Miti Miti



Mal angenommen: Wenn ich wie ein Astronaut im All schweben würde, was passierte mit dem Blumenstrauß in meiner Hand? Solche Fragen kann wieder niemand beantworten. Es bräuchte ein wissenschaftliches Notfalltelefon, wo man spätabends noch anrufen könnte, um Antworten auf derartige Fragen zu bekommen.

Alles muß man selber denken, sitzt dabei zwischen Baum und Borke, im Comme ci, comme ça, mal hier, mal dort, und am Ende teilt man fifty-fifty.

Im Telefongespräch mit meinem Vater rechneten wir gestern durch, wie man einen höheren Lottogewinn möglichst effizient aufteilt. So wie früher in der Schule bei den Textaufgaben, wo man drei Stück Lakritz gerecht an sieben Personen am Tisch aufteilen soll. Daraus habe ich vor allem eins gelernt: Laß niemanden in die Bude, die wollen dein Lakritz!

Oft wollen die nur was wissen, die Nase in die Luft halten, wie wir unter Jägern sagen. Vielleicht eine meiner neuen Erfindungen oder Theorien abgreifen oder etwas Aufmerksamkeit. Während ich mich auf die Blumen konzentriere und mich frage, wie sie auf einem Tisch im Weltraum wirken würden.

Ich würde gerne mal so mit drei Frauen am Tisch sitzen, dabei Kaffee und Kuchen einnehmen, kein weiteres Wort sprechen. Denn wenn ich mit Menschen zu Tisch sitze, hört sich das oft nicht anders an. Gerne würde ich auf der Arbeit mal eine Woche nur in Meredith-Monk-Fantasiesprache reden. Oder das Notfalltelefon anrufen. Um Gewohnheiten zu brechen, zu schauen, wie weit man sich nach links oder rechts neigen kann (im Weltraum: auch nach oben oder unten!), hin- und herschaukeln mit immer neuen Blick auf die Blumen auf dem Tisch.

Ich habe heute nach langer Zeit Hiroshima, mon amour von Aain Resnais wieder gesehen. Darin treffen sich zwei schöne Menschen aus weit entfernten Städten (eben Hiroshima und Nevers in Frankreich), entkommen aber nicht ihrer jeweils etwas bedrückenden Vergangenheit. Ich sag mal so: Es geht nicht erfreulich aus. (Wobei "gehen" ein übertriebenes Verb für diese Art Film ist.)

Interessant ist die repetitive Sprache (Skript: Marguerite Duras), in der Worte in verschiedenen Stellungen im Satz wiederholt werden, Ketten mit weiteren Sätzen bilden und einen musikalischen Rhythmus. Niemand spricht (mehr) so, auch nicht in Filmen. Es klingt ein wenig wie die mechanischen Variationen eines Steve Reich oder die PIN, die ich heute für die Packstation bekam: 2568. Wo jeder gleich denkt, da fehlt in der Kette von Fünf, Sechs und Acht doch eine Sieben. Dabei, so erklärte mir das wissenschaftliche Notfalltelefon, ist die vorhanden - man muß nur die anführende Zwei und die Fünf addieren. Habe ich mir nicht ausgedacht: 2568.

Jetzt stelle man sich vor, nur damit das jetzt alles einen Sinn ergibt, man hätte 2568 Blumen, legte die in eine Packstation und schickte die ins All. Und dann hieße es, so jedenfalls in dem Film, den ich darüber drehen würde (Skript: Meredith Monk), hier ist die PIN-Nummer, öffnen Sie eine Klappe und schauen Sie, was mit den Blumen passiert ist. Und dann sieht einer die Blume an und sagt: "Du bist Hiroshima."

So war mein Tag bislang. Mal so, mal so. Das Geld vom Lotto würde ich übrigens in Immobilien anlegen. Eine Wohnung in New York, eine London, in Paris und Melbourne. So daß man wie ein Raumfahrer immer um den Erdball kreisen kann, entweder Blumen oder ein Putztuch in der Hand. Denn meine nächste Frage ans wissenschaftliche Notfalltelefon wäre: Wie halte ich die Buden sauber?

Muß los.

Projektor | 00:33h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
fidibus - Sonntag, 24. Februar 2019, 16:07
Bei der Plauderei der drei Frauen ruft im Hintergrund immer jemand 'Hurz!'. Sind Sie das?

Für den Fall, dass ich den Jackpot einheimse, wird die Welt in hübsche Teile zerlegt und in Faltboxen verstaut. Jeden Morgen gehe ich dann ans Regal, ziehe einen Karton raus (sonntags beispielsweise den mit der Aufschrift 'Moskau'), gehe vor die Tür und entfalte die Schachtel ... und schwuppdiwupp liegt der Ort zu meinen Füssen, der mir gerade genehm ist. Mitternacht wird dann alles wieder eingeklappt und verstaut. Erspart die lästige Immobilienanhäufung, Kofferpackerei und Reiserei mit dem Flugzeug.
Alternativ käme noch eine Wohnung in einem Luftschiff in Betracht. Für die Lösung des Blumenproblems würde ich einen Preis ausloben.

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kid37 - Sonntag, 24. Februar 2019, 16:50
Jaja, Sie sind noch nicht "erwacht"! Warten Sie nur ab, bald habe ich Sie so weit, daß wir gemeinsam in einem Tanzstück von Monk auf der re:publica auftreten.

Luftschiff - sofort! Kam ja leider für Reisen aus der Mode, als alte, weiße Männer anfingen, Wohnmobile zu kaufen. Sozusagen das Luftschiff des kleinen Mannes. Alles an Bord, kein Kofferpacken nötig. Aber ist es auch sexy? Nein. Ein Zeppelin hingegen... elegant.

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fidibus - Sonntag, 24. Februar 2019, 17:52
Das verlinkte Tanzstück finde ich sehr, sehr schön.

(Wurde gerade von einem Erinnerungsflash überrollt. Isadora Duncan, Mary Wigman und Gret Palucca waren die Idole meiner Oma. Sie wäre auch gerne Tänzerin geworden. Ich mochte es, wenn sie mir im Wohnzimmer was vortanzte. Leider bin ich selbst eher vom Typ 'unmusikalischer Bauerntrampel'.)

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