Das Haus, das schrie

A scratch in the wall by his side
He watches all the time
While all around him wallpaper dies

(And Also The Trees, "Wallpaper Dying")

Eines Tages, wenn die alten Tapeten heruntergekratzt sind oder neu eingefärbt, wenn Raum ist für neues Ach und Weh, dann werde ich durch die staubigen Zimmer schreiten, dort, wo nur noch feiner Gipsstaub im Gegenlicht der tiefstehenden Sonne wirbelt. Vielleicht ein letzter Hauch noch oder eine Riefe im Putz. Die werden meine Finger spüren, wenn ich über die Wände taste. Wenn ich gedankenverloren über die Stelle streiche, wo sich Messer, Gabel, Schere, Licht und ein bißchen Blut verteilten.

Eines Tages dann, wenn ich längst weitergezogen bin, werden es nur noch Hieroglyphen sein, kryptische Zeichen auf der Wand. Wenn ich den Hafen verlassen habe auf einem anderen Schiff, wird es neue Mieter geben.
Aber keinen Stein von Rosette.

The Mercy Seat | 02:23h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
modeste - Donnerstag, 27. Oktober 2005, 02:56
Wie viele Orte man hinter sich gelassen hat, um manchmal zu denken du fändest Ruhe dort. Und vielleicht hinterlässt man tatsächlich mehr als ein paar Kratzer in den Wänden, und wenn es gut gewesen ist, dann bleiben nicht nur ein paar Worte, mit Blut in den Staub geschrieben.

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au lait - Mittwoch, 2. November 2005, 10:53
Die ewig passende Winterreise... :)

Ein "And also the trees"-Zitat, Herr Kid, das macht sie noch sympathischer als sowieso schon. Chapeau!

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kid37 - Mittwoch, 2. November 2005, 14:16
Wenn Sie wüßten, welch' bittere Geschichte da nun wieder hintersteckt... Ach, Zähren der Vergangenheit. Gibt es diese Teilzeit-Pathetiker eigentlich noch?

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au lait - Mittwoch, 2. November 2005, 15:41
Ich denke schon. Zumindest kann man ihrer Homepage entnehmen, dass sie am 19. November in Bochum sogar in der Christuskirche konzertieren. Was eindeutig für eine Fortexistenz der Band spricht...

Die Bitternis der zu Grunde liegenden Geschichte tut mir Leid, und noch immer bin ich mir nicht sicher, inwieweit ein hervorragender, bestürzend-bezaubernder Text als Ergebnis im Anschluss an (noch nicht) verdaute Schreckens-Ereignisse die erlittenen Schmerzen aufwiegt, wie vielfach behauptet wird.

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arboretum - Donnerstag, 27. Oktober 2005, 10:09
Dort, wo noch das Blut, die Schreie und die Verzweiflung in den Wänden hängen, wird es der Nächste, dem das Haus eine Bleibe bietet, mit Weihrauch, Myrrhe, Sandelholz und Copal ausräuchern. So vertreibt man böse Geister.

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bartleby - Donnerstag, 27. Oktober 2005, 11:03
So Sie den "Hafen" denn verlassen haben, versuchte ich metonymisch Wortperlen zu sticken … in Ihr verbleibendes, textiles Palimpsest verkannter, engrammierter BedeutungsVerschreibungen. Ihr Wort un leurre.

Ein einziger, blinder Spiegel wird als Zeugnis der Abwesenheit die satura lanx Ihrer Geschichten schemen.

Und säglich leise wird hinter "alten Tapeten" mein schabendes EntZiffern (37) den unberührten 'Stein von Rosette' neu w/mörteln.
Der Kinderreim menetekelte derweil verblassend im Hintergrund über Ihr vergangenes, lyres Spiel. Ein gefährliches Spiel, das die tumben Floskeln der Sprache tödlich ausbluten machte.

Doch besser: Sie bleiben noch ein Weilchen, damit wir Sie ver(w)Orten können!! Zwei Schriften über Rosette bestehen nun - bin auf die notwendige dritte gespannt. … la pierre de Rosette) ... Ich seh's ... sie kam mir zuvor!!

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bartleby - Donnerstag, 27. Oktober 2005, 23:46
Ich habe den Eindruck, Ihrem Blog zu schaden & werde darum, auch wenn's mir schwer fällt, eine Weile mit dem Kommentieren aussetzen. Vielleicht trügt der Eindruck, doch mir fiel auf, dass wiederholt nach meinem Eintrag niemand mehr kommentierte. Sie können jederzeit in meinem Blog den rezenten Eintrag dazu nutzen, etwas im Kommentarteil unterzubringen, auch wenn's thematisch nicht zu dem veröffentlichten Text passen sollte.
Würde mich freuen, wenn wir uns nicht ganz aus den Leseaugen verlören und wir gelegentlich eine s'in(n)k'ende Waterman-Feder (Schreibgerät Sartre's) kreuzten.

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kid37 - Freitag, 28. Oktober 2005, 00:36
Gemach. Ich bin ja Camusianer (zum Erschrecken vieler, aber was soll ich machen), und rolle den Stein immer wieder hoch. Ihr Eindruck täuscht Sie allerdings nicht völlig; das war es ja, was ich Ihnen seit ein zwei Wochen ab und an durchs Blümchen geflüstert habe. "Schaden" ist das falsche Wort, aber Sie beginnen, mein Blog zu prägen und womöglich auch etwas zu sehr. Das ist ein Prozeß und erst in zweiter Linie vielleicht ein Problem. Das weiß ich nicht. Wenn es Ihnen ein Trost ist: Auch mit mir wollen längst nicht alle (mehr) spielen. Das hat so ein, zwei Gründe und ist natürlich auch interessant zu beobachten, so als Effekt in der Blogosphäre. Aber die Zeit wird da vieles richten.

Wie Mark neulich zu Ihnen sagte, es ist alles eine Frage der Dosis. Für die langen Ergüsse hat man ja sein eigenes Blog. Üben Sie doch mal Dreizeiler so zwischendurch. ;-)

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mark793 - Freitag, 28. Oktober 2005, 00:55
Hach ja,
diese Erfahrung gehört wohl dazu. Mir wurde ja unlängst auch die Tür gewiesen, weil ichs etwas übertrieb (nicht hier allerdings). Dafür kam heute überraschend ein Zitterwolf zu Besuch in die Dunkelkammer. Also nicht entmutigen lassen, Herr Bartleby, das wird schon noch. Morgen ist auch noch ein Tag.

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