Um sich in dunkle Nächte zu verbergen
Wo schwer im Himmel sich die Wolken winden.
(Georg Heym, "Die Nacht III". 1911.)
Eine Marathonwoche. Ich möchte darüber nicht viele Worte verlieren. Im Januar wird alles besser, bis dahin sollen nur die Gebißspuren in meiner Schreibtischplatte stumme Zeugen frohen Tuns sein. Das Blut unter meinen Fingernägeln. Aber große Augen werden unter dem Baum hell erstrahlen, wenn wir gut gearbeitet haben. Heute wurden zwei andere Kollegen "laut", wie es bei uns heißt. Ich hatte meinen Auftritt bereits und schmirgelte daher stumm, fast entrückt, an meiner kleinen bunten Gußform. Viele träumen dann vom Wochenende. Doch "das Gemeinste am Träumen ist, das alle es tun", heißt es bei Pessoa. Man muß sich das Eigene bewahren.
Unter der Woche las ich Klabund und Carola Neher von Matthias Wegner. Ein sicher kenntnisreicher Abriß der schwierigen Liebe zwischen den beiden Skorpionen Künstlern, bei der sich der todkranke Klabund von der zehn Jahre jüngeren Schauspielerin oft ins Abseits geschoben fühlte. Von dieser Dynamik allerdings verrät das Buch nicht viel, dafür nervt der Autor mit ermüdenden Aufmerksamkeitsheischern: Das würde noch Folgen haben, da ahnte noch niemand, dieser Bekannte würde noch Unglück bringen usw. usf. - beinahe jedes Kapitel endet mit ominös dräuenden "Cliffhangern", so als habe der Autor seinem ebenso spannenden wie tragischen Stoff nicht getraut. Der Klabund, auch schon tot.
In den Zwanziger Jahren haben die beiden viel gefeiert, natürlich in Berlin, der Hauptstadt des Vergnügens, einst und jetzt. Aber man soll da nicht gram sein, denn auch Hamburg, laut einem seiner Söhne "das Tor zur Welt. Aber leider nur das Tor" (Karl Lagerfeld), hat an diesem Wochenende ein bißchen was zu bieten. Vor allem viel Kunst. SpOn behauptete heute keck, Hamburg scheine die Hauptstadt der alternativen Galerien zu sein. Schön wär's, möchte man der Autorin freundlich zuwinken; allein, mir fehlt der Glaube.
So oder so aber findet der Knaller des Samstags nicht in der Hauptstadt des Wasauchimmers, sondern in der Hansestadt statt: Feinkunst Krüger lädt wie immer gepflegt zur Vernissage ein. Wieder heißt es "Don't Wake Daddy", wir spielen die zweite Folge, die "größte Low-Brow Ausstellung Europas". Dieses Jahr in Zusammenarbeit mit Raum 21, und wer das verpennt, kann auch gleich nach Berlin ziehen ist selber schuld. Unter den Künstlern sind unter vielen anderen Danielle de Picciotto, Angie Mason, Anthony Ausgang, die hier auch schon erwähnten Mia Mäkilä und Moki (!), der großartige Thorsten Passfeld, Travis Louie und, ebenfalls als Heimspieler, Wolfgang Sangmeister. Klangvolle Namen genug, um sich Tränen der Begeisterung aus den Augen zu wischen. Kämmt euch die Haare, tragt eure schönsten Sachen, der Abend ist es wert.
("Don't Wake Daddy II", Feinkunst Krüger, Hamburg und Raum 21, Hamburg. Bis 22. Dezember.)
Alles außerhalb meines Budgets, aber tolle, sehr witzige und entzückende Sachen dabei. Ich liebe ja diesen kleinen Formate und die Fülle der dichten Hängung. Im Grunde muß man das alles haben.
Mir persönlich haben ja der kleine Travis Louie "Smokey" und das Bild von Heiko Müller im Raum 21 am besten gefallen. Und Ihnen?
Das Bild von Heiko Müller aus dem Raum 21 ist das hier: http://www.flickr.com/photos/dontwakedaddy/2073564960/in/set-72157594391293833/
Schenk dir den Louie doch einfach selbst zu Weihnachten. Das macht glücklich!
Nachtrag: Danke für den Link, da hat man ja eine schöne Übersicht.