Freitag, 7. Oktober 2005


Dada est mort, vive Dada!

Wer die Aufführung eines Dada-Balletts im Stile Jacques Tatis sehen will, begebe sich in Hamburg zur Mittagszeit zur Kreuzung Dammtor.

Hamburger Autofahrer, schon immer nach der Devise verkehrend "Wie, Kreuzungsbereich freihalten? Was soll das heißen?", versammeln sich dort zur großen Atonale. Von allen Seiten fahren sie unbeirrt von Ampelphasen mit ihren Autos auf die Mitte der Kreuzung und stehen bald verkeilt und fest und durcheinandergewürfelt wie Ravioli in der Dosensuppe.

Sogleich geht es fröhlich los mit dem Hupkonzert. Denn Hupen befreit, denn Hupen beschleunigt, Hupen levitiert blockierende Fahrzeuge aus dem Weg. (Das ist wissenschaftlich erwiesen.) Und so legen die Hamburger - sonst mit der ihnen eigenen Kaufmannszurückhaltung gesegnet - los mit einer Verve, die man sonst nur in Rom auf der Piazza vermuten würde. Da wird wild gestikuliert, mit beiden Händen auf das Lenkrad getrommelt, vereinzelt sogar die Seitenscheibe heruntergekurbelt. Man redet, flucht und schreit. "Vive Dada! Mach weg, du Arsch!"

Ein Fest! Eine anarchistische Sause, bei der ab und an sogar Streifenwagen der Polizei mitschwofen. Die Beamten bleiben meist gelassen. Sie sind nur Ordner und weisen die Plätze. Loge links, Parkett rechts. Herr Kid steht am Rande, träumt und mümmelt sein Pausenbrot.