Donnerstag, 3. Juni 2010
Und ich liebe den Mond.
Und einen Mann mit
einem Hang zur Depression.
(Die Braut haut ins Auge,
"Mann mit einem Hang zur Depression".)
Das gilt es auch noch nachzutragen. Endlich habe ich es geschafft und meine Braut-CDs in klingende digitale Mitnahmeartikel umgewandelt. Die kennt ja auch keiner und keiner mehr. Schon aber kehrt morgens auf dem Weg zur Arbeit gute Laune ein, weil ich im Stillen mit Peta und Bernadette mitsumme, Füße wippe, an tolle Konzerte zurückdenke, meine kleinen Faux-pas, das staunende Vergnügen über lakonisch rausgehauene, emotionale Zeilen, die netten Minuten auf der Hedi, die Widmung, ein Reichtum also. Wie man nachts über die Autobahn rauschte, lautstark "Verlaß mich nicht/In Greenwich Village" mitsang ("Ich glaub an uns/und ich möchte nicht/daß diese Stadt uns're Liebe zerbricht", so was halt), also diese sogenannten wahren Worte. Andererseits hätte mir Bernadette auch das Telefonbuch vorsingen können, da war wohl was mit der Stimme. Glaube ich.
Und Abbitte muß ich auch immer noch leisten. Weil ich mich vor Jahren ein wenig irritiert und borniert über das letzte Album "Pop ist tot" äußerte, was im Gespräch für weitere Irritationen sorgte. Und wenn ich das Album heute höre, stelle ich fest, wie großartig das eigentlich produziert ist. Woran man sieht, daß man den Künstler vor allem vor einem schützen muß: seinen größten Fans.
"Eine alte Liebe ist wie ein altes Fahrrad/Laß es einfach steh'n". Von wegen. Nach 15 Jahren jedenfalls bin ich zu meinem eigenen Erstaunen immer noch mitgerissen und beklage, was ich einst befürchtete: Wieso waren die nie in den Charts? Vielleicht machen die ja 2013 noch mal zusammen den Tandemsprung, den nähme ich mit denen nämlich mit, dann, wenn es Krieg gibt. Aber "...es wird alles gut", singen sie irgendwo. Natürlich wird es das.
>>> Webseite von Bernadette Hengst
Dienstag, 1. Juni 2010
Wenn du gehst. Bernadette hat auch nach Jahren immer noch recht.
Samstag, 10. April 2010
Zum Abstreifen und Neusammeln am Ende der Hartwoche mit rheinischen Deerns Empfangsdamen eines Designhotels verwirrt und nächtliche Hamburger Hafenansichten genossen. Einen Salat und ein paar Weinproben später dann rüber ins schweißbeheizte Hafenklang, die zehnte Zugabe oder so der von jungen Damen frenetisch bejubelten Altmännerbande namens Leatherface gelauscht. So einen Bart brauche ich jetzt auch, schien mir, während ich ihre Version von Hurt hörte.
Angenehm durchgerüttelt, aufgewärmt, mit neuen Denkfiguren verfüllt, findet der Rhythmus der Band seine allerletzte Zugabe im Takt des Zuges. Gegenüber sitzen zwei Kiezmädels in interessanter Wirkware, mampfen schweigend ihre Drei-Uhr-Nacht-Fritten, Hafenlichter torkeln hinter der Scheibe vorbei, Ahoi, ahoi, nicht traurig sein, dahinten, das darf man nicht vergessen, ist immer gleich das Meer.
Montag, 22. März 2010
Samstag spontan festgestellt, ich kann nicht nur bis 37 zehn zählen, sondern fast bis hundert. Dafür entgingen mir, andere Geschichte, dann Sonntagmorgen doch noch Fischli & Weiss, ich weiß auch nicht, warum mir da der innere Antrieb plötzlich fehlte. Jedenfalls hat Hamburg jetzt eine Filiale von Walther König, Kunstbuchhandlung, kann ich alles leerkaufen - obwohl es mit Personalrabatt in der schönen Stadt noch schöner wäre. Hamburg hält Anschluß, die Zeit der Dorfmusik ist vorbei, auch wenn ich erfahren muß, daß Patti Smith heuer nur in der Bundeshauptstadt Bonnberlin spielt. Ach. Bevor sich aber bittere Züge um meine zugenähten Lippen legten, lieber die Gelgenheit genutzt, endlich einmal in The Coral Sea hineinzuhören und im wunderbaren Bildband Land 250 zu blättern. Ein liebevoll aufgemachter Begleitband zur Ausstellung vor zwei Jahren in der Fondation Cartier in Paris, in der die Sängerin ihre Polaroids zeigte. Manches vielleicht banal, vieles aber in seiner manchmal schlichten, dann wieder poetischen Beobachtung sehr fühlbar, reizvoll, witzig. Reiseandenken eines nun auch schon langen und eindrucksreichen Künstlerlebens. "Impressionen" sagte man früher, aber das klingt ein wenig betulich.
Sonntagsruhe: Ein wenig auf dem Teppich liegen, dort wo die Sonne ein Fenster hinmalt, telefonieren, die Enten von draußen hören, die den eisfreien Kanal feiern, die ersten Motorboote begrüßen, die hier elegant die Kurve nehmen. Krantage, wir werden alles frischüberholt zu Wasser lassen.
Herr Kelly hatte ebenfalls einen Patti-Smith-Tag. Die erwähnte CD-Box mit den ersten fünf Alben von Patti Smith kann ich sehr empfehlen. Zwar fehlen die Booklets der Original-LPs, aber selten hat man für zehn Euro (!) so viel gewaltige Musik bekommen. Wie eine Herde Pferde.
Mittwoch, 24. Februar 2010
Aber leider keine Zeit dafür.
(Fehlfarben, "Neues Leben")
Das neue Album ist recht knapp gehalten, das hatte Peter Hein neulich schon angedr... angekündigt. Auch textlich war das alles schon mal... elaborierter. Oder mehr auf den Punkt. Vielleicht fehlt in der neuen Position als Ex-Angestellter der betriebsbedingte Lesezirkel aus Tageszeitungen, aus dem man eine Wortwelt zusammenklaubt, vielleicht muß man auch nicht mehr alles so rundumerklären. Die Gitarre fehlt, doch genau, die vermisse ich. Wirklich. Aber der Schwung, der Schwung ist da. Bitte Frühling jetzt, ein wenig Glück, meinetwegen aus der Maschine, soll ja auch gut schmecken, aus den Vollautomaten der Nation/Tag und Nacht durch stete Produktion...
Ich brauch' keinen Schnee. Ich brauch' mehr Hüftschwung entlang der Tapetenlinie. Müde Glieder, meine Güte, lang genug gewartet.
>>> Geräusch des Tages: Fehlfarben, Wir warten
Dienstag, 16. Februar 2010
Es ist ja nichts ohne Folge. Gestern also wie ein aus dem Schlaf erwachtes Axolotl und immer noch mit dem Gefühl, als hätte ich beim Grottenolmtauchen Wasser ins Ohr bekommen, zum HNO gestapft. Das kam so: Weil ich ja zum Konzert meine Ohrstöpsel vergessen hatte und den alten Trick mit dem Papiertaschentuch, also einem kleineren Teil davon, benutzte, sich dann aber nachher der Pfropfen im rechten Ohr nicht wiederfinden wollte, fühlte ich mich ein wenig, nun ja, verstopft. Mancher hat auf Konzerten schon sein Herz verloren, ein anderer einen steilen Zahn oder das Gedächtnis. Gut bedient also war ich, aber doch einseitig in einer etwas dumpfen Welt gefangen.
Die Ohreninspektorin, eine muntere ältere Dame mit lustiger Höhlenexpeditionsstirnlampe um den Kopf, grinste sich denn auch nur eins, bohrte mir einen kleinen metallenen Metalltrichter ins Ohr, griff dann zu einer langen Stahlpinzette und zog beherzt den zusammengerollten Knüssel ins Freie. Ah, was für eine wohltuende Empfindung, wie sie mir den Stopfen durch die enggebaute Körperöffnung zog, so ein befreiendes kleines Glücksgefühl, an dessen Ende eine sinnliche, funkensprühende Hörexplosion stand, konnte ich doch plötzlich Töne hören - ich dachte, die Engel singen, so klar war auf einmal wieder meine Welt. So muß sich also ein Ohrvaginalorgasmus anfühlen, dachte ich, aber dann kann ich das vielleicht nicht wirklich beurteilen, ist dies doch eventuell "so ein Mädchending", wie A Softer World vermuten.
Doch während ich noch "Prima!" rief und zugleich ein "Noch mal!" unterdrückte, wurden mir Praktiken nahegebracht, die man anderswo unter dem Begriff "Wassersport" kennt. Na ja, eigentlich mehr ein Einlauf: Zur kleinen Dusche wurde erneut mein Ohr penetriert, mit einem harten, metallenem Rohr diesmal, warm ergoß sich das Wasser in mir, hui, dachte ich und hörte das Glucksen an meinem Trommelfell, maybe that's a girl thing, danach war ich wieder in dumpfe Taubheit umhüllt - Wasser im Ohr. Unersättlich, griff Frau Doktor zum nächsten Instrument, ein dünner Stab diesmal, mit einem Wattepfropf umhüllt, wanderte in meinen Gehörgang - na toll, dachte ich. Wenn der jetzt steckenbleibt, bin ich so weit wie am Anfang, immerhin aber um interessante sinnliche Erfahrungen reicher.
Es ging aber alles gut, das O war befreit und trocken, schnell noch ein Blick in H und N, der flotte Dreier der Kopföffnungsbeschau, dann aber ins andere Zimmer zu einem kurzen Hörtest, galt es doch, den berüchtigten "Discoschaden!" auszuschließen. Flüsterleises Fiepen hauchte mir aus den Kopfhörern entgegen, munter drückte ich den Knopf, Reiz-Reaktions-Experiment, los, rief ich, 120 Volt! Da geht noch was, und drehen Sie mal die Bässe auf! Die Hörkurve aber wie 25, meinte die Ärztin. "Die jungen Leute", sprach sie und sah mich dabei an, als wolle sie sagen "also diese andere demographische Gruppe, zu der wir beide nicht mehr gehören", also "die jungen Leute, haben da" - sie zeigte auf die 4 kHz-Markierung - "schon einen deutlichen Abfall". Sie setzte ein wissendes Lächeln auf: "Discoschaden!"
Diese Welt ist eben stiller, tief in den Höhlen, in die sich nur wenige verirren. Hier hört man alles ganz genau, die steten Wassertropfen, die leisen und die Zwischentöne.
Montag, 15. Februar 2010
Wer herzlich eingeladen wird, darf nicht fehlen. Im Hamburger Knust sorgten am Freitag drei Bands für das innere und äußere Warmwerden der steifgefrorenen Kapuzenpullifrostbrigade, eingerahmt von einem schönen Mix mit Hits aus meiner Jugend. Potato Fritz durchschwammen schlafwandlerisch sicher einmal das große Freirockerbecken und zurück, Heimspiel nicht für jedermann, "Unentschieden!" rief jemand, könnte aber auch das Endergebnis des an diesem Abend ebenfalls spielenden FC St. Pauli gemeint haben. Meditation und Eruption: Danach der Höhepunkt des Abends heizten Herr Krüger und seine Jungs von Happy Grindcore den grindigen Schmalz aus den Ohren, großes Spektakel, Publikums- und Weltbeschimpfung, Verhandlung der letzten Dinge, der unplugged Tritt gegen akustische Eier, alle gegen Alles, demnächst dann Welthit, documenta, Klagenfurt. Axolotl-Kettensägenmassaker.
Aufs Hirn folgt das Herz, die Boxhamsters kochen kurz, trocken und schnickschnacklos den Saal auf, großes Gewoge vor der Bühne, Ergriffenheit links und rechts, der Sound allerdings, das muß man sagen, hätte besser sein können. Man versicherte mir, man könne die sowieso ganz ausgezeichnet mit dem Herzen hören, weshalb es wohl nichts machte, daß ich mein eines vorsorglich zugestopftes Ohr anschließend nicht mehr freibekam. Die herbstblättrige Brut Imperial-Tour endet im Sommer im Ratinger Hof, standesgemäß also.
Freitag, 5. Februar 2010
Für die kalten Nächte des Wochenendes bietet sich melancholischer Schrebbelkrach als mondtrunkener Begleiter an: Damn Laser Vampires führen die Tradition des halbschlechtgespielten Sperrholzrock munter voran, und das traurige Singen der Leadgitarre im verlinkten Stück schneidet ein Herz wie mit einer scharfen Gitarrensaite sauber entzwei.
Der Sekretärinnenlook der Bassistin* ist zudem purer Sex. Ich glaube, das sind Brasilianer, aber an ihrem Strand von Ipanema liegt wohl Sand aus schwarzem Teersplitt.
Nach diesem todesromantischen Video möchte man gleich eine bedrängte Schöne aus den Klauen eines unholden Lüstlings retten, doch ist eine gute Tat heuer schon, einer Großmutter über die vereiste Straße zu helfen. Es sind Wölfe da draußen, Mütterchen. Aber mir, mir kannst du vertrauen.
>>> Die passende B-Seite: John Spencer Blues Explosion, She Said
Samstag, 23. Januar 2010
Oh, that we know
Darkness makes the night more cold
That's what we know about me
(Sonic Youth, "What We Know")
Während ich mir heute mal gepflegt einen anhänge, wie man mancherorts so sagt, möchte ich mich zu meinem Hang zum late adopting bekennen. Miss Monolog lästert ja gerne, ich könne keine Maschine bedienen, die jünger als 50 Jahre alt sei - woran viel Wahres ist, aber nicht nur - das ist ja eher charmant. Aber selbst in Rosthausen sollte man auch mal neuere Musik hören. In meinem Bemühen, das Schaffen von Sonic Youth noch einmal in gebotener Ruhe nachzuarbeiten, kam ich nun im Jahre 2009 bei The Eternal an und möchte sagen: Das Album kauft ihr bitte am Montag alle. Lieder wie What We Know (an Kim Gordons Geburtstag aufgenommen) zeigen, warum meine inoffizielle Alte-Männer-Woche (Neil Gaiman etc.) die unsichtbare Tagline "Wir Silver-Ager haben noch eine Menge Zitronensaft!" trug. An Tagen wie diesen, wo mancher sich besonders alt, ungeliebt und häßlich fühlen mag, ("I'm in a state of shock", SY) knistern diese Songs eine elektrifizierte Energie durch die frostige Landschaft, daß einem mehr Worte durchs auftaugesalzene Hirn rieseln als man in einen Unterarm ritzen kann.
Verbissen argumentierenden Fans wird das Album vielleicht zu eingängig sein, anderen sei das bitte nur zusätzlicher Anreiz. Ihr werdet jedes einzelne Lied adoptieren mögen und dazu noch manchen Gedanken. Das sanfte Antenna zum Beispiel. Ich finde es schön, daß die 30 Jahre älter als ich sind (oder so um die Ecke herum), das läßt nämlich Spielraum und Hoffnung und die Großzügigkeit, das Irren der Jüngeren mit Nachsicht zu betrachten.
Sonntag, 17. Januar 2010
Frau Milk hatte geladen, da laß ich mich nicht lumpen, nur die Sache mit der Uhrzeit muß ich noch üben. Aber am Ende einer trubeligen Woche, Schneeschieben, Rumschubsen, Wachbleiben, führen die Zeiger auf der Uhr manchmal ein Eigenleben. Und man kann in der Zeit ja auch was dazuverdienen. Carsten Klatte in der Hasenschaukel, Intensivfolk, ein Mann, eine Gitarre, ein Auftrag. Sehr angenehm. Frau Milk ist furchtbar nett, erzählte aber immer was von "Sperrstunde", ein Begriff, den wir Matrosen hier so nicht kennen. Ich habe das überprüft. Um dann auch mal ein wenig Nikotin in die vom Winterfrost geklärten Lungenflügel zu drücken, schlitterte es sich anschließend untergehakt, damit man gemeinsam fällt, und immer schön quer zur spiegelblank gefahrenen Spurrille von Tür zu Tür. Ich werde gehänselt ob meines dicken Wintermantels (Typ erschossener Bär), aber der wird wenigstens nicht gestohlen. Am Ende stehe ich, kurz mir selbst überlassen, in einem Pulk motorölverschmierter Rockabillytypen, channele jedoch spontan den Geist von Gene Vincent, und man rückt respektvoll auseinander. Einen Witz habe ich auch noch erzählt, und der Laden hier ist ja eine echte Entdeckung.