Montag, 8. März 2010


Stapfen im Schnee



Der Winter bäumt sich auf, leistet Widerstand wie ein kleines gallisches Dorf, legt, statt es auch mal gut sein zu lassen, immer wieder nach und oben einen drauf: Schnee. Schlaflos und zernervt und das ganz ohne Vollmond Sonntagsruhe gesucht. Kann man ja mal machen. Am Eingang zum Friedhof wartet eine junge sensible gotische Dame, die aufmerksam ihren Führer studiert, ansonsten aber scheu auf den schneebedeckten Grund starrt, ehe sie eintaucht, ein schwarzer Fleck im verwehten Weiß, der langsam kleiner wird. Ich harre weiter aus, zwei alte Damen kämpfen sich wacker durch den Schnee, die sonntägliche Runde zu den Ehemännern, so denkt man, verhangener Himmel, ich wälze Sätze von Thomas Bernhard im Kopf, Menschenfreundlichkeit zu üben.

Endlich geht es los, querbeet möchte man sagen, ein munteres Expeditionsteam im munteren Gespräch. Der Schnee nivelliert vieles, nicht aber Größenunterschiede und manchmal ragt von meiner Begleitung nur viel schwarzes Haar heraus. Mein Gerede verstehe ich als akustisches Leitsignal, während man kreist: um das Tote und das Lebendige, hop oder top, Pop oder Rock. Eiskalter Sauerstoff dringt ins Lungensystem, eine hochprozentig beeinflußte Frau steht plötzlich da, fragt nach dem Weg zu "ihrem Grab", hält dann ein Auto an und fährt davon, eine dieser Erscheinungen und Begebenheiten, mit denen, so sage ich, schlechte Horrorfilme beginnen. Per Anhalter auf dem Friedhof fahren, will man da zusteigen, jemanden mitnehmen?

Dort drüben, sag ich und stehe bis zur Hüfte im Schnee, hatte ich mal ein improvisiertes Picknick, das ist aber auch schon wieder her. Die eigene Landkarte, kleine rote Nadeln stecken. Immer neue Geflechte breiten sich aus, wie irregeleitete Kaninchenspuren im Schnee, dreibeinige Hoppler, sich überschneidende Wege, Verbindungen, Verkettungen, und am Ende steht man da, wie die Menschen in "Der Eissturm". Spiegelglatte Wege. Man muß so vorsichtig gehen.