Mittwoch, 7. November 2007
(Jonathan Meese)
Ohne Herrn Ichichich hätte ich es vielleicht gar nicht mitbekommen:
In der Reihe Keine Diskussion befragte Moritz von Uslar unser aller Lieblingskünstler Jonathan Meese zum Thema Sex. Der Saal war zum Knuddeln gefüllt, Musik von Metallica (nur vom Band) peitschte die erwartungsvolle Stimmung nach oben, künstlicher Weihrauch Nebel stieg allerdings nicht auf. Im Publikum ein wenig Hamburger und andere Semi-Prominenz. Eine NDR-Moderatorin, der ich zuvor jegliches Interesse für das Schaffen des Künstlers glattweg abgesprochen hätte, zog im Dunkeln plötzlich eine Brille auf, ein als "Popliterat" auch bundesweit bekannter Mensch unterhielt seine kleine Entourage mit sehr eckigen, sehr fahrigen Bewegungen, sich dabei immer nervös und hektisch umschauend, als erwartete er einen Lieferanten oder Autogrammwünsche.
Jonathan Meese, derzeit auf Platz 227 der BloggerKünstlercharts, war dann plötzlich da, körperlich, und stellte sich den Fragen von Moritz von Uslar. Es ging um Geschlechtsmerkmale ("unwichtig"), Pornographie ("immer"), Betten ("mehrere") und die Nr. 1 - das ist derzeit die US-Aktrice Scarlett Johansson ("Der Pferdeflüsterer"), die in einer gelungenen Montage ("In der Kunst gibt es keine Probleme") nackt mit dem Meister posiert.
Das war oft lustig, öfter noch ganz nett, manchmal auch bloß unvorbereitet - an manchen Stellen ("weiß ich nicht") kamen die Antworten ein wenig uninspiriert daher. Aber das macht nichts, die Hamburger sind freundlich und Meese ein Mensch, den alle nur liebhaben wollen. Immerhin fielen alle wichtigen Begriffe aus dem Meeseversium: Tierbabies, Erz, Pimmel, Demut & Revolution, Diktatur der Kunst - ein leichtes Spiel für Eingeweihte, Quereinsteiger wunderten sich über das heitere Gelächter im Saal. Ein wenig war es so, als stünde ich auf einer Bühne und zählte einfach Begriffe wie "Ringelstrümpfe" oder "tote Tiere" auf und beendete jede Erläuterung mit "immer weitermachen". Wer hier erst seit zwei Stunden mitliest - Hallo! - kratzt sich vielleicht am Kopf, andere machen mit der Hand Wischerbewegungen vor dem Gesicht und eine dritte, ausgesprochen sexy Gruppe weiß Bescheid!.
So gesehen, könnte ich eine zeitlang Jonathan Meese doublen, denn mittlerweile geht mir sein Wortschatz schon recht flüssig über die Lippen. Leider habe ich zwar, wie nebenbei zu erfahren war, offenbar dieselbe Hosengröße wie der Meister, besitze aber nicht länger dieses kräftige Haupthaar, so daß es schon in Ordnung geht, daß er seine Bilder für weit mehr Geld umsetzen kann als ich etwa ausgedruckte Blogseiten. Ist doch herrlich, einfach wunderbar.
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"Meese, Meese, Großgewese" - Ausstellungsimpressionen (super Wort!) hier im Blog
"Wie werde ich Jonathan Meese?" SpOn
"Ich bin verwirrt", Jonathan Meese beim Zünder
"Selbstreinigung" - Meese im Video (via Kunstkontakter)