
Donnerstag, 24. Juni 2004
Kann man mal was anderes machen. Urlaub zum Beispiel. So für einen Tag.
Muß ja nicht weit sein. Reeperbahn tut's auch. Anfahrt mit der U3, man reist ja wieder mit leichtem Gepäck.
Einchecken ins Hotel, Cocooning ist immer noch in. Dann um die Ecke zum Italiener. Was ebenso leichtes zum Abend. Köche befinden sich heutzutage ja eher in Umschulungsmaßnahmen denn am Herd oder legen ihre Finger nur noch an verbotene Früchte.
Deshalb ist das mit der Gastronomie, ähnlich wie mit dem Installationshandwerk, so eine Sache in Hamburg. Aber vielleicht aus Mitleid mit dem drohenden EM-Aus der Squadra tedesco wurde ein empfehlenswert leckeres Essen zu zivilen Preisen serviert.
Zum Nachbier rüber in die Meanie-Bar, die zweite Halbzeit läuft. Stimmung gequält. Der Name "Schneider" fällt öfter in despektierlichem Zusammenhang. Dann ist das Spiel Aus! Aus! Aus! Meaniebar leert sich, Deutschland fährt nach Haus (und kommt gebräunt zurück), Rudi macht auch das Licht aus.
Nebenan im Molotow starten pünktlich nach dem Abpfiff die Elektropunkpfeifen von
Pink Grease.
Sechs durchgeknallte Jungs aus Sheffield schmieren sich durch einen halluzigenstoffreichen Discopunksumpf, toben durchs Publikum und machen hübsch den Iggy, wie sich das mit 17 gehört. Oder 18einhalb.
Zum Schluß gibt es sogar noch einen Joy Division- Exkurs. "In a room with no windows in a corner I found truth..." (Shadowplay).
Da erweichen auch ältere Herzen.
Großartig. Gut, daß ich vorher noch schnell den Tanzkurs How to Dance Punk inhaliert hatte.
Keine Angst, die Herren machen da nicht wirklich an sich rum, tun im Rotlicht aber so. Schmierig, irgendwie. Die Glamrock-Punketten im Publikum wären kaum zu halten gewesen, hätte ich mich nicht dazwischengeworfen.
Anschließend war es spät. Und es wartete ja noch das "Kill Bill"-Zimmer auf mich. Man kann es nur vermuten: Die Braut haut ins Auge und hinterläßt ein Splatterornament (Verbrechen genug also) an der Wand. "Requiem" heißt der Raum offiziell im Kunst-Hotel. Wer das Blutbad überlebt, darf nächstes Mal zu den "Priesterkindern". Da sieht arte povera-mäßig schick aus, voll Kemenaten-style. Ist wunderbar zur Selbstgeißelung und -kasteiung geeignet, kommt aber ebenfalls als Doppelzimmer. Ist vielleicht für die zahlreichen Ex-Goths, die hier jüngst aus ihrer dunklen Vergangenheit aufgetaucht sind, ein interessanter Tip.
Für Damen mit gekrepptem Siouxsie-Haar mache ich für eine Nacht dann auch gerne noch mal den Robert.
Wenn man im "Requiem" an die Decke schaut, hat man angenehme Träume. Frühstück gibt es übrigens bis 17.00 Uhr. Zum Glück aber auch vorher.

Dienstag, 22. Juni 2004
Wie einige vielleicht wissen, hatte ich FRÜHER™ einen schwarzgefärbten Zauselkopf. Und da hier neuerdings so viel über die wunderbare Kunst des Tanzens geschrieben wird, bin ich diesem Hinweis gerne gefolgt. Für das nächste dunkelgefärbte Wochenende in den Playrooms Eurer Stadt sollte man gut vorbereitet sein. (Es hilft auch, szenetypisch die Unterwäsche wegzulassen.)
Liebe Eleven: How to dance Gothic Style.
(Schrift muß nicht installiert werden, geht auch so. Via Hyperlog)
[Edit: Geht noch weiter: How to dance Punk. Auch gut.]

Montag, 21. Juni 2004
Ihr Vater war hundertzwei Jahre alt geworden und hatte an seinem letzten Geburtstag einen Viertelliter steifen heißen Grog getrunken. Er hatte den Zeitungsreportern erzählt, das wäre seine tägliche Gewohnheit und er verdanke dieser Gewohnheit sein langes Leben. Er hatte einen richtigen Skandal verursacht und freute sich sehr darüber.
(Katherine Anne Porter, "Oma Weatherall, die man sitzenließ", 193o.)

Das Prospekt versprach eine tolle Reise. Eine Kreuzfahrt, kein Kreuzzug. Junger Mann zum Mitreisen gesucht. Auf, auf, all aboard. Leinen los und abgelegt. Das Schiff legt ab. Keiner hat gesehen, daß Titanic auf dem Heck steht.
Der Eisberg heißt Schweigen im ähnlichen Temperaturbereich. Kommunikationsverweigerung. Demütigungsszenarien. Abstrafung, um Wohlverhalten zu erzwingen. Abschneiden von Informationen und sozialen Ritualen.
Kein Kapitänsdinner. Essen am Katzentisch.
Erst lacht man drüber. Denkt, jeder Kinderkram hört von alleine auf. Steckt dann aber erst mit den Füßen, dann bis zur Hüfte im Leim. Verwickelt sich in den zähen Fäden widersprüchlicher Informationen, die sich wie ausgelassener Mozzarella um einen wickeln. Zuckerbrot und Peitsche.
Bis der Wille bricht. Oder nicht.
Die Tage ziehen sich hin. Auf der Straße herrscht Redeverbot. Demonstratives Konspirativgewisper am Telefon. Die Clique, per definitionem protofaschistoide Kadergruppe, muß instruiert werden. Soziale Rückkoppelungsmechanismen. Ausgrenzungsstrategie. Isolationshaft. Nächtliche Terrorkommandos, die Bilder von den Wänden holen, Scheiben zerschlagen. Schlafentzug. Ein Mahlstrom aus Adrenalinwirbeln. Konstante Verunsicherung. Ein Pandaemonium aus Geschrei, Weinen und dumpfen Aufprall. Darüber der pfeifende Atem der eigenen Hyperventilation. Niemand kommt hier lebend raus.
Panic Room. Eine weitere Falle.
Ein Rhythmus pendelt sich ein. Statt Quartalssaufen vierzehntägliches Wochenendbomben. Frustabbau. Offensichtlich an andere Besuchsrhythmen gekoppelt. Das alkohlbefeuerte Stück bekommt ritualisierten Charakter. Man spielt mit. Froh, überhaupt eine Rolle zu spielen. Die Abläufe folgen einem festen Skript. Lauern auf das Widerwort.
Zeit, den Notfallkoffer zu packen. Irgendwann für einen Programmwechsel sorgen. Das immer gleiche Spiel ins Leere laufen lassen. Lange kriechen, dann fällt das Schulterzucken leichter.
Diesmal nicht. Die Spiele kennt man alle schon. Sich plötzlich erinnern. Man wollte doch woanders hin. Jetzt nur noch alles herausschneiden. Ein malignes Herzensgeschwür.
Dann wieder Segel setzen.

Sonntag, 20. Juni 2004
Ich muß es noch mal deutlich sagen. Dieser Song ist der Knaller. Wenn ich doch noch mal diesen Burlesque-Strip-Laden auf der Reeperbahn aufmache, läuft da nur so Zeugs, während sich üppige Damen ganz langsam und gefährlich bewegen.
(Edit: siehe Kommentare)
via Sweetmaker

Samstag, 19. Juni 2004
... schau doch in die Referrer rein. (Alte Blogger-Weisheit)
Das unbeständige Wetter hat den Flohmarkt heute in eine ziemliche Matschgrube verwandelt. Dennoch gelang es mir, ein hübsches Bild zu ergattern, daß eine friedlich äsende Rehgruppe zeigt. Das kommt dann zum gebrennpeterten Frühstücksbrettchen.
Ein Blick in die Referrer beförderte neben hochnetter Fanpost ("Fanreferrer" - überhaupt möchte ich das mal als neuen Trend ausrufen. SMS war gestern. Heute kommuniziert man per Referrer!) - danke, danke! - auch höchst Deviantes zu Tage:
Mädchen + im + Kloster + züchtigen
Ja, das ist ein Thema. Catholic Nuns from HELL!, ein ganz eigenes Genre im Mondo Bizarro-Land. Leider kein Einzelfall. Leider natürlich auch eine ernste Sache.
Tracey + Emin + Gott
So kann man es auch nennen. "Ist es eine vergammelte Unterhose oder ein echter Emin (Wert 10.000 Pfund)", so der auch schon alte Witz über das Schaffen der von mir sehr verehrten Brit-Art-Knalltüte T. E.
Emin IST Gott, keine Frage, denn Gott ist auch in meiner Unterhose. (Ja, ER offenbart sich auch in den kleinen Dingen, schon klar, liebe Humorfreunde.) Aber meine Buxe ist nicht von T.E., sondern (Moment, nestel, nestel...) H.M. Auch gut. Und billiger.
Nabel + Loch
Ein Fall für die Fusselforschung. Gehen Sie zu Frau Sonne, die stellt den schöneren und fusselfreieren am Pool zur Schau.
Borderliner + verlieben
Böse Sache. Vade retro! Gehen Sie nicht über Los, ziehen Sie keine 4000 stachelige Rosen ein. Ziehen sie Kopf, Herz und Körper ein und gehen Sie sich lieber selbst im Kloster züchtigen.
gez. Ein Freund

Freitag, 18. Juni 2004
"Es war schon richtig, daß ich vor keinem Dieb Angst hatte, außer vor mir. Dieser Dieb aber hat nur ein Ziel: mir nichts zu lassen."
(Katherine Anne Porter, "Diebstahl", 1930.)

Dienstag, 15. Juni 2004
Aus dem Notizbuch: Die unglückliche Liebe ist kein sanftes Ruhekissen.
