal Brot. Na, schönen Dank. Wasser ausso Alupacks und blaue Getränke in Gläsern. Und diese gelbe Pisse Leichtbierbrühe mit Mangosaft oder was die da immer trinken. Meine Fresse. Dabei habe ich in dem Laden mal sehr lecker was mit Felicitas Woll gegessen. Aber da hatte ich ja noch dunkles Haar.
"Es gibt auch 'ne DJane", hieß es. Meine Fresse. Nur so CafédelMar-Dreck und jammernde... jaulender Schmusesoul, meine Fresse. Zum Glück hat man mir nichts angemerkt. Ich heiße ja auch Das Pokergesicht. Schlechte Laune sieht man mir einfach nicht an. Fröhlich wie immer, charmant, immer einen Herrenwitz parat und tschautschau, du auch hier, bussbussbuss, nein siehst du aber gut aus.
Da fällt mir ein, daß ich heute ein Gebäckstück bei einem Backfilialisten in Schnöseldorf gekauft habe. Und selbst so 'ne Pöseldorfer Backpfeifenverkäuferin macht einen auf SchickiMicki. Gefeilte weiße Perlmuttforken an den Fingern, kein Bittedanke, kein Aufwiedersehen, meine Fresse. Bäckerei am Macchiato-Weg. Geh' ich auch nich' mehr hin.
Dann dachte ich, alle reden über diesen Feuerfuchs. Machste auch mal. Ich todesmutig "Setup for advanced users" gewählt. Geil. Kannste dann nämlich Häkchen setzen: Ob man ein Icon in der Schnellstartleiste will (nein). Na toll, Feuerfuchs macht einfach was er will und friemelt sich dennoch in meine Schnellstartleiste. Fängt ja schon gut an. Dann denk ich so, Optik ist aber dämlich. Dann les ich so, wassseralleskann, und denke, hm, und Mozilla kann das nicht? Und Bilderklau Download per Rechtsklick geht immer noch total lahmarschig. (Man muß es leider sagen: Letzteres geht mit IE 6 am allerschnellsten.) Na ja, hat mich jetzt nicht überzeugt. Bleib ich wohl beim Mozilla. Der sieht wenigstens schön langweilig aus.
Dann heute in der Fabrik nur Akkordpinseln. Das ganze Weihnachtsangebot wird geändert. Nächste Woche wird es noch schlimmer. Der schöne "Ben Hur"-Zwerg, die peppige "Lara Croft"-Zwergin, ich seh' schon, wie die ausgetauscht werden. In letzter Minute, wie immer.
Nun zuhause beim Käsebrot (ist doch immer noch am besten. Weintrauben- gefrickel, meine Fresse) sehe ich gegenüber auf dem Wasser spiegeln: Ist bald wieder Vollmond. Schönen Dank, das kann ja heiter werden.
Mittwoch, 24. November 2004
SPIEGEL: Aber der Kontext klärt nicht alles: Sind Sie eine wohlbekannte Ministerin oder eine wohl bekannte Ministerin?
Ahnen: Ich sehe nicht, dass durch die Veränderungen, die vorgenommen wurden, die Lesbarkeit von Texten beeinträchtigt wird. Auch nicht, dass das Zulassen von Varianten die Verständlichkeit einschränkt.
Ein erhellendes Interview im Spiegel mit der Präsidentin der Kultusministerkonferenz Doris Ahnen, das zeigt, wie Bürokratie funktioniert: Weit, weit entfernt von den Menschen, für die sie vorgibt zu arbeiten. Schon der Einstieg demonstriert die eigentlich unfaßbare Logik solcher Vertreter:
SPIEGEL: Aber die frühere Einheitlichkeit der Schriftsprache ist durch die Reform ohne Grund zerstört worden.
Ahnen: Sie ist nicht ohne Grund zerstört worden.
SPIEGEL: Aber dass sie zerstört worden ist, geben Sie zu?
Ahnen: Nein, das gebe ich nicht zu.
Man ahnt, daß auch andere Bereiche des sozialen Miteinanders von der uns "vertretenden" Politik auf solche Weise gelöst werden. Nämlich erdenfern.
Oder wie der Kanzler sagte: Gebt endlich eure Kaufzurückhaltung auf! Rückt die Euros raus!
So, der Zug fährt weiter. Gerade auch wieder bei Herrn Dahlmann, der gnadenlose Witze erzählt.
Da Mequito einen Beitrag über eine Zugfahrt von mir gelesen hat, greife ich das Thema auf und lese einen Text von Chill. Ich fürchte allerdings, meine leise, morbide-leiernde Stimme ("Herr Kid, haben Sie eine Drehleier verschluckt?") wird dem Text nicht gerecht. Aber nun ist ja auch November, und wer nicht hören kann will, soll halt lesen.
Eine Fahrt im Zug (MP3, 1,2 MB)
Weitere Texte + Töne bei Herrn Waldar.
Edit: Liste bei Herrn Woody.