Montag, 24. Juli 2006
erst vor kurzer Zeit entdeckte Art von Bazillen;
man kann sie Sonnenbazillen nennen.
Sie existieren nur bei abnorm starker Hitze.
Gewöhnlich rinnen sie mit der warmen Luft
durch Ohren, Nase, Mund und Augen in den
menschlichen Körper. Sie dringen in das Gehirn ein
und richten dort eine furchtbare Verwirrung an.
(Heinrich Nowak. Die Sonnenseuche. Wien, 1920.)
Am Wochenende hielt ich es in meiner Dachkemenate nicht länger aus, schnappte mir eine weizenblonde Begleitung, ein Paar vierteloffener Schuhe, und dann nicht etwa nischt wie raus nach Wannsee, sondern zum Öjendorfer Friedhof. Ausnahmsweise nicht etwa für einen sepulchral-meditativen Spaziergang, so von hüben nach drüben, vom Diesseits zum Jenseits - sondern um wohlgeplant einen weltlichen Trampelpfad zu suchen, der auf die berühmte andere Seite führt: den Öjendorfer See. Wenn da nicht gerade Mittelaltermärkte stattfinden oder Seuchenbakterien und Algen das Baden verbieten, ist der Park dort eine lockende und meist sogar unbedenkliche Grüngegend.
So kommt es also, daß man verhärmt-bleiche Vampirkinder wie den Herrn Kid bis zu den Knien im pipiwarmen Wasser stehend ertappt! Mit grimmig gefrorenen Gesichtszügen (kein Vergnügen vor Mitternacht!), "Sonne macht blöd!"-rufend anlaßlos vergnügte Kleinkinder ermahnend und morlakeulenschwingend freilaufende Hunde und anarchistische Grillgeister in die Schranken von 14/18 verweisend. Was für ein Spaß!
Der weizenblonde Sonnenschein an meiner Seite war schnell völlig mitgerissen von der Piratendichte in Hamburg, dem seidigen Wind auf seidigerer Haut und den locker aus dem schwitzigen Ärmel geschüttelten Urlaubsplänen für noch sonnigere Gefilde. Denn hat die Seuche einen erst gepackt, kann man schnell kaum genug bekommen. Ich mache das jetzt öfter. Alufolie wie bei einer Backkartoffel um den Kopf gewickelt, den Sonnentrichter in den Bauchnabel gerammt - und dann heißt es aufgetankt mit solarer Energie für noch luzidere Gedanken. Gleißen wie 1000 Sonnen, jedermann sein eigenes Bosonen-Kraftwerk, ein Quasar in der türkisen Kühltasche und das Geheimnis aller Antiteilchen gelöst. Denn wie allen hier bekannt, empfahl der Quantenphysiker Richard Feynman völlig zurecht jedem Theoretiker, er solle an die Wandtafel seines Büros schreiben: "137 - wie wenig wir doch wissen." (zitiert aus 137 und die große Vereinigung)
So verknüpft sich wieder eins zum anderen. Und im nächsten silberdisteligen Sommer erkläre ich, wie das alles paßt und was das zu bedeuten hat.