
Samstag, 6. November 2004
Dying young is overrated.
via Gaping Void

Freitag, 5. November 2004
A heaven, a gateway, a hope
Just like a feeling inside, it’s no joke
And though it hurts me to treat you this way
Betrayed by words, I’d never heard, too hard to say
Up, down, turn around
Please don’t let me hit the ground
Tonight I think I’ll walk alone
I’ll find my soul as I go home
Manchmal in der Trümmerstimmung von Diskotheken um vier oder fünf Uhr morgens, zwischen letzten Liedern und dem ersten grellen Neonlicht, das sich über zersplittertes Glas, verlorene Feuerzeuge, vergessene Menschen und Unterwäsche ergießt, spürt man eines besonders deutlich: Es gibt keinen Platz, an den man gehen könnte. Mißmutige Kellner fegen den Unrat auf der Tanzfläche zusammen, vor der Garderobe bilden sich Schlangen, erschöpfte, schrille und weinerliche Stimmen mischen sich untereinander.
"Es war doch eben noch da!" kreischt die eine und sucht ihr Portemonnaie.
"Er war doch eben noch da!" heult eine andere und sucht ihren Freund.
Kleine Katastrophen, gestohlene Mäntel, nackt schleicht man hinaus in die kühle Nachtluft. Dort steht die Sehnsucht und blickt einen an. Nicht höhnisch, wie ihr Bruder, der Spott. Nicht kläglich, wie ihr unreiner Wechselbalg, das Selbstmitleid. Nur fragend, zögernd.
Oh, you’ve got green eyes
Oh, you’ve got blue eyes
Oh, you’ve got grey eyes
I’ve never seen anyone quite like you before
No, I’ve never met anyone quite like you before
Man nimmt sich vor, daß dies das letzte Mal sein würde. Das letzte Mal zwischen Demütigung und einsamen Wegen durch die Nacht. Das letzte Mal, das man auf der Brücke stehen würde, den Wind gefangen in der Jacke, die man mühsam um den zitternden Körper geschlungen hält. Das letzte Mal, das man auf die Züge wartet, die unter der Brücke hindurchfahren. Das letzte Mal, das man hofft, sie brächten einen hinaus aus der Stadt. Hinaus aus diesem Leben. Hinaus in ein anderes Land.
People in this world, we have no place to go
Oh, it’s the last time
(New Order, "Temptation")
An der Tankstelle gibt es Bier und ein paar Menschen noch. Ein übermüdeter Mann füllt draußen Benzin nach. Auf der Karte an der Wand erkenne ich den Weg zu meiner Wohnung. Etwas, das sich "Zuhause" nennt. Kein Heim.
Dort sind die Fenster alle geschlossen. Wenn ich dahinter winke, wird es niemand sehen. Ein letztes Mal. Nie habe ich jemanden getroffen so wie dich.

Donnerstag, 4. November 2004
I am mesmerised by my own beat
Like a heartbeat
(Wire, "Heartbeat")
"Die Frau ist nett", sagt sie leichthin. Er ist erstaunt, wen sie alles kennt. Man interessiert sich eben, denkt der Mann und beschließt, fortan diese Länder mit "I" zu meiden. Iowa, Indonesien, Indien und so weiter. Immer.
Nicht aber die Industrieruine. Am Fuße des Kraftwerks trieben sie sich einst rostige Nägel ins Fleisch. Ein Zeichen der Liebe, besiegelt mit einer geteilten Flasche dünnen Bieres. Ihre Stiefel sinken tief in den morastigen Schlick.
"Macht nichts", meint sie. "Die sind dicht."
Er hält ihren Arm und betrachtet die Narben. Sie sind noch immer nicht richtig verheilt. Sie trägt eine Uhr. Dabei ist es doch immer zu früh. Oder zu spät. Sie nimmt seinen Unterarm, leckt leicht darüber, schaut ihn an dabei. Wir hätten nicht herkommen sollen, denkt er.
Das ruhige monotone Brummen der Anlage summt im Hintergrund wie ein heiliges Mantra. Eine Litanei für künstlich perforierte Körper. Öffnungen für erweiterte Wahrnehmung. Vielleicht. Der Industriemensch pulsiert entlang seiner elektrischen Drähte, wie ein Roboter. Aufgeschreckt durch Radiophone und dem lilafarbenen Glühen der Magic Wands. Abgestumpfte Tiere.
"Did you ever conceive that you too can leave exactly when you like?"
(Wire, "I Feel Mysterious Today")
An den zerfallenden Mauern der Maschinenhalle hält er Ausschau.
Nach kleinen Zeichen. Etwas Eingeritztem. Ein silberner Fisch. Ein verbogener Stacheldraht. Verschlungene Initialen. Weiter vorn gibt ein zerfetztes Stück Eisenzaun eine Öffnung frei. Drüben ist das andere Land. "Hier," sagt er. Er reicht ihr ein Stück von seinem Proviant. Sie nimmt es, sieht ihn wieder an dabei. "Ich gehe allein", sagt sie.
"Ja," sagt er und betrachtet einen Wetterballon, der am Horizont verglüht. Immer allein.
Nur heute war bedingungslos.

Donnerstag, 4. November 2004
Heute ist ja angeblich Tag des Mannes, man mag es kaum glauben. Tag des rumlungernden Mannes vielleicht.
Ich wartete heute auf den fest eingeplanten Anruf aus Halle/Saale. Der kam aber nicht. Dann fiel mir ein - ha, die haben ja möglicherweise noch gar kein Telefon!
Es wird ja wohl kaum an etwas anderem gelegen haben.
Der Anruf hätte mir eigentlich im nächsten Jahr vier sorgenfreie, wenn auch arbeitsreiche Monate in einem fernen Land bescheren sollen. Was sage ich, in einem sehr fernen Land. Aber wenn die kein Telefon haben...
Dann also 1-Euro-Jobs, z.B. Nackt-Putzen. Oder Blutspenden.
Tag des Mannes. Phh.
Tag des gestrandeten Matrosen. Das wär mal ein Tag.

Dienstag, 2. November 2004
I wear my memories like a shroud
I try to speak but words collapse
Echoing
Trick or Treat
Trick or Treat
The bitter and the sweet
I wander through your sadness
Gazing at you with scorpion eyes...
(Siouxsie and the Banshees, "Halloween")
Gestern wagten sich das erste Mal kleine Kinder im Schutze ihrer älteren Schwestern bis vor meine Türe. "Süßes oder Saures" riefen helle Stimmchen hinter grüngrauen Gummimasken hervor.
Ha, Euch geb' ich gleich Saures, ihr Lorbasse! dachte ich. Aber nur kurz. Dann holte ich noch ein paar abgestandene American Cookies hervor. Fanden die gut, die kleinen Racker. Was wissen die schon vom wahren Horror hinter dreifach verriegelten Türen.

Samstag, 30. Oktober 2004
Ich bin sehr ergriffen. Mequito war so freundlich und hat einen Text von mir gelesen. Und zwar derart berührend, daß selig Elmar Gunsch nichts dagegen ist.
(Weitere Werke aus der Reihe "Blogger lesen Blogger"
übrigens hier bei Herrn Waldar und bei Herrn LeTeil.)

Wer drangvolle Enge zu den angenehmeren Eigenschaften eines Museumsbesuchs zählt, kann sich neuerdings in die Edward-Hopper-Ausstellung in Köln wagen. Werktags wie am Wochenende drängen sich ADS-herausgeforderte Schulklassen und feuilletongefixte Rentnergangs zwischen kunstbeflissene Gesamtschullehrer, um in schwitzender Masse vor allem eins zu erleben: Bilder, die nach landläufiger Meinung so etwas wie Leere und Einsamkeit vermitteln.
Das Werk Edward Hoppers leidet seit 20 Jahren unter einem schlimmen Schicksal: Es wurde für die Welt der Postershops und Wandkalender kanonisiert. Der plakative Stil mit seiner reduzierten Farbigkeit und seiner meist nur unterschwellig transportierten Erotik spricht an und schmerzt die wenigsten. Dem Maler tut man damit naturgemäß unrecht. Die Schau, die Hoppers größte "Hits" versammelt, bietet zudem Gelegenheit, sich noch einmal von Farbigkeit und Pastosität der Originale zu überzeugen, die bei aller Ikonenhaftigkeit und Abgegriffenheit der Sujets doch noch Wirkung zeigen. Freudianer, die bei amerikanischer Kunst ja fast immer auf ihre Kosten kommen, können sich auch eine Freude machen und genüßlich all die roterhellten Fenster-Öffnungen zählen, hinter denen nachlässig bekleidete Frauen ihren Gedanken nachhängen.
Wer die gaffende Menge vor "Nighthawks" überragt, erkennt auch endlich, daß auf dem wohl berühmtesten Gemälde Hoppers weder Humphrey Bogart noch Donald Duck abgebildet sind, wie einem die Postergalerien dieser Welt weißmachen wollen. So ist Bildung eben nicht nur Wissen, sondern konstante Rückversicherung und unerschrockenes Betreten längst erforscht geglaubter Kellerräume.
Edward Hopper noch bis zum 9. Januar 2005 im Museum Ludwig in Köln.

Donnerstag, 28. Oktober 2004
Immer wieder betrachte ich mit Erstaunen, vielleicht auch dem Neid des Außenstehenden, den Erfolg einiger Weblogs, die sich vorzugsweise mit Themen rund um die geschlechtliche Vereinigung beschäftigen.
Um diesem kleinen verpuschelten Blog heute mal ein wenig Würze zu geben, möchte ich einen (zugegeben nicht ganz neuen) Link auf explizite Bildinhalte legen. Feingeister sehen es mir bitte nach, aber bei Vollmond muß das eine oder andere bekanntlich einmal raus.

Im Alter von nur 40 Jahren starb im August 1965 der Undergroundpoet
Jack Spicer. Der Mann, der die Poesie liebte wie das Radio ("The radio that told me about the death of Billy the Kid..."), ging an den Worten zugrunde.
"My vocabulary did this to me", waren seine letzten - Worte.
In Wahrheit erlag er seiner Trunksucht, aber das mag dasselbe gewesen sein.
Man muß mit Worten vorsichtig sein.
Niemals aber darf man zagen und Worte gänzlich verweigern.
Seid heute mal nett zu einander.
