Sonntag, 4. März 2012


Like

Jetzt kann ich nachts, wenn ich nicht schlafen kann, aufstehen und mir ein Stück Kuchen abschneiden.


 


Freitag, 2. März 2012


Konterrevolutionäre Rührung



Für mich ist ja jeder Tag wie ein Abenteuer Experiment. Auch wenn ich die tausend Möglichkeiten manchmal erst hinterher sehe. Aber Zeit und ihr Gefüge verhalten sich vielleicht nicht nur nach den Regeln, wie wir sie kennen. (Schlag nach bei Fox Mulder). Neulich erst fand ich mich in meiner Versuchsküche ein, um einen quirligen Tag zu beginnen und nebenbei den Lauf der europäischen Geschichte zu verändern, würde der Zeitstrahl einmal umgekehrt verlaufen.

Aber von Anfang an. Der Schlüssel zum Herzen eines Mannes ist ja in aller Regel ein guter Kuchen. (Schlag nach bei Dale Cooper.) Allerdings ist meiner Erfahrung nach das Talent zum lockeren Backwerk bei Frauen ähnlich vom Aussterben bedroht wie auf der Welt nur der Chinesische Flußdelphin. Als ich also am Wochenende früh und wie noch schicksalslos erwachte, erinnerte ich die alte Handwerkerregel: Willst du es richtig gemacht haben, mach es selbst. Meine noch jungfräuliche Margrethe winselte sowieso schon lange Füll mich! Rühr mich!, den Vorratsschränken entlockte ich durch langes Suchen und orphische Gesänge ein ganzes Zutatenpotpourri, das ich nach und nach 400-Watt-verstärkt zusammenmengte. Leider hatte ich nur dunkles Vollkornmehl im Haus, aber nun mag man mich schimpfen wie man will, an Experimentierfreude mangelt es mir trotzdem nicht. Egal, heut' ist Sonntag, dachte ich, mixte also unbeirrt das dunkle Mehl im Takt meiner Küchenradiomusik.

Mit dem ins Auge geklemmten Fadenzähler beobachtete ich den Fortgang und konnte eine Stunde später sagen, heureka*, mir ist da was im Ofen gewachsen! Ein bißchen viel des wildgemischten Teigs vielleicht, so ungegürtelt wie die Masse anschließend auseinanderging. Andererseits zeigt es wieder nur, wie richtig die altbekannte Weisheit ist: Man soll große Taten nicht in kleine Formen pressen.

Der Kuchen schmeckt tatsächlich ganz gut. Also "gut" wie, gut, ein wenig nach Vollkornbrot vielleicht. Nicht wie in "einen Kirschkuchen haben die da - sagenhaft!" (Schlag nach bei Dale Cooper). Ich nenne es mein Marie-Antoinette-Rezept. Kuchen essen und dennoch Brot dabei empfinden. Die Revolution, schreibt es in eure Geschichtsbücher, wäre also gar nicht nötig gewesen.

* Das ist Griechisch und heißt: "Da fliegt uns gleich was mächtig um die Ohren".


 


Sonntag, 26. Februar 2012


Wackelkandidaten



Herrlicher Sonnenschein heute, da will man nicht unter der mit schwarzer, viktorianischer Spitze versehenen Marquise Markise liegen, sondern raus, raus, raus. Im experimentellen Selbstversuch, wie sich die allgemeine Wackligkeit und Visuseinschränkung auf dem Rad auswirkt, habe ich mein treues Gefährt ächzend aus dem Winterschlaf geweckt, aufgepumpt und notdürftig saubergewischt. Dabei eine beklemmend-interessante Entdeckung im Radkeller gemacht: Dort, wo bislang nur Baumarkt- und Gerümpelräder standen, hat sich nun ein Raleigh mit Brookssattel dazugesellt. Gentrifizierung allerorten, sie rücken immer näher. Nun, vielleicht sind es ja nette Leute. Vorsichtshalber habe ich mich heute aber mit Helm auf meinen eigenen Brookssattel geschwungen, nicht wegen der neuen Leute, mehr der Situation geschuldet, von der der Konditionseinbruch durch Winterpause und Flachliegen nur bescheidener Teil sind.

Dementsprechend langsam ging es voran, und mächtig verschwitzt, die kleine Runde runter an die Elbe, viel Betrieb bereits am neuen Café, im Frühjahr wird dort kein Durchkommen sein. Mein Tablett, das mal am Rande erwähnt, kann übrigens auch GPS. Ich weiß, ihr habt alle Smartphone oder wie das heißt und kennt das schon lange, ich aber war jetzt doch erstaunt, ein rotes Kreuz (nicht der Sanitätsdienst) auf der Straßenkarte zu entdecken, nur zehn Meter von meinem tatsächlichen Standort entfernt. Was es alles gibt. Und was die jetzt alles über mich wissen! Fast so viel wie ihr.


 


Mittwoch, 8. Februar 2012


Och. Romantisch.



Das ist doch nun wirklich mal romantisch praktisch gedacht. Heute schon vorformulieren, und am 14. an das ganze Adressbuch schicken lassen. Nie mehr einen solchen Termin vergessen, denn sicher erlaubt die Terminfunktion auch Optionen wie "jährlich wiederholen ja/nein" anzukreuzen. Wer will schon überwältigt überfordert sein von zuviel Gefühl? Gut organisierte Romantik ist ein Herz aus Gold wert, schließlich haben die meisten von uns viel zu tun. Wer aber vorarbeitet in der Zeit hat Valentinsgrußreserven in der Herzensnot.


 


Sonntag, 4. Dezember 2011


...

Beim Depribloggerstammtisch gewesen. Gelacht.


 


Mittwoch, 26. Oktober 2011


Zustand: Sanierungsrückstau, ideal für engagierte, kreative Heimwerker (#Ärztelyrik)

Blätter/
werden im Herbst zu Laub.
Menschen/
zerfall'n zu Staub.

(Die Braut haut ins Auge,
"Blätter & Menschen")


Es, also diese weitgehend undefinierte Wesensheit, bewegt sich weiter wie auf einer Sinuskurve auf und ab, alles im Millimeterbereich. Immerhin, das Gehen geht. Laufen läuft nicht. Diese Stahlschiene allerdings, im ersten voreiligen Diagnosetaumel fürs Bein verschrieben, kann jetzt im Schirmständer verbleiben. Schade eigentlich, sie hätte mir erklärungslos und mit einem lässigen Fingerzeig so manchen Kinderwagentransport auf U-Bahn-Treppen erspart sah irgendwie interessant aus. Nicht einmal zum Dr.-House-Gehstock, auf den ich schon spekuliert hatte, reicht es. Man nennt das unter normalen Leuten wohl eine gute Nachricht. Die schlechte, für die, die im Thema sind: Faßreifen und dann abwärts. Dagegen hilft, tote Tiere bei Vollmond über den Friedhof tragen, an die Heilkraft des mir frisch aus den Nordlanden mitgebrachten Mooses glauben, sich mit Brennesseln geißeln, jungfräuliche Hände oder - findet mal eine Jungfrau auf St. Pauli - eben Bewegung.

Am Wochenende, nach einem längeren Marsch nach Lourdes die Elbe entlang, abends dann ein elektrisches Strömen, als führe ein Containerfrachter gemächlich die Verkehrsnervenbahn meiner Beine hinunter - und wie der Wellenschlag, der im Sog der Propeller ans Ufer platscht, schwappte spürbare Besserung ans Land meiner Wahrnehmung. Es tut sich was und wird nicht nur versprochen, das nennt man auch unter nicht so normalen Leuten eine gute Nachricht.

Weiter werkeln also, daheim brav die vermittelten Übungen machen und weitere dazuerfinden. "Sie können selbst was machen", heißt es, und irgendwann werde ich wie ein Ballettänzer Pirouetten drehen können. Derzeit bleibt es morgens bei einer halben, bei der ich wie ein herbstlich taumelndes Blatt durch die Küche schwanke und froh bin, die Milch nicht zu verschütten. Aber das soll mich nicht aufhalten: "Learning to Crawl", hieß es einst bei den Pretenders. Da bin ich immerhin schon weiter. Guter Zeitpunkt auch für die große Bilanzprüfung, sehen, was weg ist und was bleiben kann. Ich kann zum Beispiel bereits wieder zielsicher mit dem Zeigefinger an die Stirn tippen die Nasenspitze treffen. Renovierung eben vom Keller bis zum Dach und doch noch nicht bloß ebenerdig kaufen. Denn wie Bernadette bekanntlich mahnt, "der beste Augenblick in deinem Leben/ist gerade jetzt gewesen".

Da will ich aber lieber noch einen draufsetzen. Hebt den Dachbalken hoch, Zimmerleute.


 


Montag, 19. September 2011


Autoluminescent



Heimat ist da, wo der Anker liegt, so geht die Saga von den tosenden Wellen, sogenden Strömen und verwehenden Winden. Ein Hafen, ein Kühlschrank, eine Leiter, die bis zu den oberen Brettern der Bücherregale reicht. Ein Simulacrum von Glück, wären nur die Nachbarn nicht, die Verwalter, die Befindlichkeiten anderer Leute. Eine Woche war das, fremdbetankt mit Selbstherrlichkeit, Süffisanz über kleine Leute, Dosen von "Versteht außer Ihnen allen eigentlich jeder", billige Polemik von sogenannten Erwachsenen und diesem Schuß guter Hamburger Handwerkerempörtheit: "Unterputz? Wenn ich das schon höre, Unterputz!"

Was denn aber sonst, bitteschön. Strippen und Rohre auf die Tapete gekloppt? Ausweinen später beim Vater, der meine Theorie über regionale Unterschiede interessant findet. So wie es hier nur schwer gutes, dunkles Brot zu finden gibt, so schwer finden sich gute Handwerker. Während in der Heimat eben traditionell viele in der Produktion tätig waren, Werkzeuge, Klingen, Metallverarbeitung, Montan- und Stahlbau, sind es hier die Handelsberufe: "Hamburger Kaufleute", nickt der Vater verständnisvoll durchs Telefon. Ich berichte von der in der Hansestadt weithin anzufindenen Altbaumodernisierungslösung, bei der man in einem engen Kabuff über die Kloschüssel steigen muß, um in der Duschtasse zu landen. Wie mich mal ein Norddeutscher fragte, ja, nun, wie soll man das denn anders lösen? Wie mir auf einmal Kulturunterschiede, über die man nur schwer reden kann, bewußt wurden. Indem man es richtig macht? Unterputz, wandverschiebend, von Grund auf?



Ich bin immer wieder verblüfft, leicht entnervt auch, das mag an der Jahreszeit liegen, am fehlenden Urlaub, dem Tribut usw. Diesem Sonne-Regen-Kälte-Wärme-Oszillieren, was einem neuerdings als Sommer verkauft wird auf einem Palettenstapel gleich neben dem Spekulatiusregal. Neuer Entschluß, ich lasse jetzt einfach machen, es verschwendet doch nur Zeit, und was hier manchmal als Brot verkauft wird, ist ja auch ein Fall für sich. Die malzgefärbten Brösel kann man meinetwegen Aufputz auf die Wände kleben.

Über tiefstem Schatten liegt immer auch ein Licht: Autoluminscent, die Doku über Rowland S. Howard, erscheint Ende Oktober, zum schönsten Herbst also. Anker lichten, neue Gefilde, innere Horizonte erweitern, komme ich auch sonst kaum raus. Ein Musikinstrument mal völlig anders spielen. Brot, irgendwer?

>>> Rowland S. Howard, Sleep Alone


 


Dienstag, 13. September 2011


Wind-, Wasser- und Gedankenkraft




Während draußen die Ausläufer von Orkan "Katia" an den Fenstern rütteln, habe ich gestern vormittag endlich, nachdem immer öfter kleine Bäume darin gewachsen waren, den verstopften Überlauf der Spüle repariert. Alles auseinandergeschraubt und in einzelne Teile zerlegt und das Rohr von Schmand und Schlamm und Schlick befreit. Wir Urban Guerilla Küchengärtner nennen das guten Humus, und es riecht auch ein bißchen so. Dunkel und erdig, hinterläßt es schlierige Spuren in der Schüssel, mit der ich das Wasser und alle Sedimente aufgefangen habe. Ein hübsches Forschungsunternehmen, sieht man hier doch anschaulich, wie organisches Material sich zu Öl umwandelt. Noch ein paar tausend Jahre länger, und schwarzes Gold hätte sich aus meiner Spüle pumpen lassen.

Später, auf dem Weg durch mildes, windiges Herbstwetter und Haushaltswarengeschäfte, versuchte ich, ein weiteres Mysterium durch reine Gedankenkraft zu lösen: Warum werden Glühlampen verboten, nicht aber elektrisch betriebene Pfeffermühlen oder digitale Personen- und Küchenwaagen, allesamt Dinge, die leicht auch mechanisch zu bedienen wären und so überhaupt keine elektrische Energie benötigten? Vielleicht ist die Pfeffermühlenlobby einfach nicht so stark vernetzt wie die der Energiesparlampenindustrie, wäre eine Theorie, der nachzugehen ich hoffentlich einmal Zeit in meinem geheimen Kellerlabor finden werde.

Auch dort hieße es, endlich einmal aufräumen.


 


Freitag, 9. September 2011


And eyes are crying out for everything

Die Eingangsbilder vom Tweed Ride in London (Film) erinnerten mich daran, dieses Jahr die schwarzen Mäntel noch hübsch runterzufahren, dann aber die honigfarbenen oder weißen aufzuziehen. Wundern Sie sich also nicht, wenn ich ein wenig wunderlich scheine, was wurde darüber nicht schon lamentiert, aber spätestens zum nächsten Frühjahr heißt das Motto nicht nur langsam, aber mit Stil, sondern allgemein "Verkehrsaufhübschung".

So wie es Jean-Paul Gaultier mit Günter von Hagens gemacht hat. Dieser Dress ist vielleicht nur auf dem ersten Blick nicht straßenverkehrstauglich, dann aber gerade doch. Hätte ich den mal vor ein paar Jahren bei meinem kleinen Unfall getragen, der Autofahrer hätte vorher brav abgebremst, da bin ich fast sicher. Macht einen schlanken Fuß, könnte man süffisant anmerken, und braucht deshalb keine Handytasche, denn wenn nichts passiert, muß auch niemand anrufen.

Da war nix, heißt es ja sonst ganz gerne mal. Diese Woche aber schon: Eine mittlere Woge einer als ungiftig deklarierten Arbeitsemulsion hüllte mich unversehens ein, ein Schwimmen im Seufzermeer unter vielen Seepferdchen-Aspiranten, Titanenmaloche, Rückführungsschwitzen wie in einer mongolischen Zauberjurte. "Written On The Forehead", singt Polly Jean, etwas vom dunkleren Sommer, und wie ich neulich dachte, wie gerne ich mich einhüllen lasse von diesen Stimmen und, wenn ich in ein paar Jahren einen runden 37. Geburtstag feiere, dann lasse ich die alle antreten. Die Braut zum Beispiel, am liebsten aber wären mir drei beschwipste Bloggerinnen, die für mich Karaoke singen. Wenn man nur die Frisuren sieht, ohne Brille jetzt, ähneln die sogar drei recht bekannten.

Ist aber alles unbezahlbar.


 


Mittwoch, 24. August 2011


Projektologie

Meeting, Meeting, Meeting, "Das haben wir noch nie so gemacht", Meeting, Meeting, Meeting, "Das haben wir immer so gemacht", Meeting, Meeting, Meeting, "Ich möchte, daß es so wie früher ist", Meeting, Meeting, Meeting.

Daß ausgerechnet ich plötzlich als Vertreter von Optimismus und Zuversicht gelte. Ich sage, es sieht aus wie eine Kathedrale von Gaudí, aber wenn man nur lange genug draufschaut, bemerkt man plötzlich die Schönheit und bizarre Symmetrie der Strukturen. Muß man abwarten, vielleicht brauche ich demnächst auch falsche Papiere und ein Ein-Weg-Flugticket nach Irgendwo. Und lasse alles zurück.

Auf Partys steht man mit fremden Menschen zusammen, man erzählt, was man so macht, und gleich gibt es welche, die sich einem vertraulich ans Revers heften. Ob man nicht günstiger an manche Dinge käme, manchmal wäre ja auch etwas leicht beschädigt und eignete sich nicht mehr für die weitere Verwendung, man habe da ein Garten und könne es noch gut... Ich bitte dann flugs um Entschuldigung, ich hätte ein wenig geflunkert. In Wahrheit sei ich Proktologe, könne aber gerne einen Termin in der Praxis, auch günstiger... Das Thema wird dann meistens schnell gewechselt.

Endlich wieder Regen.