Freitag, 11. Juni 2021


So gut wie neu

"Und leider, leider, leider
gibt es keinen Platz
Wo ich bleiben, bleiben kann,
denn die Welt ist proviso-o-o-risch."
(Die Braut haut ins Auge, "Provisorisch")


The Artist is present: Provisorische, nonpermanente Installation aus Speiseeis

Eine frühere Bekannte scholt mich regelmäßig meiner von ihr abschätzig so genannten "Provisorien", mit denen ich Haus, Leben, Geld, aber eben nicht die Liebe zusammenhielt. Machten sie angeblich "irre"; ich hingegen fühlte mich und meine Ingenuität verkannt. Zu recht! Denn Andrew Baseman hat sich von so etwas nicht beirren lassen und daraus ein kleines Lebenswerk (und Lebenserwerb) gemacht.

Der Set-Dekorateur ("Gotham") sammelt ein ausgefallenes Spezialgebiet: reparierte Antiquitäten. Romantiker und Schwarzromantiker wissen, es gibt Liebhaber für alle Dinge (sonst wäre ja auch alles hoffnungslos). In einem Blog hat Andrew Baseman seine Schätze dokumentiert. The Past Imperfect: The Art of Inventive Repair heißt es (so wie sein Buch). Er zeigt dekorative Haushaltsgegenstände (heute: Kunstschätze) aus früheren Jahrhunderten, als man zerschlagenes Porzellan nicht zum Scheidungsanwalt oder zum Mülleimer brachte, sondern von einem Tinkerer einfallsreich instand setzen ließ. Abgebrochene Ausgüsse am Keramikkrug? Kein Problem, das ein Klempner und Spengler nicht lösen könnte. Brüche und Sprünge fugen und fügen einem Teller etwas Besonderes hinzu. "Once regarded merely as damaged goods by antiques dealers and collectors alike, antiques with inventive repairs are justly receiving the respect they deserve", heißt es bei Basemen über das Charaktervolle dieser Schätze.

Wir nennen es heute schick-exotisch Wasi-Sabi und bieten es als teure Lebensartkurse für übersättigte Städter an. Die Kunst des Unperfekten - ich habe es immer schon gesagt.

>>> Sammlung von Andrew Baseman auf Instagram