Donnerstag, 14. Januar 2010


Heinwerken

Ich schau mich um
und seh' nur Ruinen.

(Fehlfarben, "Paul ist tot")



"Am Rhein lebt man erst, wenn es nebelt und näßt", behauptete er einst, aber vielleicht reichte der Hamburger Winter, sich im sehr gepflegten und mir aus der benachbarten Heimat eben gut bekannten Mißmut einzurichten und in einstudierter Lustlosigkeit in den Sessel zu fläzen. "Jetzt, wo das Bier schon mal offen ist", deutete seine offensiv demonstrierte Unvorbereitetheit Spontaneität an, "können wir ja auch mal was lesen und über alte Zeiten sprechen". Ganz leicht machte es Peter Hein seinem Publikum nicht. Mitreißen war nicht das Motto, mitreisen mußte man schon selbst. So las er launige On the Road-Anekdoten und ätzende Ortsbeschreibungen aus "Geht so", sehr Richtiges und vom Publikum anerkennend Goutiertes über Hamburg in der irrigen Meinung, nun eine Beleidigung ausgesprochen zu haben (Nein, Herr Hein, es stimmt, hier ist tatsächlich immer Dom - und wenn nicht Dom ist, dann wird er gerade auf- oder abgebaut). Er riß zahlreiche Erinnerungsfetzen an, erzählte die Düsseldorfer Punk-Historie im Schnelldurchgang, textete sich von Charley's Girls, Mittagspause bis Family Five, allesamt Bands, bei denen er dabei war, und kreiste natürlich immer wieder um die Fehlfarben, die gleichsam bejubelte und immer wieder vergessene letzte große, wichtige deutsche Band seit den Ton, Steine, Scherben.

"Lärm nur mit Drähten und toten Tieren macht nicht sooo viel Sinn" erläuterte er seinen Weg zum Mikro. Seine Geschichte ist die einer ewigen Verweigerung. Ausstieg aus der Band, nachdem diese gerade ihr wichtigstes Album aufgenommen hatte und am Vorabend einer Tournee stand, rastlose Kehrtwenden, andere Anzüge, neue Namen. "Letzter Aufruf Peter Hein", titelte einst die Spex und wünschte sich einen Star herbei. "Fehlfarbe" Hein fügte sich aber nicht ein - was man gut finden kann oder wenig mutig, seine Sache. Oft amüsant, heute aber, die kleinen Seitenhiebe gegen Kollegen und Weggefährten, manches nur in angedeuteten Anekdoten, bei denen es hilfreich war, wenn man die Verhältnisse damals um die 80er herum zwischen Ratinger Hof , Düsseldorf und Wuppertal zu kennen, sich an die kleinen Geschichten und Geschichtchen, Lieben und Liebschaften, Bewunderung und Feindschaften zu erinnern. Jetzt ist alles später, grauer, langhaariger, und als Hein begann, dachte ich für eine Millisekunde, Jürgen Becker eröffne einen Kabarettabend. Aber der ist ja nun Kölner. Der rheinische Sound jedoch ist selten genug hier in der Stadt, und Hein hatte wirklich lustige Geschichten dabei. Erinnerungsware, Rock'n'Roll wird ja immer gern genommen.

Heute lebt er in Düsseldorf und Wien, alles richtig gemacht also. Am Ende schrieb er mit eine nette Widmung unter die andere Widmung in meiner Ausgabe von Geht So. Erinnerungen aus dem Tal . Das war vor Jahren.

>>> Geräusch des Tages: Fehlfarben, Das war vor Jahren