Samstag, 13. März 2010


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Geräusche, von als man jung war, und selbst heute sind es keine guilty pleasures, sondern immer noch Knaller. Vor Jahren war ich mal auf einem Konzert von Die Braut haut ins Auge in Solingen, kleiner Club, man schwitzte sich von links nach rechts, da coverten die Bräute das Stück, das knallte sogar noch mehr, schring, schring, schring, ich glaube, ich war damals mit einer Freundin dort, die da aber bereits meine Exfreundin war. Oder war das später, bei Les Rita Mitsouko? Gott, nicht einmal das kann ich erinnern, ist natürlich auch kompliziert, dabei denkt man sich immer, Details, Details, die machen die Suppe fein, den Kuchen gel, das erinnert man noch auf dem Sterbebett.

Nix da. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich nicht doch eine Blondie-CD irgendwo habe. Ich meine, ich besäße eine, aber wo, wo, wo, die sind alle übereinandergestapelt und nebeneinandergestapelt, aber ohne wirkliche Ordnung, und ich weiß noch, daß ich Alben habe, also Langspielplatten, wie das damals hieß, aber dann gibt es ja Youtube und das ordnet sich nur dann ins Chaos, wenn es die SonyWarnerBMG universal verbietet, bestimmte EMI-Geräusche zu hören.

Ich wollte was erzählen. Das war, bevor ich eine Schlaffe Bordeaux öffnete, supérieur heißt es auf dem Etikett und er schmeckt auch so, so weit ich das überhaupt beurteilen darf. Man muß ja heute immer fragen, will man nicht als selbsternannt gelten. Selbsternannter Blogger, du! heißt es in Schimpf und Schande, ein Wort also wie früher Pseudo oder Popper.

Jedenfalls, weiter im Text, ich habe nicht ewig Zeit, Wochenende muß auch schon wieder gestaltet werden, dieser Stress immer, wo kam der eigentlich her und ungefragt? Also, Moroder-Synthesizer, Herz aus Glas, muß man auch erstmal mit der Band zusammenbringen, die eigentlich kurz vorher noch so klang, also eher wie eines dieser kaputten Auszieh-Blogs.

Zuletzt sah ich Debbie Harry in Elegy, einem dieser umstritteneren Philip-Roth-Verfilmungen, die ich aber ziemlich gut fand, weil Penélope Cruz darin ein paar Szenen von großer Wahrhaftigkeit hat, in denen sie Kingsley an die Wand spielt. Debbie Harry spielt die Ehefrau von Dennis Hopper, der neben Patricia Clarkson die zweite große Nebenrolle hat - beide mit ebenso wahrhaftigen, leider immer nur kurzen Auftritten. Harry, jetzt aber mal zu Ende bringen hier, ist gar nicht zu erkennen, sie hat sich verändert also. Aber so, daß man denkt, endlich nicht mehr dieses Ableck Abziehbild, sondern eine wirkliche Person.

Was wollte ich eigentlich sagen? Ach so, Blondie sah ich dann in Hamburg vor ein paar Jahren, als nach langen Jahren Chris Stein wieder weniger krank war und sie das Comeback mit "Maria" hatten. Die Karten, kann ich das wenigstens bitteschön noch richtig erinnern, hatte ich im Radio gewonnen. Das ist in Hamburg so. Da ist ein Konzert, dann ruft man bei einem der 37 Privatradios an, die Nummer steht morgens in der MoPo, dann schreibt eine Praktikantin den Namen auf und man geht abends zur Kasse, sagt hier, kid37 plus eins, und schwupp steht da Blondie auf der Bühne. "Plus eins", meine Güte, ich muß jetzt aber wirklich mal zum Ende kommen hier, war meine Freundin, wie sich das gehört, obwohl ich jetzt gerade nicht weiß, ob wir da zusammen waren oder nur so, jedenfalls war es ein super Konzert, auch wenn ich fand, daß Debbie Harry (also die aus Elegy) ein wenig wie ein US-Hausfrauenmuttchen aussah, in Leggings nämlich und lange nicht so wahrhaftig als Person wie in Elegy (diese Philip-Roth-Verfilmung, ihr paßt doch hoffentlich noch auf?) und leider auch nicht wie ein Ableck Abziehbildchen, und Chris Stein, der irgendwie doch noch kränker wirkte als ich dachte (ihr erinnert euch, Chris Stein hatte ja diese geheimnisvolle Krankheit) schien irgendwie nicht ganz da.

Ich jedenfalls war mit meiner Freundin da. Und die, jetzt komme ich aber zum eigentlichen, hat heute Geburtstag und deshalb, was sonst, habe ich natürlich diesen Bordeaux aufgemacht. Supérior, ich habe es doch immer gesagt. Baby, habe ich gesagt, wenn wir es eines Tages geschafft haben werden, hier in Hamburg, mit Pürierstab und allem, the spicks and the specks, dann wird aber nur noch edler Wein fließen und nicht mehr diese Plörre vom Aldi. War doch jetzt gar nicht so kompliziert. Cheers. Du siehst bestimmt keinen Tag älter aus als damals.

>>> Geräusch des Tages: Blondie, your hair is... usw.


 



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Nach einigen Tagen Mitansehen, Kopfschütteln und zwischendurch immer wieder Luftholen zeigt sich, daß es sogar eine Webversion der Gentrifizierung gibt. Da bauen und wohnen Leute über Jahre in ihrem Block, machen ihre Straßenfeste, tragen ihre Keilereien aus, am Ende meist friedlich - dann rücken welche nach, kaufen sich Lofts, wollen als erstes die Wände rausbrechen, die Häuser in sehr flauen Farben anstreichen, alles auf Vordermann bringen und neue Parkzonen und Regeln fürs Zusammenleben einrichten. Die alten Mieter indes werden als ungebildetes Pack beschimpft, die doch froh sein könnten, und nach und nach aus dem Viertel gedrängt. Auf dem Rückzug brennen ein paar Autos, andere arrangieren sich, es assimiliert sich alles weg.

[aus dem Buch: Dinge, und wie sie Zeit kosten]