Sonntag, 28. November 2004


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Gammelwochenende. Schön ausspannen auf der Chaiselongue und ein bißchen in Zeitschriften blättern. Auf dem Stapel auch die Cara Mia!, wie ich sie hier einmal nennen möchte. So ein Frauenzeitschriftenteil. Ich denke, blätter ich das mal durch, ganz zwanglos, so vom Sofa aus.

Der berühmte Autor, der neulich nicht wußte, was "Türfüllung" sein soll, benutzt das Wort "Tampon-Ausziehfädchen". Rückholfaden!, schnaufe ich kurz. Wer will denn einen Tampon ausziehen? Ich blättere hin und her, schon leicht genervt. Eine Autorin berichtet vom Glück älter zu werden. Das interessiert mich. "Älter zu werden hat Vorteile", schreibt sie. Das finde ich auch. Sie vergleicht sich mit einer jungen Punkette, der sie im Zug begegnet sein will. "Ob Arschgeweihe auch faltig werden können?" fragt sie. (Nun, in der Regel bleibt der Rücken besser in Schuß als die meisten anderen Körperteile.) Die Punkette "trug schwer an der Last ihrer Piercings". Ja, natürlich. So schwer. Große Metapher. Ganz großer Lacher. Welch ein Glück, fabuliert die Autorin weiter, nicht mehr in WGs mit einer Ratte zusammenwohnen zu müssen. Ja, so ist das, wenn man jung ist. Immer diese Kleinsäuger um einen rum. Schlimme Sache. Schön, wenn man älter und Autorin bei Cara Mia! ist, da kann man die Wohnung mit seinen Windspielen teilen.

In Kassel steigt das junge Mädchen aus, geht zum Punkkongress, "unterwegs zur Revolte". Die Autorin zitiert kommentarlos den Flyer, findet das alles wohl unglaublich komisch. "Punk!Kongress!". Haha. Ja, und? Über Cara Mia! organisiert in 25 Jahren sicher keiner einen Kongreß, soviel ist schon mal klar. Und auch das darf vermutet werden: Die einzige Revolte, an der sich die Autorin beteiligte, war, als sie ihren Eltern 200 Mark für neue Turnschuhe aus dem Kreuz geleiert hat.

Vorteile des Älterwerdens? Viele. Man muß sich z.B. - hoffentlich souveräner geworden - nicht mehr auf Kosten anderer lustig machen. Sonst klingt es so verbittert und neidisch, dieses "Glück vom Älterwerden".

Dann kommt ein Jahresrückblick - und ich taste nach der Brechschale unter dem Sofa. Es geht um TV-Trash: "Ex-Freundin von Boris oder Bohlen, Ex-Pornostar, Ex-Viva-Moderatorin - anderes als der Bodensatz der Gesellschaft scheint kaum mehr der öffentlichen Aufmerksamkeit wert".

"Bodensatz der Gesellschaft", soso. Also damit sind nicht etwa Leser gemeint, die auf das subtil zelebrierte Spießertum der Cara Mia! stehen. Aber es geht weiter: "Wenn sich Frauen als Märtyrerinnen inszenieren lassen, wie Sibel Kekilli, die preisgekrönte Debütantin aus "Gegen die Wand", deren Pornovergangenheit aufflog [...], dann hält sich die Anteilnahme in Grenzen." Steht da so. Und neben Sibel Kekilli, der mehrfach preisgekrönten Schauspielerin aus "Gegen die Wand", wurde ein Szenenfoto gedruckt aus - na was? Etwa aus "Gegen die Wand"? Nö. Cara Mia!, die Fortsetzung der soeben von Sibel Kekilli erneut zurecht angeprangerten Boulevardhetze mit anderen Mitteln, druckt lieber ein Foto aus der "Pornovergangenheit" der "inszenierten Märtyrerin". Auf daß wir nichts vergessen.

Scheinheiligkeit, Spießertum - kultivierte Nörgelei und anorektische Neidkultur. Etwas Positives? Ach ja, Elfriede Jelinek, die hatten wir ja auch noch. Ganze drei (!) Worte zu ihr: "Immerhin eine Nobelpreisträgerin." Immerhin kein Bodensatz, möchte man denken.

Ein Kurzbeitrag über Blogs reißt dann alles raus. Großer Hinweis auf ein Blog, das wirklich beispielhaft ist. Es wird bestimmt einmal in der Woche aktualisiert. "Mr. Ausziehfädchen" wird auch erwähnt. Große Sache also.
Ich kaufe morgen gleich zehn Hefte davon. Unbedingt.