Montag, 19. April 2021


Endlich ans Steuer!


Der Belotti (Foto von Belotti Motors)

Mein Leben habe ich bislang als geübter Beifahrer geführt. Zwar besitze ich einen Führerschein, hatte aber nie den Drang, ein Auto zu besitzen. Ich kann halt Karten lesen und Getränke öffnen, dazu adhoc Routen entwerfen - die Welt aus der Sicht des Nebensitzes ist erlebnisreich genug. Da trifft man auf Fahrer:innen, die ungern geradeausfahren. Sagt man, fahr einfach geradeaus, wird urplötzlich - gerne flott - nach links ab oder rechts abgebogen. Fragt man freundlich interessiert W1ESO?!?, dann ist da ein Schild! gewesen oder ein dachte ich, die selbstredend gut begründete (Schleichweg! das Dorf mit dem lustigen Kirchturm! der Plan war doch!) Geradeausfahrt jedoch beendet. So aber lernt man Flexibilität.

Oder Fahrer:innen, die mit dem Blut Emerson Fittipaldis betankt sind, mit Gaffa-Tape zusammengeflickte Autos fahren, diese aber sehr schnell, vielleicht noch fluchend und schimpfend über andere Mobilisten, so daß man mit den Händen vor den Augen im Sitz kauert, schwitzt, Ave Marias und "Der Herr sei mein Hirte" vorwärts und rückwärts deklamiert sowie edukative Mahnungen und am Ende seinem Herrgott auf Knien dankt. Schicksalsergebenheit verzeiht dabei vieles, man kommt schließlich rum, und das auch noch rasant. So aber lernt man seinen Hut festhalten.

Als Beifahrer jedenfalls fühlte ich mich im Leben oft wie Cary Grant, was auch der Titel meines Debütromans sein könnte. So aber lernt man Gelassenheit.

Jetzt bin ich erstmals interessiert, selbst das Steuer zu ergreifen und ein Auto zu besitzen. Die Schweizer Firma Belotti Motos hat nämlich einen Prototypen vorgestellt, der in Einfachheit und Form faszinierend ist. Retro-nostalgisch, von der Gestaltung zwischen Seifenkiste und Fahrrad, mit ausreichend Platz für Beifahrer und Picknickgepäck. Die (elektrisch erreichte) Höchstgeschwindigkeit liegt bei sicherheitssensiblen 20 km/h, als Hupe erwarte ich eine Blechtröte wie bei der Walton's Family, und die Scheinwerfer werden hoffentlich durch Retromodelle wie am Hollandrad ausgetauscht.

Wenn man überlegt, daß 120 Prozent aller Autofahrten reine kurze Stadtfahrten sind, muß man sich ja eh fragen, wieso nicht alle solche platzsparenden Modelle bewegen statt tonnenschwerer Stadtpanzer. Gemüsekiste, Karton mit sechs Flaschen Wein und ein viel versprechender Kopf Brokkoli passen garantiert hinten auf die Ladefläche. Drei Topfpflanzen und ein Beistelltisch vom Ikea sicher auch. Oder ein Hundetransportkäfig für den Weg zum Tierarzt. Oder eben Schlauchboot und Schlafsack für die Fahrt zum Nordkap. Autofahrer in Hamburg rasten allerdings ganz sicher aus, wenn man damit wie mit zwei Fahrrädern nebeneinander vor ihnen durch die Stadt juckelt. Gute Nerven und gute Gebete braucht es also weiterhin. So lernt man eben das Leben als Fahrer begreifen.

>>> Geräusch des Tages: Motoren-Sound sehr alter Schule