
Donnerstag, 22. April 2004
Frau Sonne treibt es wieder mal besonders bunt.
Dies ist eine Kaufaufforderung. Die Frau braucht schließlich Käseschnittchenvorräte im Kühlschrank.

Heute exaltierte Träume gehabt. Lag wohl an den Gesprächen gestern nacht. Jedenfalls träumte mir, einige Tänzerinnen aus einem Pariser Nachtlokal namens "Rote Mühle", darunter eine Frau, die sich als Nicole Kidman ausgab, hätten mich mit einem bekannten amerikanischen Filmschauspieler verwechselt und mir gewisse Dienste angeboten. Ich war sehr überrascht und überwältigt, meine gemurmelten Proteste gingen aber in einer Flut französischer Küsse unter.
Meine Therapeutin meinte, ich solle mir darüber keine Gedanken machen. Der Traum bedeute wohl, daß ich gerne ein mittelaltes Dornspeckkäfermännchen wäre. Ein Leben als lästiges Ungeziefer. Aber so weit war ich doch schon.
Ich träume lieber weiter.

Dienstag, 20. April 2004
... oder ankommen und die Seele baumeln lassen. Im Dauerregen z.B.
Miss Monolog hat ihr Angebot wahrgemacht und ein paar Bilder aus der städtebauästhetisch heftig umstrittenen Stadt an der Wupper online gestellt. Ich habe mir schnell die CD mit dem "Bergischen Heimatlied" eingeworfen und mich gefreut.
Wo so wunderbar wonnig der Morgen erwacht,
im blühenden Tale das Dörfchen mir lacht,
Wo die Mägdlein so wahr und so treu und so gut,
Ihr Auge so sonnig, so feurig ihr Blut,
Wo noch Liebe und Treue die Herzen verband:
Da ist meine Heimat, mein Bergisches Land!

Bady Minck war mir entschlüpft. Nun taucht sie mit ihrem Film
"Im Anfang war der Blick" wieder in meinem Blickfeld auf.
Sieht äußerst vielversprechend aus.
Der Film.
(via Baronesse (die mit den ergreifend langweiligen Filmen, denen man stundenlang zuschauen möchte).

Arztbesuch, Praxisgebühr (plus Blutzoll): 10,-- €
Zuzahlung Medikamente: 16,74 €
Walter Mehring, Kleines Lumpenbrevier: 2,95 €
Franzobel, Jelinek et al., Österreich: 1,-- €
Erika + Klaus Mann, Das Buch von der Riviera: 1,-- €
Stewart O'Nan, Engel im Schnee: 1,-- €
T.C. Boyle, América : 0,50 €
Stapel alte Ansichtskarten: 0,50 €
Unterhose, H&M: 7,90 €
France Gall, Twenty Classic Recordings: 12,99 €*
Serge Gainsbourg, Comic Strip: 17,99 €**
Lebensmittel, Penny: 25,14 €
Einen schönen Tag verbracht haben, erschöpft nach Hause kommen und nicht angeraunzt werden: unbezahlbar
* als Alternative hatte ich Múm in der Hand. Aber diese Musik hat momentan dieselbe Wirkung auf mich wie die Betonschuhe eines sizilianischen Familienunternehmens.
** als Alternative hatte ich Kaizers Orchestra in der Hand. Aber diese verrückten Norweger sind zwar ganz groß, aber auch ein wenig anstrengend.

Montag, 19. April 2004

Weia. Statt ctrl+alt+del habe ich gestern doch tatsächlich Apfel+F12 gedrückt. Auf diesem Shortcut ist doch aber Pathos 5.17 abgespeichert.
Da lief ja ein hübsches Programm ab.
Durch leicht herablassend-gönnerhaft wirkende Gutwünschigkeit können bekanntermaßen arge Rückstürze induziert werden. Leider mußte ich den zweiten Kühlwasserkreislauf meines kurz vor der Kernschmelze stehenden Reaktorblocks mit Rotwein füllen. Der weiße - die Hausmarke hier - war nämlich alle.
Ein kurzer Systemcheck in der Betty Ford Klinik heute brachte aber immerhin das Kontrollzentrum wieder zurück in einen weitgehend autopilotgesteuerten operating mode. "I'll be back".
Dann gab es liebe kondolierende Grüße gespickt mit rheinischen Fotos. Dank noch mal an dieser Stelle. Sehr aufmerksam. Der Tag war verregnet, aber unten am Hafen ist es auch bei diesem Wetter interessant. Die Kehrwiederspitze wurde allerdings weiträumig umgegangen.
120 Tage heute. Da lasse ich am besten diese Mädels kommen, die für meine "Moulin-Rouge"-Revue ("Spektakulär, spektakulär!") vortanzen wollten.
Das ist so oder so die einzig richtige Antwort. Andererseits lauern wie überall auch hier Gefahren.

Vier Jahre. Jede Woche ein Brief oder eine Postkarte. Ziehen wir für Urlaube was ab. Macht 50 Wochen pro Jahr. Macht 200 Briefe oder Postkarten. Die Hälfte kam nicht an, aus diesen oder anderen Gründen.
Zurück kam nur eine Karte.
Deren Text kenne ich auswendig.
Die Quittung kam später.
"Du hast doch um meine Freundschaft gebettelt."
Ja, so war es dann wohl. Ein Versehen sicherlich. Wie konnte ich nur. Aber ich solle mir nichts daraus machen. Ich hatte es ja nicht gelernt.
Dann macht es ja nichts.

Montag, 19. April 2004
I don't know what to say
you don't care anyway
(New Order, "Crystal")

"Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht. Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor, und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte."
(Franz Kafka. Amerika. "Der Heizer". 1935.)

Heute war ein warmer Tag. Der Mann, weder sechzehn (zum Glück) noch vom Dienstmädchen verführt, sitzt am Kai an der Kehrwiederspitze und schaut nach Amerika. Keine falsche Moral treibt ihn hinaus. Es war ein Tag, wie mit dem Schwert gezeichnet. Früher oder später, sagt man dann für gewöhnlich. Früher oder später wäre dieser Tag so oder so gekommen. Nun war es früher oder später. Das ist keine Frage der Uhrzeit. Man hält es zusammen, so gut wie man kann. Und sieht es zerbrechen. Ein Uhrglas zerspringt.
Nachts ist es immer noch kalt. Stimmen aus einer Ferne. Hundegebell. Auf verrosteten Gleisen steht eine ausgebrannte Lokomotive. Am späteren Horizont eine Kette aus Licht. Das ist die Köhlbrandtbrücke. Man lauscht dem monotonen Gesumm eines öligen Generators. Auf halbem Weg, zwischen niemand und nichts, liegt ein russisches U-Boot vertäut. U-434, ein schwarz-metallener Wal, abweisend und kalt. Ich klopfe an.
Doch der Kapitän hat das Boot verlassen.
"Alle Angst der letzten Stunden verschwand." (Kafka, Fragmente.)

Samstag, 17. April 2004
There is no end to this
I have seen your face
But I don't recognize all these things
You must have left behind
Heute mittag auf dem Flohmarkt.
Zwei gefallene Engel. Mit gebrochenen Flügeln.
Sie haben aneinander nicht helfen mögen.
But then, this is only an assumption. Most possibly the girl is happy as a kitten in the sun. The boy though, like a worm, takes another path.
There is no room to move
Or try to look away
Remember, life is strange
But life keeps getting stranger every day
(New Order, "Procession")

Freitag, 16. April 2004
Denn mein nächstliegendes Buch hat auf Seite 23 keine 5 Sätze. Jedenfalls, wenn man das Semikolon nicht mit dem Satzende gleichsetzt.
Der halb-fünfte Satz aber lautet: "oder vielleicht schreibe ich, wie andere auch, aus Ehrgeiz, um mich darzustellen: scire tuum nihil est nisi te scire hoc sciat alter [Dein Wissen ist nichts, solang nicht ein anderer weiß, daß du weißt]."
(Robert Burton. Die Anatomie der Melancholie. Mainz: Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, 1988. Original von 1651.)
(via alle möglichen blogs zur Zeit)

Freitag, 16. April 2004

Die altehrwürdige Karstadtfiliale an der Mö(nckebergstraße) überrascht mit einer neuen Schaufensterdekoration. Kaum war Ostern vorbei, flogen die dicken Eier und scharfen Häschen raus. Nun gibt es die neugelistete Dessouslinie von "May B." zu bestaunen, die mir neulich schon in der Damenwäschabteilung auffiel. (Ja, ich ziehe mich zum Spülen immer schick an.)
Dazu ganz fachgerecht andekoriert passende Utensilien. Parfümflakons, biegsame Dirigierstäbe für Pferde, ergonomisch geformte Vibrationsalarme (nun sogar in schrillen Mustern, aber ohne Wechselschalen)... die Kundschaft staunt. "Ja, sind wir denn auf St. Pauli hier?"
Frühling, du bist's!

"Eine 'Horror-Romanze' nennt die australische Schriftstellerin Anna Funder ihre Liebe zu Ostdeutschland."
(KulturZeit, 3Sat)
Nur zur Gedächtnisauffrischung die zehn Gebote.
Mehr Freundlichkeit, bitte. (via bara)
