Samstag, 19. Juni 2021


Tropfende Tropenträume


Martin Johnson Meade

Es ist mittlerweile dauerhaft so schwül-heiß hier in der kleinen metallbedachten Leuchturmkapsel, daß in den Ecken, wo bei euch in den Wohnungen Schwarzschimmel wächst, Orchideen und Venusfliegenfallen in einer gewissen feuchthitzigen Üppigkeit gedeihen. Heute morgen entdeckte ich Kolibris, die - offenbar durchs geöffnete Lüftungsfenster hineingekommen - morgennektarschlürfend von Blüte zu Blüte propellerten. Ganz hübsch eigentlich, wenn auch nur mit Eispack auf dem Kopf erträglich, will man gleichzeitig noch Dinge sachgerecht bearbeiten.

Stimmungsmaler Martin Johnson Meade hat das mal schnell pittoresk abgemalt, die Szenerie ist aber auch zu hübsch. Der US-Amerikaner (1819 - 1904) hatte eine besondere Neigung zu tropischen Landschaften und reiste Mitte des 19. Jahrhundert sogar extra nach Brasilien, um dort zu malen. Nun, da Brasilien wettermäßig zu uns gereist ist, kann man das natürlich einfacher haben. In meiner mittlerweile von Schlingpflanzen überwucherten Badewanne stelle ich mir gern vor, in einem Einbaum den Amazonas hinunterzugleiten, großen Schlangen auszuweichen und den giftigen Pfeilen der Ureinwohner. Dort, wo bei euch die Rückenbürste liegt, halte ich einen Kescher bereit, um bunte Schmetterlinge grotesker Größe von den Fliesen zu fangen und für die Nachwelt zu klassifizieren.

Alles nur erträglich, wenn ich regelmäßig eine Cooling Pause einlege, wie in der Begenung der beiden Ballspielmannscahften Deutschland und Portugal im aufgeheizten, subtropischen München. Wie ein leicht in die Jahre gekommener, aber immer noch auf Top-Niveau spielender Sportstar kippe ich mir kühles Wasser über den Kopf, gurgel ein, zwei Schlucke ordentlich durch, um Malariamücken aus dem Rachen zu spülen und rotze dann beherzt in den Amazonas. Ab nächste Woche wieder menschenwürdige Temperaturen, lange geht das nicht mehr gut.


 


Freitag, 18. Juni 2021


Mann und Fuchs

Kaum bricht die Sonne raus, ist es hier schon wieder mächtig und auch nächtig warm im kleinen Leuchtturm am Ende der Straße. Irgendwann sackte ich weg und hatte einen Traum, indem Frauen, mir dem Vornamen nach bekannt, unvermittelt vorbeikamen und darum baten, sich - ausdrücklich nur der Hitze wegen - ausziehen und auf mein Kanapee aus Kühlakkumulatoren legen zu dürfen und zum Klang einer tickenden Uhr von mir rein kuratorisch betrachtet zu werden. Was ist das? Völliger Quatsch! Bitte nur angemeldet vorbeikommen! Klingel ist defekt! Nachher habe ich hier eine Can-Can-Troupe tanzen, und die Nachbarn klopfen an.

Wachte dann etwas verschwitzt aus unruhigen Träumen auf wie ein häßlicher Käfer, aber es war nur eine Unterzuckerung. Wenn man auch den ganzen Tag im Rattenrennen steckt! Meine Zukunft indes stelle ich mir deutlich entspannter vor. Manchmal ermöglicht einem das Internet in der Hinsicht einen Ausblick. Da bin ich dieser Mann, der wie im kleinen Prinzen angeboten, einen Fuchs zähmt und mit dem artig zusammenlebt. Ganz schnurrig eigntlich. Vielleicht etwas warm.

Homestory | von kid37 um 13:31h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 2. Juni 2021


True Kitten



Als junger, aufstrebender Filmemacher habe ich mir ein Vorbild an der hier bereits erwähnten TV-Dokureihe Murder Maps genommen und steige jetzt ebenfalls in das True Crime-Genre ein, das in den letzten Jahren auch hierzulande immens populär geworden ist. Die kurze, erschütternde Historiendoku Terrorkitten (D 2021) über eine nur scheinbar friedliche Grachtengasse im Amsterdam der 1910er-Jahre ist mein Einstieg in die Welt der wahren Kriminalgeschichten. Die Recherche zu diesem aufwühlenden Fall über eine heimtückische Katze, die unbescholtene Hunde terrorisiert, ging mir dabei selbst sehr unter die Haut.

Ich könnte zu einer Art Fox Mulder für mysteriöse Katzenkriminalität werden. Ein Special Agent mit einer Kollegin, die einem ständig widerspricht und alle Theorien in Zweifel zieht (wie im richtigen Leben halt), am Ende aber selbst ins Grübeln kommt. Man könnte eine TV-Serie daraus machen, irgendetwas mit unerklärlichen Phänomenen und ungelösten Rätseln (wie im richtigen Leben halt). Wie so was aussehen kann, zeigt ja seit längerem eine österreichische Dioramaartistin, die unter dem Namen "Dolls Buzz" auf Instagram ihre detailverliebten Werke aus der Welt von Akte X ausstellt. Ganz groß und vor allem, von wegen "so 90er!" - wenn man bedenkt, daß sie zur Erstausstrahlung der Serie wahrscheinlich noch nicht einmal geboren war. Ich verstehe die Leidenschaft aber gut, war ich zum Zeitpunkt meiner das 19. Jahrhundert reminiszierenden Werke auch noch nicht geboren. (Da staunt ihr.)

Alles hängt mit allem auf delikate Weise zusammen, liest man. Und so freue ich mich, wenn das richtige Leben meine Filme spiegelt, die wiederum das richtige Leben spiegeln. So wie hier im tagesaktuellen Fall um eine junge Frau, die einen Terrorbären abwehrt, um ihre Hunde zu schützen. Es geschieht nichts zufälliges.


 


Sonntag, 30. Mai 2021


Rad-Antrieb



Junge Leute sind manchmal anstrengend, dann aber wieder sind einige nicht nur gut gekleidet, sondern hören auch noch gute Musik. Selbst beim Outdoor-Sport. Rollerskaten zu The Cures "One Hundred Years" muß man wohl einfach mal machen, es ist jedenfalls nichts, was sich von selbst handzahm aufdrängt. Dead Nettle on Wheels hat davon so einige geschmackvolle Titel in ihren charmant entspannten Roller-Videos, darunter Leslie Gore, MIA, New Order, Mancini... ganz toll. Und, wie gesagt, Kleidung ist auch beim Rollern möglich.

Wenn man selber in dem Alter ist, wo man morgens erst ächzend seine 37 Knochen sortieren muß, schaut man solche Videos von absichtsloser Lässigkeit ganz gern. Ansonsten lieber gekleidet, aber vorsichtshalber nur auf zwei Rädern zum nicht allzu weit entfernten, jugendlich verwahrlosten Park. Der ist Teil eines Grünstreifenprojekts geworden, wird also wohl in absehbarer Zeit ordentlich gefegt und reglementiert, sprich: "entwickelt" werden. Noch aber ist er - bunt eingekeilt zwischen Kanälen, Atelierhäusern, kleinen Werkstätten und Bienenstöcken - angenehm unkompliziert. Meine kleine Sommerresidenz, denke ich. Gegenüber gibt es sogar Gäste-Wlan irgendwelcher Firmen, noch fehlt mir allerdings das Passwort. Vermutlich werden mir auch dabei junge Leute helfen können.

>>> Geräusch des Tages: MIA, Bamboo Banga


 


Mittwoch, 26. Mai 2021


Papppansenerzählung (zu Pferde)

Weil ich meiner Mutter von meinen Geächze mit dem Rücklicht erzählt hatte, meinte die "Kauf dir doch ein neues Rad". Ich sagte "Ich will aber ein Pferd!" und sie meinte, so was hätte ich mit zehn schon angefragt und ob ich nicht mal langsam erwachsen werden wollte. Ich aber gebe nicht so leicht auf, niemals, und so verband ich, schon um alle anderen ins Unrecht setzen zu können, zwei Welten und fand ein Zentaurenrad, halb Pferd, halb Dreirad, auf eBay Kleinanzeigen. Hier in Hamburg, kann ich abholen und von dort direkt nach Hause radeln. Müßte allerdings erst noch ein Rücklicht anbringen.

In der Zeit, als ich kurz mal zweiter Bassist in der Punkband Pansen war (Album: Hundesteuer, Parkverbot, ein Leben voller Limits), besaß ich auch kein Pferd, gab aber immerhin musikalisch ordentlich Gas, bis man mich rauswarf wegen "kreativer Differenzen". Erinnere mich nicht mehr, was das gewesen sein sollte, weiß aber, das ich insgeheim froh war, denn der Bandname bezog sich auf den Geruch im Probenraum.

In meinen unterhaltsamen Lebenserinnerungen, die ich daraufhin schrieb, (Von Menschen war ich oft enttäuscht, Bd. I-IV) betrachte ich verschiedene epiphane Phänomene des Alltagslebens. Zum Beispiel kann man sehr lange Wochenenden darüber nachdenken, daß die deutsche Sprache seit der großen Reform von Annodings ein Buchstabenkonglomerat wie Papppapagei zuläßt. Das muß man mal schnell ein paar Mal hintereinanderwegsagen, dann niederschreiben und zuletzt von einer Grundschullehrer:in auf Twitter bewerten lassen.

Vielleicht geht das auf in einen Pop-Kanon, schließlich hat es das weithin ungebräuchliche Wort Fußgängerübergang auch zu einer rotzig besungenen, internationalen Berühmtheit gebracht.

Papppapagei. Pansenpunk.


 


Sonntag, 9. Mai 2021


Beschäftigt bleiben

Seit ich wieder in die Stadt gehen kann,
ist das eine großes Erleichterung für mich.
Doch wie lange habe ich mein Zimmer nicht verlassen!
Es waren bitteren Monate und Jahre.

(Bruno Schulz, "Einsamkeit". 1937.)



Zu Hause sitzen, durchs gekippte Fenster atmen, den Impf-Dax beobachten und die Ausschläge der Termingeschäfte; Jubelschreie auf dem Parkett, wenn Vakzin-Entrepreneure was im Oberarm gelandet haben. Hier zirpen unterdessen die Grillen, rollt Tumbleweed über den Wohnzimmerteppich, starre ich auf Wände, und die Wände starren zurück. Ab und an foppt mich freundschaftlich die Hausspinne, um mich ein wenig aufzuheitern. Doch auch die Tiere sind unruhig.



Wer nicht wie andere Vergessene nach Jahren vor dem laufenden Fernseher bei blinkender Weihnachtsbeleuchtung aufgefunden werden will (kann heute wegen der geplanten Obsolenz nicht mehr passieren, die Geräte halten einfach nicht so lange), sucht sich am besten eine Beschäftigung. So wie meine Mutter, die hier in Sydney eine beeindruckende Sammlung wunderbarer medizinhistorischer Exponate betreut. Das nenne ich Interesse und Engagement und einen schönen Kampf gegen die eigene Obsoleszenz und das Vergessen. Mit herzlichem Charme führt die alte Dame durchs kleine Museum, begeistert Besucher und macht, was sonst nur Blogger ungefragt tun: Sie gibt ihr Wissen weiter.

Es ist natürlich nicht wirklich meine Mutter, bevor jetzt jemand petzt und protestiert. Die sitzt, seit letzter Woche auch endlich mal geimpft, brav daheim und wartet auf einen schönen Gruß zum Muttertag. Alles Gute, Mutti!


 


Sonntag, 2. Mai 2021


Rostige Pferde



Kaum ist man mal zwei, drei Tage von Twitter weg, fühlt es sich an, als hätte man literweise Schafgarbentee getrunken. Alles entspannt, eine gewisse Ruhe schlenkert sich ums innere und äußere Haus. Gleichwohl griff ich heute vor der Radausfahrt zu einer kleinen Schock- und Konfrontationstherapie, als ich meinem Rücklicht nur scheinbar schelmisch drohte, demnächst gar nicht mehr zu Rade, sondern wie so manche neuerdings hoch zu Roß durch die Stadt zu reiten.

Mit Pferden kann ich nämlich gut, muß man wissen. Oder sagen wir: Ich hatte mal eine Bekannte, die besaß ein Pferd und das durfte ich mit Karotten füttern. Dem Pferd war ich, glaube ich, egal (der Bekannten, hoffe ich, nicht), aber es war sehr interessiert an meinen Jackentaschen. (Das war auch eine schöne Jacke, in die viele Karotten paßten.) Jedenfalls bin ich seither Trensenexperte und kann Pferde am Hufschlag erkennen. Drahtesel auch, und daher versuchte ich mich heute als Rücklichtflüsterer und eine Art Fahrrad-Tamme-Hanken: Ich klopfte die Leuchte vor Fahrtantritt vorsichtig, aber bestimmt an neuralgischen Stellen ab, und der Rest ist Ah! und Oh!

Läuft, wie man so sagt. Manche Dinge brauchen nur Ruhe oder ein wenig Eigen-Zeit, mal eine Weile "stille Treppe" oder einen kleinen, aber selbstverständlich liebevoll gemeinten, Klaps. Tipps und Tricks für die Fahrrrad-Hippotherapie lautet mein kleiner Ratgeber, der Roß und Reiter unverblümt beim Namen nennt. "Menschen rostig - Pferde rüstig" ist das leicht zu lernende Motto. Das bedeutet soviel wie: Wenn das Rücklicht heller leuchtet als man selber, muß man dringend was an wackligen Gelenken tun. Umgekehrt hilft manchmal einfach ein wenig Kontaktspray.


 


Sonntag, 25. April 2021


Geist


Geist I. Acryl auf Papier. 2021. 1000,- Mark.

Machmal sitze ich abends am offenen Fenster, atme wie ein "Tatort"-Kommissar vorsichtig in eine Plastiktüte, hänge untertänig meinen Gedanken nach und komme zu dem Schluß, daß die wohl zu komplex für viele sind. Das große Unverstandensein - seit Kindertagen. (Wobei ich manchmal höre, man solle sich da nicht so haben, andere Kinder seien auch schon mal unverstanden gewesen sein und haben das schlußendlich als Erwachsene erfahren. Und hat es ihnen geschadet? Eben!)


Geist II. Acryl auf Papier. 2021. 1000,- Mark.

Zum Glück habe ich Geister, die ich mir selbst auf Papier male, mit denen ich reden kann. Anrufen. Hallo, hallo, wie findse? Eine große Séance zur abendlichen Beruhigung. Antworten, manche wirklich komplex, andere satirisch, dann übers Ouija-Board. Ich atme Ektoplasma in die Tüte, ganz wie ein großer Schauspieler. Geisterhaft tanzen schemenhafte Erinnerungen an der Decke, Nostalgie fürs Schmerzgedächtnis. Alles Inzidenzen zur Geisterstunde. "Margret, Margret!" rufe ich. "Kannst du mich hören?" Ein Wispern ertönt, eine merkwürdige Stimme wie aus einer Erzählung von E. A. Poe oder R. L. Stevenson. "Margret, bist du es? Man wird doch mal fragen dürfen!" rufe ich erneut. "Wann wird der Scheiß zu Ende sein?"

Doch alles bleibt still, die Schemen verschwinden, die Bilder verblassen und man sitzt wieder da, ohne Antwort. Wie lange noch?

>>> Geräusch des Tages: Patti Smith, Ghost Dance


 


Freitag, 23. April 2021


Traumtagebuch



Als Somnambulist fühle ich mich von der nächtlichen Ausgangssperre besonders hart betroffen. Wie oft stehe ich nächstens auf dem Dachfirst oder unten im Park, träume weiter auf einer eng begrenzten Stelle fahlen Mondlichts oder bin unversehens erwacht, meilenweit von daheim entfernt, in einer fremden Straße, einer fremden Stadt und fühle mich, als sei ich durch eine naturhistorische Sammlung spaziert, durch eine tiefe See. Bin gewandelt zwischen seltsamen Wesen wie trunken, und dann flasht einem vielleicht eine Polizeimaglite ins Gesicht, wohin, woher, wie ist ihr Name?

Man taumelt so durch den Tag, die Welt immer fremder, verwaschene Erinnerungen an dieses oder jenes oder auch den Alltag, oben und unten, hinten und vorn neu priorisiert, ein morgendliches Hallo zu den Zimmerpflanzen, reime Impfe auf Schimpfe, putze hier ein wenig Staub, schlage dort ein neues Buch auf. Lasse mich hin- und hertreiben wie so eine Tiefseequalle mit langen Tentakeln, dümple von Wellen, Strömungen, Ankündigungen bewegt hierhin und dorthin. Alle Klänge merkwürdig gedämpft, von Rauschen getränkt, hallo, hallo, wohin, woher, wie ist ihr Name.

Bin ein wenig matt.


 


Dienstag, 6. April 2021


Das Geschenk der Weisen



Wir waren ja sehr arm. Wir waren so arm, da mußten wir uns als Kinder unsere Rollschuhe selber basteln. Von irgendwo alte Räder abmontiert - von der Möbeltruhe, von einem Puppenwagen, einer hatte zwei Laufräder aus den Hamsterkäfigen seiner kleinen Schwester - dann unter die Schuhe montiert so gut es ging - und hui, ab ging es die steile Straße vor dem Haus hinunter. Wer bremst, ist ein Doofi!

Später wurden die Schuhe etwas besser, weil man "aus dem Wachstum raus war", wie getuschelt wurde. Aber für Rollschuhe war immer noch kein Geld, und so wurden zum Start der Saison Jahr für Jahr aufs Neue von irgendwo vier bis acht Räder besorgt und unter die Sohlen gedengelt. Mein Traum, wenigstens einmal der Schnellste zu sein, blieb unerfüllt. Denn die andere Kinder aus der Nachbarschaft bekamen nach und "richtige" Rollschuhe geschenkt, die gab es dann zu Weinachten, sogar samt Schlüssel, und kaum kam die Sonne raus im Frühjahr, sausten sie uns auf ihren glitzernden Schuhe davon.

Ich packte die Schuhe weg, nur ab und an holte ich sie hervor, putzte sie oder justierte etwas an der Aufhängung, hielt sie prüfend ins Licht und legte sie schließlich seufzend zurück. Mit diesen Rädern würde ich immer zu schlecht sein zum Rollschuhlaufen. Meine damalige Bekannte hörte abends oft mein Seufzen, während sie vor dem Spiegel saß und sich in unserer kleinen Wohnung die langen Haare mit einem billigen Kamm ausstrich. Auch ich hörte sie oft seufzen, wenn sich die Grate des Kamms im feinen Haar verfingen, es ziepte und zog, anstatt glatt hindruchzustreichen.

Als Weihnachten kam, faßte ich einen Entschluß. Ich packte die Rollschuhe und eilte zum Pfandhaus. Nie wieder würde ich sie fahren, diese Zeit war vorbei, nun war Zeit für einen Entschluß. Ich schluckte, als mir der Pfandleiher das wenige Geld auf den Tresen legte, ging dann aber gefaßten (und nicht etwa rollenden) Schrittes hinüber zum Budni-Drogeriemarkt, um ein Geschenk zu kaufen.

Am heiligen Abend gab es Bescherung. Meine Bekannte überreichte mir einen kleinen Karton, den sie liebevoll eingewickelt und mit einer Schleife umbunden hatte. Ich öffnete ihn und fand darin acht glänzende Blitzlaufrollen zum Drunterschrauben für Rollschuhe. "Damit das mit deinen ewigen Provisorien mal ein Ende hat", hörte ich, während mir das Rauschen des Blutes in die Ohren schoß. Mein Herz machte einen Sprung, während meine Bekannte ihr Geschenk auspackte. "Jetzt sag nur nicht, du hast dir die Haare abgeschnitten", rief ich, während sie den handgesägten Kamm aus dem Geschenkpapier wickelte. "Nein. Aber jetzt hab ich zwei", sagte sie und holte einen schönen, handgesägten Kamm, den sie sich selbst gekauft hatte, in die Höhe.