Donnerstag, 20. Dezember 2018
Während die Tage wie so eine keuchende Dampflok auf schlüpfrigen Steigungen durchschnauft werden wollen (heute Arbeit am heiligen Vormittag diskutiert als wären wir Last-Minute-SOS-Geschenkverkäufer), sitze ich abends im dehydrierten Dämmerzustand vor Sendungen wie "So schmücken WDR-Redakteure ihre Weihnachtsbäume oder reinigen nach dem Gänsebraten ihren Backofen" (Tamina Kallert: "Das macht mein Mann.") und blättere mich durch Kindheitserinnerungen.
Wenn ich in den Spiegel sehe, weiß ich nämlich, daß ich irgendwie auch keine 37 mehr bin. Dabei sah die Zukunft früher so... futuristisch aus. Auch gefährlich, natürlich. Atomangst, Monsterangst, Kommunistenangst, Extraterristenangst. Und offenbar auch Frauenangst, wenn man das wirklich ganz großartige Buch von Ryan Heshka durchblättert.
Seine "Mean Girls" zeigen eine B-Filmwelt aus bösen Banditinnen ("Red Beaver Bandit"), ambitionierten Heimfilmern mit fischigen Angeboten, handfest ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten am Sonderangebotsstand und dazu Roboter, Flugmaschinen und schnittige Acht-Zylinder-Autos.
Der Künstler stammt aus Manitoba und Winnipeg, hat als besondere Auszeichnung schon mehrfach bei Feinkunst Krüger in Hamburg ausgestellt und macht unter anderem auch hübsche (und leider schwer erhältliche) Kinderbücher. Seine Fatales sind ein schöner Überblick übers - fatalistische, aber bonbonbunte - Werk.
Ich habe gestern gelesen, Reportagen sind immer dann am besten, wenn in ihnen Musik erwähnt wird. Ich denke, zu Ryan Heshka läuft im Hintergrund entweder droniger Twin-Peaks-Jazz oder aber The Cramps. Dazu haut man sich einen beim Tanztee erbeuteten Stiletto auf den Kopf und trinkt ein toxikologisch schrillfarbenes Getränk.
David Lynch sagt: "I absolutely love your work" (er meint Heshka), Guy Maddin: "It's a great book!" Kid37 meint: "Stunning!"
>>> Webseite von Ryan Heshka
(Ryan Heshka. Fatales - The Art of Ryan Heshka. Paris: Cernunnos, 2017.)