Tropfende Tropenträume


Martin Johnson Meade

Es ist mittlerweile dauerhaft so schwül-heiß hier in der kleinen metallbedachten Leuchturmkapsel, daß in den Ecken, wo bei euch in den Wohnungen Schwarzschimmel wächst, Orchideen und Venusfliegenfallen in einer gewissen feuchthitzigen Üppigkeit gedeihen. Heute morgen entdeckte ich Kolibris, die - offenbar durchs geöffnete Lüftungsfenster hineingekommen - morgennektarschlürfend von Blüte zu Blüte propellerten. Ganz hübsch eigentlich, wenn auch nur mit Eispack auf dem Kopf erträglich, will man gleichzeitig noch Dinge sachgerecht bearbeiten.

Stimmungsmaler Martin Johnson Meade hat das mal schnell pittoresk abgemalt, die Szenerie ist aber auch zu hübsch. Der US-Amerikaner (1819 - 1904) hatte eine besondere Neigung zu tropischen Landschaften und reiste Mitte des 19. Jahrhundert sogar extra nach Brasilien, um dort zu malen. Nun, da Brasilien wettermäßig zu uns gereist ist, kann man das natürlich einfacher haben. In meiner mittlerweile von Schlingpflanzen überwucherten Badewanne stelle ich mir gern vor, in einem Einbaum den Amazonas hinunterzugleiten, großen Schlangen auszuweichen und den giftigen Pfeilen der Ureinwohner. Dort, wo bei euch die Rückenbürste liegt, halte ich einen Kescher bereit, um bunte Schmetterlinge grotesker Größe von den Fliesen zu fangen und für die Nachwelt zu klassifizieren.

Alles nur erträglich, wenn ich regelmäßig eine Cooling Pause einlege, wie in der Begenung der beiden Ballspielmannscahften Deutschland und Portugal im aufgeheizten, subtropischen München. Wie ein leicht in die Jahre gekommener, aber immer noch auf Top-Niveau spielender Sportstar kippe ich mir kühles Wasser über den Kopf, gurgel ein, zwei Schlucke ordentlich durch, um Malariamücken aus dem Rachen zu spülen und rotze dann beherzt in den Amazonas. Ab nächste Woche wieder menschenwürdige Temperaturen, lange geht das nicht mehr gut.

Homestory | 17:05h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
fidibus - Samstag, 19. Juni 2021, 23:36
Herr Kid37, der Halluzinator. :-)

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kid37 - Sonntag, 20. Juni 2021, 15:08
Herr Kid37, der Dachstubenbewohner. :-)

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manhartsberg - Montag, 21. Juni 2021, 15:41
Von wegen Halluzis, beim Hofer bieten sie neuerdings schon Orchideen als Schnittblumen an.
Ich las übrigens Schwarzkümmel..

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kid37 - Dienstag, 22. Juni 2021, 10:20
Sah neulich einen Bericht über die Nachzucht von Orchideenarten zur Arterhaltung im Alpenraum. Ist gar nicht so einfach, weil es in den beteiligten Regionen und Ländern unterschiedliche Vorstellungen über die genetische Reinheit gibt. Inzucht bei Orchideen! Würde meine Wohnung auch als Ausweichort für seltene Arten anbieten. Ein Tropengewächshaus, Schwarzkümmel kommt dann extra.

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gaga - Sonntag, 20. Juni 2021, 17:52
auch hier in der Dachstube neue Spezies gesichtet: Krabbeltier hinter (!) der Scheibe vom Monitor. Größe und Form ca. Blattlaus (in schwarz) oder sehr kleine Fruchtfliege. Wegen Hitzedemenz reflexartig auf die Scheibe gedrückt und das Tier plattgemacht. Jetzt Leiche im Blickfeld. Ich ärgere mich so, dass ich nicht gewartet habe, bis das Tier mehr an den Rand krabbelt und dann erst zugedrückt habe oder dass es eines natürlichen Todes stirbt und dann eh nach unten rutscht. Das geht nie mehr weg! Ich hoffe, dass irgendein Verwesungsprozess stattfindet, der zu einer Auflösung oder Verkleinerung führt. Ist zwar nur ein dicker schwarzer Punkt, aber stört halt doch!

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kid37 - Sonntag, 20. Juni 2021, 21:08
Aaaah, wie unangenehm! Sozusagen ein Elefant im Monitor, einfach nicht zu übersehen. Das kann mir mit den Kolibris zum Glück nicht passieren, aber welch schwacher Trost ist diese Bemerkung! Bei Laptops ist es sicher schwierig, bei Desktop-Monitoren sicher auch, aber nicht unmöglich: Mein Bruder hat tatsächlich mal die "optische Einheit" von der Schutzfolie getrennt, um dahinter sauber zu machen. Weiß nicht, ob bei einem Desktop-Monitor oder sogar größerem Fernseher. Aber mein Bruder ist auch geschickter noch geschickter als ich. Drücke erstmal die Daumen, daß das Tier rasch soweit austrocknet, daß es in feine Brösel zerfällt. So wie der Staub, der aus meinen Fesntern fällt, weil in den Lüftungslöchern Wildbienen ein Hotel bezogen haben.

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gaga - Sonntag, 20. Juni 2021, 21:55
ich behelfe mir einstweilen, indem ich bei manchen Seiten den Vollbildmodus wegmache und das Bild so hinschiebe, dass der Fleck in einem dunklen Bereich ist, oder wo viel Text ist. Bei schwarzem Buchstabengekröse fällt es kaum auf. Neu auch nun: Freude über unruhig gestaltete Webseiten, da muss ich mitunter direkt nach der kleinen Leiche suchen!

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kid37 - Montag, 21. Juni 2021, 01:32
Camouflage und Mimikry - Deswegen hat man in den 70ern überall Pril-Blumen hingeklebt. Dann fielen die Streifen nicht so auf. Geschickt.

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