
Samstag, 29. Mai 2004
"So einen Kapselriß hätte ich auch gerne."
"Wenn die in London das Wembley-Stadion wieder aufbauen, vielleicht nennen die das dann 'Unser englisches Berlin'."
(Johannes Baptist Kerner während des Pokalfinales 2004 Werder Bremen - Alemannia Aachen, 3:2.)

Irgendwie komme ich mit meinen Beiträgen nicht so recht hinterher. Heute wollte ich etwas über den schleichenden Niedergang meines Lieblingsflohmarktes schreiben.
Der liegt nämlich in einer unhippen Gegend, wo die feschen St.-Pauli-Szenemobster nicht tot über'm Zaun hängen möchten. Das macht mir nichts, denn ich bekomme dafür coole Teile für'n Euro. Nun ist es aber mittlerweile so, daß die Coyoten dazulernen: Wenn man sich morgens um neun schon auf diesen Flohmarkt begibt, dann sieht man clevere Händler, die die Stände nach günstigen Schnäppchen abgrasen. Die schönsten Dinge erwerben sie dann für einen Apfel und ein Ei, nur um diese Fundstücke dann auf den Szene-Flohmärkten jenseits der Alster für das Zehnfache an verpennte Karo-Viertel-Spackonauten zu verticken.
Die Anbieter meines Flohmarkts, meist gewiefte Händler aus den Balkanländern, haben nun rasch dazugelernt und leider Gottes ein Auge für die Rarissima entwickelt.
Die Preise ziehen an und verderben die Kunden.
Darüber schreibe ich also ein anderes Mal. Meine Aggression darob werde ich nächste Woche niederringen. Danke für die Erinnerung, Herr K.!

Wer noch Wodka im Gefrierfach hat, sollte die richtige Geräusch-Untermalung wählen.
Nastrovje!
(via Sweetmaker und Axel K)

Freitag, 28. Mai 2004
Vor meinem Besuch in der schönen Stadt Wien, bin ich ja von Frau Beyond ein wenig gewarnt worden. Unwirsche, grantelnde Gestalten in verdächtig besudelten Regenmänteln habe ich folglich erwartet.
Aber weit gefehlt. Nicht nur wurde ich sehr nett mit Blumen am Flughafen empfangen, auch die übrigen Einwohner zeigten sich von ihrer freundlichsten Seite. Eines morgens wankte ich leicht übernächtigt aus Wiens schönsten nicht-öffentlichem Pub und wollte mit der Straßenbahn zurück in den 7. Bezirk fahren. Die Tickets zieht man dort in der Tram an einem Automaten gleich vorne beim Fahrer. Wie in solchen Momenten üblich, hatte ich nicht genügend Kleingeld und beugte mich deshalb ratsuchend zum Fahrer.
"Entschuldigung, ich habe kein Kleingeld für den Automaten. Was kann ich jetzt machen?"
"Na passen's hoalt oaf, daß kaan Kontroalle koammt."
"Äh, ja. Gut. Ich bin Tourist. Was macht man denn normalerweise, um an einen Fahrschein zu kommen?"
"Es gibt Stoationen, doa können's Tickets ziehan."
Oh. Pause.
"Wo müssen's denn hian? Setzen's sich. I soag ihnen B'schaad."
Austria: 12 Points.

Donnerstag, 27. Mai 2004
Wie ich gerade in Spiegel Online lese, ist in London die berühmte "BritArt"-Kunstsammlung von Charles Saatchi verbrannt.
Unter den zerstörten Arbeiten sollen auch weltbekannte Werke von Avantgarde-Künstlern wie Tracey Emin, Damien Hirst, Sarah Lucas und den Brüdern Jake und Dinos Chapman sein.
Wahnsinn. Ich habe einige dieser Werke noch in Berlin ("Sensation") und Hamburg sehen können, darunter Damien Hirsts Haifisch und das Zelt von Tracey Emin ("Everyone I have ever slept with"), das für mich zu den eindruckvollsten und emotional berührendsten Kunstwerken der letzten Jahre zählte.
Zum Bericht in der Netzeitung, die den Titel von Tracey Emins Installation allerdings reichlich mißverständlich wiedergeben.

Dienstag, 25. Mai 2004
Look what your love has done to me
Come on baby set me free
You just keep on pushing my love over the borderline
You cause me so much pain, I think I'm going insane
What does it take to make you see?
You just keep on pushing my love over the borderline
(Madonna, "Borderline")
Fast jeder weiß, daß oftmals die genauesten, treffendsten Beobachtungen und Lebensweisheiten nicht bei den tiefsinnigsten Geistern, sondern in den unscheinbaren und unprätentiösen Formen des Volkslieds, der Bauernregel, der Redewendung zu finden ist. Im Schlager erkennen wir die Welt, und sei es nur unsere eigene, kleine innere.
Die Transzendentalisten sagten, verschwende deine Zeit nicht mit Büchern, sei kein Bücherwurm, der an den Gedanken kaut, die andere vor ihm gedacht haben. "Books are for the scholars idle times". (Und diese Zeiten kommen auch.) Geh hinaus in die Natur, erkenne Gott dort, wo er sich offenbart, in der Natur nämlich, in den kleinen Dingen.
Als deutsche Übersetzung einiger der wichtigsten Essays von Ralph Waldo Emerson besitze ich seit einiger Zeit eine Ausgabe von, laut Widmung, ca. 1917.
Ein kleines Signet rät: "Arbeiten und nicht verzweifeln". Das gefällt. "Be of use", heißt es bei diesen sehr pragmatischen, sehr amerikanischen Philosophen. Immer weitermachen.
"Die Sonne segnet die Welt", heißt der Band [sic! Ha! Synchronizität!] und trägt das Motto: "Was wir lieben, haben wir. Aber durch Begehren rauben wir uns selbst der Liebe."
"I don't want to be your prisoner, so baby won't you set me free", heißt es in dem kleinen Schlager der amerikanischen Sängerin Madonna. Borderline.
Das Begehren bleibt. Und das raubt alles. Wie nutzlos.

"... mit der Plötzlichkeit eines unter dem Fuß knackenden Zweiges."
(T. C. Boyle. América. 1995)
Aber heute geht es aufwärts.
(siehe auch hier.)

Sonntag, 23. Mai 2004
Herr AxelK hat sich eine hübsche neue Idee bei Interieur ausgedacht:
Zeig mir deinen, ich zeig dir meinen.

Samstag, 22. Mai 2004
... you shouldn't have fallen in love with? (Buzzcocks)
You spurn my natural emotions
You make me feel like dirt
And I’m hurt
And if I start a commotion
I run the risk of losing you
And that’s worse
(The Buzzcocks, "Ever Fallen in Love". 1978.)
Tagsüber, wenn die Köche keine Zeit haben, weil sie auf dem Markt die Zutaten fürs abendliche Menü besorgen müssen, lustwandeln ihre Geliebten auf den Flohmärkten dieser Stadt. Sie zeigen dann eine sorglose, nonchalante Attitüde, sagen freundlich "Hallo" und demonstrieren, wie normal, ausgeglichen und gleichgültig alles geworden ist.
Doch, malheureusement, ist nichts normal, ausgeglichen und gleichgültig. Ich war schon immer hartnäckig. Zum Beispiel vier Jahre lang. Nach endlosen Demütigungen wurden mir am Ende die Sachen im Morgengrauen vor die Füße geworfen.
Was heißt da nun "Hallo"?
Auf dem Flohmarkt gab es heute vieles. Pardon war nicht dabei.
Und jetzt bitte für Herrn Kid die alten Buzzcocks-Platten rausgekramt, alle Regler auf 10 und wie ein Gummiball durch die Luft hüpfen.
Und alles niederreißen. Danke.
I can’t see much of a future
Unless we find out what’s to blame
What a shame
And we won’t be together much longer
Unless we realize that we are the same
Ever fallen in love with someone
Ever fallen in love
In love with someone ...
You shouldn’t’ve fallen in love with

Samstag, 22. Mai 2004
Vorletzten Sommer kam Lindy, eine dreizehnjährige Freundin von uns, außer Atem zum Haus gelaufen: ein kleines Mädchen war am Ertrinken, draußen, vor dem großen Strand. Lindy wußte, daß wir schwimmen konnten, und außerdem war Yvonne einmal Rettungsschwimmerin gewesen. Also rannten wir hinunter: es war zu spät. Das Ufer war gedrängt voll von Zuschauern, die nonchalant darauf warteten, daß etwas "auftauchte". Im Wasser war ein Mann, der nach dem Körperchen suchte.
"Wer ist es?"
"Some kid."
(Tomi Ungerer. Heute hier, morgen fort. Zürich, 1983.)
