Freitag, 29. Oktober 2021
Es ist immer aufregend merkwürdig oder merkwürdig aufregend, wenn einem fremde Leute in den eigenen Träumen herumfuhrwerken. Jetzt ist es aber so, daß die Make-up-Künstlerin Isamaya Ffrench (u. a. Kanye West, Pacco Rabane) mit Regisseur und Kameramann Rodrigo Inada in meinen Kopf vordrangen, um einen Traum, den ich vorgestern hatte, von dort herauszupulen. Das ist eine spannende Technik, die im kommenden Meta-Zeitalter ganz normal und haushaltsüblich werden wird. Sozusagen der Thermomix für die REM-Phase.
Ffrench, von der es heißt, sie habe ihre Karriere als Gesichterbemalerin auf Kindergeburtstagen begonnen, sagt "I just think that 'beautiful' and 'pretty' have limits" und schaut offenbar auch ganz gern unter dem Teppich nach, nimmt Seelenkericht und einen Schuss Ursuppe (neben Sauerteig immer einen Schuss Ursuppe vorrätig halten!) und zaubert einem das wahre Halloween-Ich aus dem Körper. Zauberhaft. Präsentiert wird das ganze von WeTransfer, die hier einen ausführlichen Bericht, weitere Hintergrundinformationen und Stills aus dem kleinen Film bereitstellen. Zum Träumen.
Apropos, Kindergeburtstag. Wieder einmal um die Sonne rum, das ging diesmal schneller als ein Roadrunner aus den Carl-der-Coyote-Filmen. Danke für die vielen Glückwünsche und Geschenke, das ist alles sehr rührend. Kann jetzt sagen, "bin ja auch keine 37 mehr" und ähnlich wie Frau Ffrench "'beautiful' and 'pretty' have limits", aber meine Träume sind (s.o.) nach wie vor wild. Habe auch geträumt, daß ab nächstem Jahr jeweils ein EU-Bürger zufällig als Hospitant bei der EU-Kommission ausgelost wird, um mehr Bürgernähe zu diesen doch recht abstrakten Institutionen zu schaffen. Besitze jetzt ein Handbuch für die kommende Caféhausarbeit. Dazu Post aus Florenz, fantastisches Geschenkpapier, das ich rahmen werde und viele weitere interessante Ideen für die Zeit von 2:00 Uhr a bis 2:00 Uhr b, wenn am Wochenende die Uhren umgestellt werden.
Donnerstag, 21. Oktober 2021
Wenn man eine experimentelle Apparatur entwickelt, muss man immer mit Nebenwirkungen rechnen. So zieht man durch einen komplizierten Mechanismus der Natur Motten an, wenn man eine Lampe baut (-> Phototaxis). Daher auch das Lied.
Manche Menschen werden auch vom Kurznachrichtendienst Twitter angezogen wie die Motten, weshalb ich am 28. April 2021 ein Experiment der Selbstenthaltsamkeit startete und das Rumlungern den Betrieb dort einstellte. Und zwar bis zum 18. Oktober 2021, was mir leider zu spät auffiel, sonst hätte ich noch zehn Tage durchgehalten, um das halbe Jahr komplett zu machen. Ich kann als erstes Vorstudienergebnis vermelden, daß ein Twitter-Detox sehr bekömmlich ist für inneren Frieden und das Zeitmanagement. Man muß auch kein FOMO hegen, denn auf hat sich nach einem halben Jahr Pause nichts geändert. Es geht nahtlos von einer Aufregung zur nächsten, wie Wellenreiter, die von einer Welle zur nächsten gleiten, immer und immer wieder.
Selbst eine Motte mit nur einem Fühler, sozusagen ein "Singulartaster", wie wir Signalwissenschaftler sagen, bekommt in diesem Umfeld genügend Reize und Erregung mit. Jetzt im Oktember, dem fnürfundhmpfigsten Monat seit Anbeginn der Pandemie, gehen die Lichter und Gasheizungen früher an, man kritzelt abends noch den Tagesreport ins Journal, seufzt über heißem Kamillentee, liest den Tanz der Motten um die Straßenlaterne vor dem Haus wie Prophezeiungen und wiegt seine Gedanken, ob sie auch schwer genug sind für den langen Winterschlaf.
Ich glaube, die Motten sind dieses Jahr größer geworden, der Klimawandel läßt die letzten verblienenen Insekten wachsen wie eingeschleppter Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum). Einen Mantel wird man sich schneidern können aus ihren Flügeln. Später, wenn es in Frost und Rente geht.
Samstag, 16. Oktober 2021
Sitze hier im karierten Hemd und versuche mich als Maschinenbauer. Habe jetzt eine Lampe gebaut, die ich über das Wochenende mit Gedankenkraft zum Leuchten bringen will. Ich hatte dazu ein paar kühle Gedanken, die mir erfolgversprechend schienen, bis mir auffiel, daß die Heizung bereits seit einigen Tagen ausgefallen war. Da kann ja jeder kühl denken! So waren natürlich auch die Gehirnwellen verzerrt und... na ja, ich fasse das kurz, das wird für die meisten Leser eh unverständlich sein. Noch ist es dunkel, aber ich arbeite dran. Transmutation.
"Kalt, aber hell" lautet nun das Ziel fürs Wochenende. ("Mehr Licht", für die Bildungsbeflissenen hier.) Der Herbst ist da, nur leider sind ja alle Jahreszeiten gleich geworden. Gleich gleichtönig, gleich müde, gleich ereignislos. Man könnte sagen: Auch die Jahreszeiten tragen Maske. Wer weiß schon, was darunter ist? Die einzigen Wesen, mit denen ich mich noch unterhalte, sind die Hausgeister. Ich würde sie "Dämonen meiner Vergangenheit" nennen, wären sie nur irgendwie interessanter. So aber mahnen sie nur "mach mal Pause" oder "mach mal Urlaub" oder "mach mal den Staubsauger an", kriechen dann wieder wie Ektoplasma in irgendwelche Ritzen der Wandverkleidung, lachen hinter der Tapete oder werfen ein Buch aus dem Regal. Mehr fällt denen ja auch nicht ein. Selbst Trugbilder kriegen die nicht mehr richtig fokussiert hin, es bleibt ein diffuses Gewaber. Mal eine nackte Brust oder ein wutverzerrter Fahrkartenkontrolleur, mindere Kunst der Geistesprojektion, für die man nicht mal rückwärts sprechen muß.
Habe mich ja ganz gut mit der ersten Staffel von Vienna Blood amüsiert, für das einige Szenen auch in meinem Lieblingsmuseum gedreht wurden. Ein Telefonanruf aus der schönen Stadt bestärkte mich, recht bald mal wieder hinzufahren. Den einen Irrsinn gegen den anderen eintauschen. Lichter ins Fenster stellen.
Sonntag, 26. September 2021
Heute morgen konnte ich aussschlafen, lag also schwer auf der Matratze und fühlte daran noch schwerer, da blitzte in mir der Gedanke: "Auch Wolken haben ein Eigengewicht". Von der, wie soll ich sagen, Gravitas dieser Erkenntnis noch tiefer ins Laken gedrückt, faßte ich aber einen sogenannten Entschluß, stand auf, trank Kaffee, brachte einen Brief zum Postkasten und holte ein paar essentielle Ding ein. (sog. Tagesbericht)
Eine Erkältung umschwirrt mich wie der Teufel die Fliegen, ich sage nur Schwitzen im Übergangswetter (was auch der Titel eines ungelesenen Romans sein könnte), und so heißt es, Vitamin C statt Vodka-Tequila. Früher war ja Samstagabend mehr Rock'nRoll, aber die vielfältigen Arzttermine diese Woche haben mir diagnostiziert, daß dieses sogenannte Altern auch vor Bloggern nicht Halt macht. Müde bin ich, geh zur Ruh'.
Von wegen nächtliches Rumschlurfen durch elektrisch geladene Großstadtneonlichterpfützen. Man sitzt stattdessen von der inneren Schiebermütze beschirmt daheim auf dem Sofa, blättert durch Prospekte voller Discounterangebote, findet es lustig, daß Aldi (das ist ein großer Discountanbieter) ein Handtücher- und Bettwäscheangebot mit einem Wolfgang-Joop-Look-a-Like bewirbt, bis man feststellt, das ist tatsächlich Wolfang Joop. Was kommt als nächstes?!? hallt es verzweifelt durch mein angelehntes Fenster. Abgewrackte Ringelpulliblogger mit Schiebermütze, die einen Sonderposten Handyladegeräte bewerben?
Morgen ab 18.00 Uhr dann Ruck oder Tiefschlaf, ich schaue schon seit Wochen den Stand der Wolken, der Sterne und den Zug der Vögel. Ich verstehe die Zeichen aber nicht, wie so viele viele andere nicht verstehen und deuten und mißdeuten, zuhören und nicht zuhören, spüren und nicht spüren, die Risse in den Wänden nicht sehen, das Röcheln in den Leitungen nicht hören, das Piepsen hungriger Vögel im Nest.
Ab Montag nur durchschlafen, gar nichts mehr hören, alle Stecker raus, leben nur mit Partyhütchen statt Schiebermütze, noch mal Geld raushauen für Gutes oder Hochprozentiges oder einen neuen warmen Mantel wg. Gutesgefühl. Danach Emo-Bloggen für einen Rheumadeckenhersteller oder einen Anbieter für Heimlichtorgeln. Die tollsten Pläne, Samstagabend, 23:03 Uhr.
>>> Geräusch des Tages: Richard Hell, Blank Generation
Montag, 30. August 2021
Ein anstrengender Montag. Vor dem ersten Frühstück schon ein MRT-Termin, zu dem ich überraschend über die Warteliste vorrückte. Habe extra auf Kaffee verzichtet, weil ich damit rechnete, dann ein wenig in der Röhre schlummern zu können. Leider erhob ich aber nicht rechtzeitig Einspruch, als es fröhlich hieß "Ich mach mal Radio auf die Kopfhörer!" Statt des warmen Schringersounds der Einstürzenden Neubauten bedullte mich also Radio Hamburg, und das ist ein Fall für den EGMR.
Danach aber schön entspannt, wie das so ist, wenn man bratfertig aus der Röhre gezogen wird. Jedes Huhn weiß das. Nervenberaubend dauerte und dauerte und dauerte es jedoch, bis die CD mit den Fotos fertig war. So ging ich davon aus mußte ich konklusionsfixundfertig selbstverständlich davon ausgehen, daß die "was gefunden haben" - und schon war das mit der Entspannung wieder hinfällig. Und dann nicht mal WLAN im Wartezimmer, bis auf die beiden der MRT-Geräte (T3 und T4, die haben eigene WLANs, ganz toll. Die könnten die Bilder direkt auf einen Insta-Kanal senden!) Wurde aber nur vergessen, weil ich ja unwillkürlich zum Patientenmimikry neige und mit dem Wartezimmer verschmelze.
Irgendwann aber dann doch endlich Kaffee und einen Ausflug ins Steuerrecht. Ich will ja nächstes Jahr eine Diamantmine kaufen, jedenfalls kommt es mir so vor, wenn ich die einschlägigen Vorschriften und exegetischen Rechtsauslegungen der entsprechenden Oberfinanzbehörden studiere. Das Finanzrecht präsentiert sich traurigerweise in einer gänzlich unpoetischen Sprache, anstatt z.B. als ein in Stanzen formuliertes Versepos. "Wir möchten itzund Geld von dier, so gieb es allzeit hinne!" wäre ein allgemeinverständlicher Einstieg in die graupapierne Welt der fiskalischen Reiter, die mit Lanzen und Zwingen bewaffnet mehr als den Zehnten verlangen.
In meiner Jugend schrieb ich bekanntlich avantgardistische Kurzromane wie Du spuckst in den Wind, ich halte aber nichts davon oder Wir sind kaputt und wollen aber gut aussehen. Wichtige Texte allesamt, bedeutsam für eine ganze Ein-Mann-Bewegung. Später kamen dann weniger ambitionierte, dafür erfolgreiche populäre Bücher aus dem Fantasy- und Horrorbereich dazu (viele werden die Sammlung Die sich selbst leer trinkende Cocktail-Bar und andere unheimliche Geschichten kennen oder mal verschenkt haben). Vielleicht sollte ich das Genre des Fiskaldramas begründen, die Zielgruppe ist ja nicht gerade klein.
Jetzt aber erstmal lecker Kuchen nach antikem Rezept, folglich nach sogenannter Differenzbesteuerung zu betrachten. Ich denk' an euch.
Donnerstag, 12. August 2021
Ich lag neulich auf dem Sofa, auf der Suche nach dem besten Gedanken, da fiel mir beim Blick in die Weite des Raums mit einem Male auf, daß mir wohl eine Drehbühne fehlt. neue Sichtweisen auf Knopfdruck! Der ganze Salon auf einer Drehbühne, und wenn einem nach einiger Zeit der Anblick fad wird, dreht man ihn einfach (Steuerung per App, bin modern), eine Vierteldrehung nach links oder rechts.
Patent ist eingereicht.
Auf dieser Drehbühne könnte eine engagierte Hermetische-Café-Tanztroupe in einer strengen Choreographie zu den Klängen von M.I.A.s Bamboo Banga langsam vor- und zurückschreiten. Wiegen. Frau Kerner allerdings muß mit sich selber tanzen. Das ist nicht schlimm, das mache ich schon lange so. Meist an lauen Sommerabenden auf meiner imaginären Sommerterrasse zu hervorragender Musik. Neulich aber war ich in einer Großstadt am Rhein und geriet zufällig in eine quengelnde Quertanzgruppe. Außer unrhythmischem Getrommel und Getröte kam da: nichts. Denen hätte eine, nur meine MEINUNG, allerdings sehr schnelle, Drehbühne sehr gut getan. "Raus aus dem Hamsterrad, rauf auf die Drehbühne" lautet das Motto, und als ich später in Wuppertal war, habe ich mir von einem alteingesessenen metallverarbeitenden Betrieb gleich mal was basteln lassen. Gerade schraube ich in meinem Salon zwei kleine Pfeiler in Boden und Decke, da wird das dann eingerastet.
Wir lernen: Von der Sofaidee zur Umsetzung in nur 400 Km Bahnfahrt. Jetzt geht's aber rund! sagte man früher, wenn die Stimmung in die ein oder andere Richtung stieg. Manchmal muß man im Leben einfach nur die Laufrichtung ändern.
Mittwoch, 4. August 2021
Und nun zum Sport: Wenn ich eines aus dieser Olympiade (und ja, das ist nur der Abstand zwischen zwei dieser Spieletreffen, brav, brav) mitnehme, dann die Wendung: "Ringerin Rotter-Focken". Schon morgens vor dem Spiegel übe ich das ein. "Ringerin Rotter-Focken", mal mit rollendem R oder auch zwei, mal sanft und beinahe zärtlich. Ich höre (mit dem inneren Ohr), wie die Wendung in den Redaktionen landauf, landab hin- und hergeworfen wird wie ein Softball (oder Beach-Handball von Journalisten in Verbandskleidung). "Ringerin Rotter-Focken". Zehn Mal hintereinander sagen.
Ich persönlich bin ja eher der wortkarge Typ, weshalb ich derzeit wieder mit meinem alten Studentenjob unterwegs bin: Pantomime in der Fußgängerzone. Wenn ich nach etlichen Klimmzügen an imaginären Mauern und dem Betasten von Glasscheiben nach Hause komme, fühle ich mich frei wie ein Schmetterling, der gerade in eine träumende Wolke hustet. Ein Schmetterling, das haben wir von Dr. Hannibal Lecter gelernt, steht für Verwandlung. Ich muß derweil für meine weitere akademische Verwandlung einen Doktorvater oder -mutter finden, die mein Promotionsvorhaben "Neurotransmitting Processes and Making Friends in a Post-Digital-World" unterstützen. Post-Digital wird das nächste große Ding, mark my words.
Heute konnte ich nicht akademisch tätig sein, weil die junge handwerklich geprägte Frau mit den neuen Rauchmeldern kam. (Noch digital, also jetzt bereits veraltet.) Wir plauderten über Datenschutz und Designfragen, während ich die Leiter hielt (die Wände des Leuchtturms sind enorm hoch) und ihr beim Über-Kopf-arbeiten zusah. Anschließend schaute sie sich "unbemerkt" um, ich versicherte ihr schnell, im Grunde ein Freund des minimalistischen skandinavischen Designs zu sein, es nur nicht so ausleben zu können. Sie sicherte mir ihr Verständis zu. Sie besäße auch nur "schöne Dinge", und die schmeiße man ja nicht einfach weg. Ich war erleichtert, fügte aber sicherheitshalber noch hinzu, daß ich im Filmgeschäft sei, Requisiten brauche und derzeit ein neues Projekt anleiern würde. Arbeitstitel "Ringerin Rotter-Focken vs. Sharknado". Sie sagte, das glaube sie gern und wünschte einen schönen Tag. Ich glaube, ich gebe ihr dann eine Freikarte.
Montag, 26. Juli 2021
Während mich Bekannte aus New York (das ist eine große Stadt in den USA) auf Instagram mit einem gewissen Überschwung sportlich düpieren (gut, daß ich nicht dabei war und mich womöglich zum Wettbewerb gedrängt gefühlt hätte), denke ich erneut über das Thema "Mobilität" nach.
Ältere Leser Wer hier schon länger mitliest, erinnert sich vielleicht an meine fast erotische, dabei aber unschuldige Begeisterung für Aufsitzrasenmäher. Nun sehe ich, daß es ein solches Gefährt auch bereits einmal in einer Corona-konformen Version gab. Der klimatisierte Wonder-Boy X-100 sichert Fahrer oder Fahrerin vor viralen Kontakten und bietet zugleich ungestörte Rundumsicht auf Rasen, rumlungernde Partner und eben Scheunenpartys und Trapezturnerinnen.
Wenn der Rasen dann schön getrimmt ist, steht der Tiki-Party nichts im Wege. Angemessene, sommerlich langsame Bewegungen, kein Sehnenreißen oder Zerren und dabei natürlich nur Apfelessig statt Alkohol, um für hochfliegende Träume fit zu beiben.
Sonntag, 11. Juli 2021
Um meine finanzielle Lage zu verbessern, denke ich darüber nach, einen Laden zu eröffnen. Die Bedarfsanalyse für mein Viertel hat mir gezeigt, dass in diesem Quartier vor allem ein guter Bäcker und ein Lottoladen fehlen. Diese Lücke werde ich füllen und zudem dort eine kleine Galerie unterhalten, um meine fantastischen Bilder zu verkaufen. So liegt auch ein einprägsamer Name für das Geschäft auf der Hand: "Brot. Lose. Kunst". (Kommt alle zur Eröffnung! Es gibt Brot!)
Das sind Gedanken, wie sie mir abends einfallen, wenn ich am Fenster sitze und aufs Wasser schaue. Ich esse dazu gern ein Eis aus dem Tiefkühlfach (Bourbon-Vanille, natürlich ohne Bourbon und höchstwahrscheinlich auch ohne Vanille) und beobachte Heißluftballone, die kleinen Kajütboote auf dem Kanal, Stand-up-Paddler und Abendrundenschwimmer. Und heute tatsächlich auch den vor einiger Zeit schon aus der Nähe entdeckten Eisvogel, der grünblau-schimmernd dicht über das Wasser propellerte. Auch darüber könnte man nachdenken: unten ein bunter Eisvogel, oben ein Eis essender anderer bunter Vogel. Darin liegt bestimmt ein Sinnbild versteckt, das ein hermeneutisch geschulter Kunsterklärer deuten könnte. Mit einem Vortrag in meinem Laden Brot. Lose. Kunst. zum Beispiel.
Heute Abend gibt es auch Kunst: Schauspielteam 1 spielt gegen Schauspielteam 2 um die Europameisterschaft im Bodenrollen. O, Mamma mia! gegen Fly like a Butterfly. Mein persönliches Bayreuth, für das ich beste Plätze auf dem Sofa habe. Am Ende werde ich mit ledrigem Gesicht wie eine Eiskunstlaufmutti Schilder hoch halten mit "4" und "5" und dem Ganzen ein Kunsturteil geben.
Freitag, 25. Juni 2021
"Mythos U-Boot". Aquarell, 2021. 1000,- Mark.
Nur wenige wissen, daß ich früher manche Mark mit sogenannter U-Boot-Malerei verdient habe. So habe ich durch Vermittlung der Künstlerabteilung des Arbeitsamtes Hamburg für das Offiziers-Casino am U-Boot-Stützpunkt Eckernförde Bilder von berühmten U-Booten gemalt. Eine hübsche Galerie in dem Stil, der mich später berühmt machen sollte: präzise realistisch, aber mit Herz und Ausdruck.
Bei der U-Boot-Malerei sind einige künstlerische Probleme zu bewältigen, von denen normale Menschen gar nicht wissen, daß sie überhaupt existieren. Im Vergleich zur Blumenmalerei sind zum Beispiel einige Herausforderungen dimensionaler Natur zu überwinden. In der Regel ist es aussichtslos, ein U-Boot 1:1 auf Papier bringen zu wollen. Mit Blumen eher kein Problem. Man muß also von der inneren Position her kleiner malen als es eigentlich ist, die sogenannte Demutsmalerei. Anders auch als die von mir ebenfalls sehr engagiert betriebene Pferdemalerei hat man nicht mehr die Wahl zwischen Querformat (Pferd auf der Weide) und Hochformat (Pferdekopf isoliert als Porträt). Das U-Boot will und fordert das Querformat!
Hat man sein Subjekt also erst einmal derart künstlerisch erschlossen, sind zahlreiche aufwendige Vorstudien und Skizzen erforderlich, um überhaupt ein Gefühl für Wucht, statische Bindung, stählernes Gefüge, admiralische Materialität, technische Details, Details, Details und schließlich inhaltliche, fast soldatisch zu nennende Haltung zwischen respektvoll, gerührt, hab Acht und schließlich pinselgeführten Angriff zu finden. Nur schlechte Maler lassen sich von ihrem Subjekt überwältigen und blasen zum Rückzug in Gischt und Pathos! Man merkt schon aus diesen kurzen Ausführungen, so ein U-Boot-Bild ist nicht einfach schnell dahingemalt! Es ist ein schmaler Grad zwischen technischer Skizze und verklärter Überhöhung, aber hier ist das Meisterwerk gelungen.