Donnerstag, 28. Mai 2009


Das Gedächtnis wird oft zum Sklaven der Hoffnungslosigkeit

Das Gedächtnis wird oft zum Sklaven der Hoffnungslosigkeit. Verzweifelnde Gemüter rufen sich jede dunkle Ahnung der Vergangenheit in die Erinnerung und brüten über jeden düsteren Gedanken, der ihnen die Gegenwart einflößt; so bietet das Gedächtnis dem Gemüt im Gewande der Buße einen Kelch voll bitterer Galle und Wermut dar.
(C. H. Spurgeon. Abendandacht zum 28. Mai.)



How utterly, utterly unterhaltsam dieses gefundene Buch doch ist. Man fühlt sich ja, als Sklave des Herzens, an jeder Stelle ertappt. Und was sagt C. H. Spurgeon zu düsteren Erinnerungen? Und doch ist das ganz unnötig. Wunderbar, einmal sagen muß das doch ein Mensch: Und doch ist das ganz unnötig. Nachdenken muß man! Denn: Die Überlegung kann aber das Gedächtnis leicht in einen Engel des Trostes verwandeln.

Ein Engel des Trostes, eine Sister of Mercy, barmherzig schleichen sich in Fetzen gehüllte Archivare durch den spinnwebverhangenen Gedankenspeicher, unter dem Arm einen Stapel brüchiger Papiere, die Namen und Bezeichnungen und Verhältnisse enthalten, die täglich über meinen Schreibtisch wandern, die ich aber selten nur zu fassen kriege. Wie hieß der noch? überlege ich ein ums andere mal, schaue in dieser oder jener Schublade, um Dinge und Bezüge zu verorten. Und das ist doch das wahre Ärgernis, daß man die Lappalie erinnert, die einst empfundene Ungerechtigkeit, den unbedeutenden Tritt auf den Fuß, den Akkord eines nur kurz verstimmten Klaviers, den scheelen Blick des Sitznachbarn, nie aber den Namen dieses Regisseurs, der doch diesen ganz wunderbaren und zauberhaften, wie war noch gleich der Titel, Film gemacht hat mit dieser Dings... Nein, die Archivare, ihr leises, heiseres Kichern hallt noch irgendwo unbestimmt von ferne, haben das Papier, auf dem alles verzeichnet ist, längst in eine Kiste gesperrt, den Schlüssel abgezogen und wie man auch denkt und am Schloss kratzt und auf den Deckel hämmert, es will und will nicht heraus. Als Sklave der Hoffnung folge ich den Fußspuren dieser Bibliothekare durch den Staub des düsteren Dachbdodens, tapp, tapp, tapp über stöhnende und ächzende Dielenbretter, wie der Indianer, der man ja einst werden wollte, schleiche ich hinterher, den Ursprung zu finden, den Anfang von allem, den verdammten Schlüssel.