Mittwoch, 23. Juli 2008


Maison de rêve

Eigentlich dachte ich immer daran, meine Wohnung nach und nach so einzurichten wie im Video zu Closer. Nichts Aufdringliches, gedeckte Farben, mechanische Wunderträume und ein kleiner Hauch Gemütlichkeit. Bei Apartment Therapy, sonst immer eine hilfreiche Konsultationsquelle, hieß man mich einen hoffnungslosen Fall, andererseits will man im Leben ja nicht alles selber machen.

Nun hat Kelly ein Haus in Brüssel entdeckt, das mir wohl gefallen würde: Das Maison Autriqe ist in mehrerer Hinsicht ein Traum. Ausreichend Platz für eine kleine Addams-Familie, einen bullernden Ofen, in dem ein Kuchen backt, Krempel Schätze auf dem Dachboden, verborgene Winkel und viele gute Gedanken, die vielleicht nur ein wenig abgestaubt werden müßten. So wie ich.

>>> Maison Autriqe


 



Graumilch

Mercy. Als der Zug sich der großen Stadt nähert, Duffy in meinem Ohr etwas von zerbrochenen Träumen summt, verdunkelt sich der Himmel, kriechen schwere Wolken langsam über den Horizont. Die Regentropfen verwischen am Fenster, schlieren vom Fahrtwind gedrückt über die Scheibe, flüstern in eine Richtung, säuseln und locken, doch ich folge einer anderen Bahn.




Stepping Stone. Wie alles verschwand, nachließ, zurückwich. Die Fotos, die Zettel, schließlich die Zeit, die Mühe, das Wir. Wie Wörter keine Sätze mehr bildeten. Und wie man sich aber alles zurückerobern muß, wie man zulassen muß, daß es zurückwächst, man selber nämlich, heißt das, Stück für Stück. Das Verlorene, freimütig Verschenkte und Gestohlene. Wie es plötzlich ein Vorteil ist, die Stadt nicht zu kennen, ihre Nacht nicht und kaum ihre Tage. Ihre Orte. Weil wenigstens sie nun frei von Erinnerung sind.



Hanging On Too Long. Sind sie aber nicht. Der Stadtplan ist gespickt mit glitzernden Klingen, es heißt, man habe einen Koffer in der Stadt. In der Suicide Pension, fahlgelbes Licht mitten im Niemandsland zwischen Notaufnahme und Notstandsgebiet, sitze ich tief nachts oder früh, wer will darüber richten, an einem sehr kleinen Tisch, öffne ein Care-Paket, esse Kuchen. "Zuhause ist, wo du willkommen bist." Und nicht nur Gast. Viel später klappe ich das Messer zu.




Serious. Mit melancholischer Bescheidenheit und leicht katergedämpfter Ruhe lande ich am nächsten Tag erst bei Araki, später dann ausgerechnet und jenseits jeglicher Absicht in einem Café, in dem der Kreis sich schließt. Es sind die richtigen Fragen, die ernsthaften Sätze, das Gefühl, nicht vergessen zu sein. Ich sage, du hast da etwas leicht Irritierendes auf deiner Jacke. Und bin hingerissen.




Rockferry. Als ich später die Pflaster am Tisch eines Restaurants abnehme, strömen Grimm und Erinnerung zwischen zerbrochenen Biergläsern in mäandernden Bächen über den Tisch. Man schüttelt den Kopf, sucht einen Pfad, ich zeichne derweil eine Karte neu. Wir bestellen eine Runde Getränke. Sie heißen "Heitere Aussicht".

Auf der Straße wummert Musik, Menschen wagen zu lachen, wir beobachten die Lichter, sichern Terrain, dann schmuggelt man mich auf eine dieser Parties. Es ist Fashion Week. Junge Menschen, sehr jung, sehr dünn, tanzen zu Devine im Elektroclashmix. Auf der Treppe kommt mir ein bekannter deutscher Schauspieler entgegen, hüpft an mir vorbei, die sind immer so klein, sie strahlen deshalb doppelt so breit. Das Haus, wie entkernt, ist gefüllt mit synthetischem Schweiß und neonfarbenen Lichtern.




Warwick Avenue. Wenn man Antworten sucht - nun, da ist die Tür. Am Sonntag bricht wieder die Sonne durch, und ich gehe in den Park, der noch Spuren trägt. Ich laufe über die Wege, in festeren Schritten, markiere die Pfade neu. Es tut mir so leid, denke ich. Ich mußte alles töten, damit ich... was eigentlich. Das Wegegewirr nun, die neue Karte - es sieht immer noch nicht, noch lange nicht aus wie Kansas. Nein.

Manches eben kann man nur glauben. Und man darf eins nicht vergessen: Was immer sie dir auch erzählen - du kannst immer nach Hause zurück.