Freitag, 28. Juli 2006


Mein staubiges Zimmer

This is a valley of ashes -
a fantastic farm where ashes grow like wheat.

(F. Scott Fitzgerald. The Great Gatsby. 1925.)



Am Ende einer weiteren heißen Woche verebbt sogar in den sumpfigen Wäldern die Häme, erinnern sich freiere Geister, daß der Fröhlichen Wissenschaft ursprünglich ein Zitat von Emerson vorangestellt war: "Dem Dichter und Weisen sind alle Dinge befreundet und geweiht, alle Erlebnisse nützlich, alle Tage heilig, alle Menschen göttlich."

Die Lektüre von Der große Gatsby lehrt, neben vielerlei anderer Dinge, die skeptische Betrachtung eines Ich-Erzählers. Er sei, so schreibt Nick Carraway, der aufrichtigste Mensch, der ihm je begegnet wäre. Man begreift allerdings recht schnell, daß ihm nicht zu trauen ist. So wie meist mit vorlaut selbstauskünftigen Menschen. Jene "Befreiten" - von Moral, Drangsal, Schuld & Vorurteilen - beispielsweise. Man tut nicht schlecht daran, das Gegenteil zu vermuten. "Trust in me", singt die Schlange so beschwörerisch, daß selbst Fünfjährige kapieren, was die Stunde geschlagen hat.

Überhaupt. Von den Tieren des Waldes kann man manchmal noch am besten lernen. Klopfer, der kleine altkluge Racker, wußte es genau: "Wenn man nichts Nettes zu sagen hat … dann soll man gar nichts sagen." Dann zog er weiter mit seinem Freund, dem Stinktier, mied die Sümpfe und machte auf Kindchenschema.

Mit dieser kleinen Betrachtung hänge ich am Klavier, in das auf der letzten Party jemand Bier gegossen hat. Seither hat mir die Besitzerin verboten, meine melancholischen Weisen darauf zu spielen. "Es ist nicht das Bier", sage ich. "Es ist mein Anschlag. Es sind meine ungelenken Finger. Es liegt daran, daß ich es nie gelernt habe."

"Und weißt du was?" setze ich nach. "Deshalb mache ich mir auch nichts daraus."

"Komm", sagt sie und schiebt mich beiseite. "Ich spiele es für dich." Und ich lehne mich zurück, im oleanderduftigen Zimmer, in meiner hypertrophen Einsamkeit, und lasse sie spielen. Verträumt male ich groteske Gesichter in den Staub auf den Möbeln und lausche der Musik. Es sind zarte Töne, schnarrende auch (vielleicht wirklich bloß Bier), sie verlieren sich, hauchen sich selbst sanft durchs Zimmer, in dem eine stickige Schwüle das Atmen erschwert. Wo aber selbst die Spinnen geringelte Strümpfe tragen und aussehen wie verführerische Wesen.

Illustriert hat die Szene übrigens Rozi Demant.