Samstag, 9. Februar 2019


Frank & frei



Wir Nachbarn hier im Haus tauschen regelmäßig Plunder unten im Treppenhaus, machmal lege ich ein Magazin oder ein selbstgemaltes Bild dazu, und neulich stellte jemand zwei ungenutzte kleine Leinwände raus. Ich verstehe das als eine Anerkennung und Aufforderung. Die junge Dame im Erdgeschoß, so vermute ich, legte die Tage einen kleinen Stapel Illustrierte raus, so grüne bis gelbe Titel, aber darunter ein Magazin, das ich auf gut Glück herauszog, weil der Knabe auf dem Cover mir irgendwie ähnlich sieht.

Ihr glaubt natürlich an Zufälle, aber oben in meinem Leuchtturm stellte ich fest, daß es sich um eine Art Hipster-Magazin aus, ihr ahnt es, Australien handelt. Es gibt noch ein paar mehr, sogar richtige Pointen dabei, aber die gehören nicht hierhin. Jedenfalls, wenn ihr wie Kafkas Maus denkt, die Welt sei aber ganz schön groß, dann habt ihr im Grunde schon die Laufrichtung geändert, seid im Grunde in 20 Minuten am Flughafen und quasi schon um den halben Erdball, also seid ihr. Mit Magnet- oder besser: Lesegeschwindigkeit.

Denn gute Magazine sind Fenster zur Welt, in irgendwelche unbekannte Kulturen oder imposante Anblicke und extraordinäre Ansichten. Die bringen das alles lesestuhlnah. Kürzlich habe ich eins in Frankreich bestellt, das kam in seiner eigenen, bedruckten Stofftasche daher, comme ci, comme ça. Sehr hübsch. Auch innen. Normal, könnte an meinen, solche Mühe aber ist natürlich nicht überall. Dieses Jahr habe ich ein britisches Kunstmagazin abonniert, bei dem ich gespannt bin, mit welchen Anstrengungen es wohl nach dem Brexit zu mir findet.

Viele Magazine, die mich interessieren, gibt es hier nicht oder nur in versteckten Läden, dort dann wieder nicht immer, aber das ist anderen großen Städten auch nicht anders. Titel wie Cabinet oder Fleisch oder Beautiful Bizarre. Als gebe es ein bedingungsloses digitales Grundeinkommen, möchten ja viele gar keine Magazine mehr kaufen, sondern nur online lesen. Aber einmal sah ich eine junge Frau in der U-Bahn in der aktuellen Ausgabe des Hi-Fructose-Magazins blättern, wo ich dachte, es gibt sie noch, die ordentlichen jungen Menschen und sie fahren sogar durch meinen polyestergekleideten Stadtteil. Gut, vielleicht hatte sie es geklaut, sie sah aus wie eine arme Grafikerin.

Wenn ich die 49 Millionen aus dem Eurojackpot endlich kriege, kann ich mir jedes Magazin dieser Welt kaufen und muß natürlich ein Haus mit entsprechend großem Lesesaal drumherum bauen. Die Ausgelesenen lege ich dann immer vorne auf die Treppe. Frank und frei.